Die Milchstraße dreht sich schneller als angenommen
Die hohe Rotationsgeschwindigkeit bedeute, dass auch die Masse der Milchstraße um etwa die Hälfte größer sein muss als bisher angenommen
Long Beach - Unsere Milchstraße dreht sich schneller und hat viel mehr Masse als bislang gedacht. Das zeigen Präzisionsmessungen mit einem Netz aus Radioteleskopen. Erde und Sonne rasen demnach mit knapp einer Million Kilometer pro Stunde um das Zentrum unserer Heimatgalaxie. Das ist rund 160 000 Kilometer pro Stunde schneller als bisher gedacht, wie Forscher um Mark Reid vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik am 5. Januar 2009 auf einer Tagung der Amerikanischen Astronomiegesellschaft (AAS) im kalifornischen Long Beach berichteten.
Die hohe Rotationsgeschwindigkeit bedeute, dass auch die Masse der Milchstraße um etwa die Hälfte größer sein muss als bisher angenommen - andernfalls würde sie auseinanderfliegen. Damit schließe unsere Heimatgalaxie zu ihrem Nachbarn in der sogenannten Lokalen Gruppe auf, der Andromeda-Galaxie. «Wir sehen die Milchstraße nicht länger als kleine Schwester der Andromeda-Galaxie», betonte Reid.
Für ihre Untersuchungen benutzten die Astronomen die zehn Radioteleskope des «Very Long Baseline Arrays» (VLBA), die über den amerikanischen Kontinent von Hawaii bis zu den Virgin Islands in der Karibik verteilt sind. Durch einen technischen Trick lassen sich diese Antennen zu einem einzigen, gigantischen Radioteleskop zusammenschalten. Das VLBA kann so über hundert Mal schärfere Bilder machen als das «Hubble»-Weltraumteleskop, allerdings in einem anderen Wellenlängenbereich. Das entspreche der Fähigkeit, von New York aus eine Zeitung in Los Angeles lesen zu können, illustrierten die Forscher.
Mit dieser Technik nahmen die Astronomen extrem detaillierte Bilder von Regionen reichhaltiger Sternentstehung in der Milchstraße auf und untersuchten deren Eigenbewegung. «Diese neuen VLBA- Beobachtungen der Milchstraße produzieren hochakkurate direkte Messungen der Entfernungen und Bewegungen», erläuterte das deutsche Teammitglied Karl Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. «Diese direkten Messungen verändern unser Verständnis der Struktur und Bewegungen unserer Galaxie.» Innerhalb der Milchstraße sei es sehr schwer, deren Struktur zu bestimmen, erläuterte Menten. «Andere Galaxien brauchen wir bloß anzuschauen und sehen ihre Struktur, bei der Milchstraße geht das nicht. Wir müssen auf ihre Struktur aus Messungen und Kartierungen rückschließen.»
dpa
AL