Die entscheidenden Femtosekunden
Molekulare Konversion auf extrem kurzen Zeitskalen beobachtet.
Die Beobachtung der entscheidenden ersten Femtosekunden in einer photochemischen Reaktion erfordert experimentelle Techniken, die sich nicht im typischen Arsenal der Femtosekundenchemie finden. Solch schnelle Dynamik lässt sich jetzt jedoch mit den Instrumenten der Attosekundenforschung untersuchen. Forschern am Max-
Abb.: Schematischer Überblick der niedrigsten acht Komponentenzustände des Benzol-
Das Benzolmolekül, dessen Rückgrat aus einem Ring von sechs Kohlenstoffatomen besteht, stellte einen perfekten Kompromiss zwischen Komplexität und chemischer Relevanz dar. Deshalb haben Theoretiker dieses Molekül immer genau untersucht. Doch eine Bestätigung der theoretischen Resultate durch ein zeitaufgelöstes Experiment war bislang nicht möglich. Die vorhergesagte Dynamik war einfach zu schnell, auf einer Zeitskala von etwa zehn Femtosekunden.
Martin Galbraith und seine Kollegen haben jetzt die experimentellen Auflösungsgrenzen so weit verschoben, dass Messungen der extrem schnellen Dynamik im Benzolmolekül technisch möglich wurden. „Die Entwicklung von Laserpulsen mit wenigen optischen Zyklen und die Erzeugung von Attosekundenpulszügen mit nur wenigen Bursts hat es uns erlaubt ein photochemisches Experiment mit ungeahnter Zeitauflösung zu entwickeln“, sagt Jochen Mikosch, der Leiter der Studie. Die Forscher verwendeten einen speziellen spektralen Filter in ihren Experimenten, der es ermöglicht eine definierte Superposition von elektronischen Zuständen im Benzolmolekül zu erzeugen. Damit konnten extrem kurze Lebensdauern gemessen werden, die im Rahmen eines Populationstransfers durch zwei konische Überschneidungen hindurch interpretiert werden konnten.
Abb.: Experimentell gemessenes C4H3+ Fragmentsignal als Funktion der Zeitverzögerung zwischen Pump- und Abfragepuls (rote Punkte). Die schwarze Linie ist ein bi-exponentieller Fit an die Daten; die gestrichelten Linien bezeichnen die Beiträge der beiden Zeitskalen, die von den Durchquerungen der sequentiellen konischen Überschneidungen herrühren. Die kleine Abbildung rechts oben zeigt eine Messung über eine lange Zeitverzögerung. (Bild: J. Mikosch, MBI Berlin)
Konische Überschneidungen werden oft als molekulare Trichter beschrieben, in denen sich verschiedene Potenzialflächen berühren. Diese Punkte sind von besonderem Interesse, da die normalerweise sehr verschiedenen Zeitskalen der elektronischen und nuklearen Bewegung in einem Molekül dort vergleichbar sind. Konische Überschneidungen spielen eine wichtige Rolle in biochemischen Prozessen, wie etwa der Stabilität von DNS gegen die UV-
Molekulare Dynamik an konischen Überschneidungen spielt eine zentrale Rolle in vielen Schlüsselfeldern der modernen Chemie. Dabei sind oft die ersten Femtosekunden von entscheidender Bedeutung, die bislang nicht experimentell zu fassen waren. Daher ist Mikosch zuversichtlich, was die weitere Zukunft der neu entwickelten experimentellen Technik anbelangt: „Indem wir einen der schnellsten internen Konversionsprozesse in einem Molekül überhaupt beobachten konnten, haben wir ein neues Feld geöffnet, das uns Wege zur Kontrolle elektronischer Dynamik in komplexen Molekülen ebnen wird.“
FVB / RK