Die Geschichte der Galaxien steht in den Sternen
Verhältnis von Leuchtkraft und Sternmasse in Galaxien ist nicht konstant, sondern über einen großen Bereich variabel.
Über Jahrzehnte hielten Astronomen die Annahme, aus der Leuchtkraft von Galaxien könnten sie sehr gut auf die Sternenmasse in diesen Galaxien schließen, für universell. Zwar fanden sie Unterschiede beim Verhältnis von der Gesamtmasse zur Leuchtkraft -- die Gesamtmasse setzt sich aus der Dunklen Materie, den schwach oder gar nicht leuchtenden Objekten (wie Zwergsterne und Planeten) und der in normalen Sternen gebundenen Masse zusammen -- die Differenzen konnten sie bislang aber nicht der Sternenmasse zuweisen. Die große Schwierigkeit bestand darin, den Beitrag der Dunklen Materie aus den Beobachtungen herauszurechnen.
Abb.: Die kleinen, vergleichsweise kühlen und deshalb leuchtschwachen roten Sterne lassen sich nur in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft beobachten. Bei älteren, weiter entfernten Galaxien sind nur die heißeren blauen Sterne sichtbar. Messungen der Massenverteilung zufolge bestehen alte Galaxien aber überwiegend aus roten Sternen. (Bild: Anderson / van der Marel / NASA / ESA)
Der Atlas3D-Kollaboration ist dies nun gelungen. Ihre zweidimensionalen Karten der Sternbewegungen und Modelle zur Geschwindigkeitsverteilung zeigen Unterschiede im Verhältnis von Leuchtkraft und Sternenmasse bei unterschiedlichen Galaxientypen: Es variiert gerade bei älteren Galaxien bis zu einem Faktor drei.
Mit ihrer Methode gelang es den Forschern, den unsichtbaren Halo aus Dunkler Materie, der sich bisher als große Schwierigkeit bei der Bestimmung der Sternenmasse in Galaxien erwiesen hat, herauszurechnen. Hierzu verwendeten sie sechs Arten dynamischer Modelle, jeweils mit einer axialsymmetrischen Komponente stellarer Materie und einer sphärischen Komponente Dunkler Materie. Dann prüften sie die ins Zweidimensionale projizierte Sternenverteilung und die Kinematik. Die Sternenverteilung folgt aus den Teleskopaufnahmen, die Verteilung an Dunkler Materie mussten die Forscher als freien Parameter ins Modell eingeben und nach den plausibelsten Werten anpassen.
Dadurch konnten sie die unterschiedlichen Beiträge von stellarer und Dunkler Materie entflechten. In allen benutzten Modellen ergab sich eine deutliche Varianz von Leuchtkraft und Sternenmasse. „Galaxien haben eine riesige Zahl an kleinen Sternen, Planeten und Schwarzen Löchern, die viel Masse besitzen, aber nur sehr wenig oder gar kein Licht aussenden,“ so Michele Cappellari von der University of Oxford. Die Anzahl dieser Objekte variiert aber je nach der Entstehungsgeschichte einer Galaxie.
Das Verhältnis von Sternenmasse und Leuchtkraft hängt demnach also stark von der Entwicklung und dem Galaxientyp ab. Sollten sich diese Ergebnisse bestätigen, so ist eine seit Jahrzehnten gängige Annahme widerlegt, was Auswirkung auf die galaktische Astrophysik hat, ebenso wie auf Modelle zur Galaxienentstehung und zu Sternpopulationen sowie auf die Kosmologie.
Dirk Eidemüller
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