22.01.2019

Die Grenzen der Silizium-Elektronik überwinden

Forschungskooperation entwickelt neu­artige Material­struktur für die Leistungs­elek­tronik von morgen.

Der Elektronikmarkt wächst signifikant und fordert immer kompaktere und effi­zien­tere leistungs­elek­tro­nische Systeme. Die bis­lang domi­nie­rende Elek­tronik auf Basis von Silizium wird den steigenden industri­ellen Ansprüchen in abseh­barer Zeit nicht mehr gerecht werden. Nun haben sich Forscher aus Univer­si­täten, Fraun­hofer-Gesell­schaft und Leistungs­zentren zusammen­ge­schlossen, um eine neu­artige Material­struktur zu erforschen, die den Anforde­rungen der Industrie an zukünftige Leistungs­elek­tronik weit besser genügen soll.

Abb.: Das Fraunhofer-IAF entwickelt elek­tro­nische Bau­teile und Systeme...
Abb.: Das Fraunhofer-IAF entwickelt elek­tro­nische Bau­teile und Systeme auf GaN-Basis. Hier ist ein prozes­sierter GaN-Wafer zu sehen. (Bild: Fh.- IAF)

In dem kürzlich gestarteten Projekt „Erforschung von funktio­nalen Halb­leiter­struk­turen für eine energie­effi­ziente Leistungs­elek­tronik“, kurz „Leistungs­elek­tronik 2020+“, geht es um das noch uner­forschte Halb­leiter­material Scandium­aluminium­nitrid (ScAlN). Oliver Ambacher, Instituts­leiter des Fraun­hofer-IAF und Professor für Leistungs­elek­tronik am Institut für nach­haltige tech­nische Systeme der Uni Freiburg, koordi­niert die über­regio­nale Zusammen­arbeit.

Bislang dominiert Silizium die Elektronikindustrie. Silizium ist neben seinen relativ geringen Kosten und seiner fast per­fekten Kristall­struktur auch des­halb ein beson­ders erfolg­reiches Halb­leiter­material, weil seine Band­lücke sowohl eine gute Ladungs­träger­kon­zentra­tion und -geschwin­dig­keit als auch eine gute Spannungs­festig­keit ermög­licht. Aller­dings stößt die Silizium-Elek­tronik all­mäh­lich an ihre physi­ka­lischen Grenzen: Insbe­son­dere in Bezug auf die gefor­derte Leistungs­dichte und Kompakt­heit sind leistungs­elek­tro­nische Bau­elemente aus Silizium unzu­reichend.

Mit dem Einsatz des Halbleiters Galliumnitrid in der Leistungs­elek­tronik konnten bereits die Limitie­rungen der Silizium-Techno­logie über­wunden werden. GaN besitzt die Fähig­keit, bei sehr hohen Spannungen, Tempe­ra­turen und Schalt­frequenzen eine größere Leistungs­fähig­keit als Silizium auf­zu­weisen und ermög­licht damit eine signi­fi­kant höhere Energie­effi­zienz. Bei zahl­reichen energie­auf­wändigen Anwen­dungen bedeutet dies eine deut­liche Senkung des Energie­ver­brauchs. Das Fraun­hofer-IAF erforscht seit Jahren GaN-Halb­leiter­struk­turen und ent­wickelt elek­tro­nische Bau­teile und Systeme auf GaN-Basis. Die Ergeb­nisse dieser Forschungs­arbeiten sind mit Hilfe von indus­tri­ellen Partnern bereits in kommer­ziellen Anwen­dungen im Ein­satz. Im Projekt „Leistungs­elek­tronik 2020+“ gehen die Forscher nun einen Schritt weiter, um die Energie­effi­zienz und Lebens­dauer zukünf­tiger Elek­tronik­systeme noch einmal zu steigern. Dafür soll zusätz­lich ein anderes Material erst­malig ein­ge­setzt werden: Scandium­aluminium­nitrid.

ScAlN ist ein piezoelektronisches Halbleitermaterial mit einer großen Spannungs­festig­keit, das für Anwen­dungen in der Mikro­elek­tronik noch weit­gehend uner­forscht ist. „Dass sich Scandium­aluminium­nitrid auf­grund seiner physi­ka­lischen Eigen­schaften beson­ders für den Ein­satz in leistungs­elek­tro­nischen Bau­elementen eignet, konnte bereits nach­ge­wiesen werden“, erklärt Michael Mikulla, Projekt­leiter auf Seiten des Fraun­hofer-IAF. Konkret geht es darum, ScAlN gitter­ange­passt auf einer GaN-Schicht zu wachsen und mit den daraus her­ge­stellten Hetero­struk­turen Transis­toren mit hoher Strom­trag­fähig­keit zu prozes­sieren. „Funktio­nale Halb­leiter­struk­turen basie­rend auf Materi­alien mit großer Band­lücke wie Scandium­aluminium­nitrid und Gallium­nitrid ermög­lichen Transis­toren für sehr hohe Spannungen und Ströme. Die Bau­elemente erreichen eine höhere Leistungs­dichte pro Chip­fläche sowie größere Schalt­geschwin­dig­keiten und höhere Betriebs­tempe­ra­turen, was gleich­bedeu­tend mit gerin­geren Schalt­ver­lusten, höherer Energie­effi­zienz und kompak­teren Systemen ist“, erläutert Ambacher. „Unser Ziel ist es, mit der Material­kombi­na­tion von GaN und ScAlN die maximal mögliche Ausgangs­leistung des Bau­elements bei einem deut­lich gerin­geren Energie­bedarf zu ver­doppeln«, so Mikulla.

Eine der größten Herausforderungen des Projektes ist das Kristall­wachstum, da für diese Material­struktur weder Wachstums­rezepte noch Erfahrungs­werte exis­tieren. Für das Projek­tteam gilt es, diese Hürde in den nächsten Monaten zu über­winden, um zu repro­du­zier­baren Resul­taten zu gelangen und Schicht­struk­turen herzu­stellen, die erfolg­reich für leistungs­elek­tro­nische Anwen­dungen ein­ge­setzt werden können.

Fh.-IAF / RK

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