Die Grenzen der Silizium-Elektronik überwinden
Forschungskooperation entwickelt neuartige Materialstruktur für die Leistungselektronik von morgen.
Der Elektronikmarkt wächst signifikant und fordert immer kompaktere und effizientere leistungselektronische Systeme. Die bislang dominierende Elektronik auf Basis von Silizium wird den steigenden industriellen Ansprüchen in absehbarer Zeit nicht mehr gerecht werden. Nun haben sich Forscher aus Universitäten, Fraunhofer-Gesellschaft und Leistungszentren zusammengeschlossen, um eine neuartige Materialstruktur zu erforschen, die den Anforderungen der Industrie an zukünftige Leistungselektronik weit besser genügen soll.
In dem kürzlich gestarteten Projekt „Erforschung von funktionalen Halbleiterstrukturen für eine energieeffiziente Leistungselektronik“, kurz „Leistungselektronik 2020+“, geht es um das noch unerforschte Halbleitermaterial Scandiumaluminiumnitrid (ScAlN). Oliver Ambacher, Institutsleiter des Fraunhofer-IAF und Professor für Leistungselektronik am Institut für nachhaltige technische Systeme der Uni Freiburg, koordiniert die überregionale Zusammenarbeit.
Bislang dominiert Silizium die Elektronikindustrie. Silizium ist neben seinen relativ geringen Kosten und seiner fast perfekten Kristallstruktur auch deshalb ein besonders erfolgreiches Halbleitermaterial, weil seine Bandlücke sowohl eine gute Ladungsträgerkonzentration und -geschwindigkeit als auch eine gute Spannungsfestigkeit ermöglicht. Allerdings stößt die Silizium-Elektronik allmählich an ihre physikalischen Grenzen: Insbesondere in Bezug auf die geforderte Leistungsdichte und Kompaktheit sind leistungselektronische Bauelemente aus Silizium unzureichend.
Mit dem Einsatz des Halbleiters Galliumnitrid in der Leistungselektronik konnten bereits die Limitierungen der Silizium-Technologie überwunden werden. GaN besitzt die Fähigkeit, bei sehr hohen Spannungen, Temperaturen und Schaltfrequenzen eine größere Leistungsfähigkeit als Silizium aufzuweisen und ermöglicht damit eine signifikant höhere Energieeffizienz. Bei zahlreichen energieaufwändigen Anwendungen bedeutet dies eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs. Das Fraunhofer-IAF erforscht seit Jahren GaN-Halbleiterstrukturen und entwickelt elektronische Bauteile und Systeme auf GaN-Basis. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sind mit Hilfe von industriellen Partnern bereits in kommerziellen Anwendungen im Einsatz. Im Projekt „Leistungselektronik 2020+“ gehen die Forscher nun einen Schritt weiter, um die Energieeffizienz und Lebensdauer zukünftiger Elektroniksysteme noch einmal zu steigern. Dafür soll zusätzlich ein anderes Material erstmalig eingesetzt werden: Scandiumaluminiumnitrid.
ScAlN ist ein piezoelektronisches Halbleitermaterial mit einer großen Spannungsfestigkeit, das für Anwendungen in der Mikroelektronik noch weitgehend unerforscht ist. „Dass sich Scandiumaluminiumnitrid aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften besonders für den Einsatz in leistungselektronischen Bauelementen eignet, konnte bereits nachgewiesen werden“, erklärt Michael Mikulla, Projektleiter auf Seiten des Fraunhofer-IAF. Konkret geht es darum, ScAlN gitterangepasst auf einer GaN-Schicht zu wachsen und mit den daraus hergestellten Heterostrukturen Transistoren mit hoher Stromtragfähigkeit zu prozessieren. „Funktionale Halbleiterstrukturen basierend auf Materialien mit großer Bandlücke wie Scandiumaluminiumnitrid und Galliumnitrid ermöglichen Transistoren für sehr hohe Spannungen und Ströme. Die Bauelemente erreichen eine höhere Leistungsdichte pro Chipfläche sowie größere Schaltgeschwindigkeiten und höhere Betriebstemperaturen, was gleichbedeutend mit geringeren Schaltverlusten, höherer Energieeffizienz und kompakteren Systemen ist“, erläutert Ambacher. „Unser Ziel ist es, mit der Materialkombination von GaN und ScAlN die maximal mögliche Ausgangsleistung des Bauelements bei einem deutlich geringeren Energiebedarf zu verdoppeln«, so Mikulla.
Eine der größten Herausforderungen des Projektes ist das Kristallwachstum, da für diese Materialstruktur weder Wachstumsrezepte noch Erfahrungswerte existieren. Für das Projektteam gilt es, diese Hürde in den nächsten Monaten zu überwinden, um zu reproduzierbaren Resultaten zu gelangen und Schichtstrukturen herzustellen, die erfolgreich für leistungselektronische Anwendungen eingesetzt werden können.
Fh.-IAF / RK