Die Entstehung der ersten Sterne
Labormessungen molekularer Vorgänge liefern neue Erkenntnisse über die Frühzeit des Kosmos.
Labormessungen molekularer Vorgänge liefern neue Erkenntnisse über die Frühzeit des Kosmos.
Wie sind nach dem Urknall die ersten Sterne entstanden, welche Masse hatten sie und wie haben sie die kosmische Strukturbildung beeinflusst? Die Antworten auf diese Fragen hängen stark davon ab, wie die kontrahierenden Gaswolken, aus denen die ersten Sterne entstanden sind, ihre Wärmeenergie nach außen abführen konnten. Ein internationales Forscherteam hat nun einen für diese Kühlung entscheidenden Prozess, die Bildung von molekularem Wasserstoff, im Labor mit hoher Genauigkeit vermessen. Die Ergebnisse dieser Messungen verringern die Unsicherheiten numerischer Simulationen der ersten Sternentstehungsphase um einen Faktor 10.
Abb.: NGC 281 - eine Sternentstehungsregion in der Milchstraße. Im frühen Kosmos waren die Kühlmechanismen für die Gaswolken weniger effektiv, deshalb war die erste Sterngeneration erheblich massereicher. (Bild: NASA/CXC/CfA/S.Wolk et al./ NSF/AURA/WIYN/Univ. of Alaska/T.A.Rector)
"Während der Epoche der ersten Sternentstehung war molekularer Wasserstoff H2, gebildet durch die assoziative Anlagerung von H- an H, das wichtigste Kühlmittel für das primordiale Gas unterhalb von 104 Kelvin", beschreiben Holger Kreckel von der Columbia University in New York und seine Kollegen aus den USA und Tschechien die Situation. Eben diesen Prozess, die Bildung von molekularem Wasserstoff aus Wasserstoff-Atomen und negativen Wasserstoff-Ionen, haben die Forscher mit einem speziellen Versuchsaufbau nachgestellt.
Kreckel und sein Team haben dazu Strahlen aus Wasserstoff-Atomen und -Ionen bei unterschiedlichen Energien aufeinander geschossen und die Produktionsrate von H2 in Abhängigkeit von den Eingangsenergien gemessen. Die so gewonnenen Werte konnten die Forscher dann als Input für die Simulation der Sternentstehung aus primordialem Gas verwenden.
Sterne entstehen, wenn große Gaswolken sich durch ihre Eigengravitation zusammenziehen. Bei diesem Prozess muss das Gas Wärme nach außen abführen können. Im heutigen Kosmos spielen schwere Elemente eine wichtige Rolle bei den Kühlungsprozessen. Im frühen Kosmos gab es diese schweren Elemente, die nur im Inneren von Sternen entstehen, noch nicht. Die Kühlung konnte damals nur über wenig effektive Mechanismen des molekularen Wasserstoffs ablaufen. Deshalb waren die ersten Sterne vermutlich erheblich massereicher als heute, typischerweise einige hundert Sonnenmassen.
Die Produktion von molekularem Wasserstoff beeinflusst deshalb erheblich die frühe Sternentstehung. Bislang gab es jedoch bezüglich dieser Produktionsrate ganz erhebliche Diskrepanzen zwischen unterschiedlichen theoretischen Berechnungen. Die Experimente von Kreckel und seinem Team verringern diese Unsicherheiten um einen Faktor von 10 und erlauben so künftig eine erheblich genauere Bestimmung der Massenverteilung der ersten Sterne im Kosmos.
Die Kenntnis dieser Sternmassen ist wiederum wichtig für die Simulation der Entstehung der großräumigen Strukturen - Galaxien, Galaxienhaufen, Filamente - im Universum. Die Masse der ersten Sterngeneration, der so genannten Population III, entscheidet darüber, wie schnell das interstellare Gas durch Sternexplosionen mit schweren Elementen angereichert wurde, wie die Reionisation des intergalaktischen Wasserstoffs durch die ultraviolette Strahlung abgelaufen ist, und wie groß die ersten protogalaktischen Strukturen im Kosmos waren, aus denen sich dann Stück für Stück die heutige sichtbaren Strukturen gebildet haben. "Ein faszinierender Aspekt dieser Untersuchung ist", so kommentiert Volker Bromm von der University of Texas die Arbeit von Kreckel und seinem Team, "dass mikrophysikalische Prozesse großräumige, kosmologische Implikationen haben können."
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
H. Kreckel et al.: Experimental Results for H2 Formation from H− and H and Implications for First Star Formation. Science 329, 69 (2010)
dx.doi.org/10.1126/science.1187191 - Perspectives-Artikel:
V. Bromm: To Cool or Not to Cool. Science 329, 45 (2010)
dx.doi.org/10.1126/science.1192014 - Columbia University:
www.columbia.edu/ - University of Texas:
www.utexas.edu/
Weiterführende Literatur:
- S. C. Glover: Cosmological Implications of the Uncertainty in H- Destruction Rate Coefficients. Astrophysical Journal 640, 553 (2006)
- S. C. O. Glover und T. Abel: Uncertainties in H2 and HD chemistry and cooling and their role in early structure formation. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 388, 1627 (2008)
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