27.08.2018

Die saubersten Wassertropfen der Welt

Spuren von Carbonsäuren beein­flussen Titan­oxid-Ober­flächen.

Saubere Oberflächen gibt es nicht – außer im Vakuum. Jeder winzige Regen­tropfen hinter­lässt eine Schmutz­schicht, sogar der Kontakt mit gewöhn­licher Luft reicht aus, um eine saubere Material­ober­fläche augen­blick­lich mit einer Schicht ver­schie­dener Mole­küle zu über­ziehen. Diese dünnen Schmutz­schichten ver­ändern die Eigen­schaften des Materials deut­lich, sie sind aller­dings extrem schwer zu unter­suchen. An der TU Wien ent­wickelte man nun eine neue Unter­suchungs­methode: Durch das Her­stellen und Schmelzen von hoch­reinem Eis erzeugt man die sauber­sten Wasser­tropfen der Welt und bringt sie auf Titan­oxid-Ober­flächen auf. Wie sich zeigte, sind die ent­schei­denden Übel­täter, die sich an Titan­oxid-Ober­flächen anlagern, nicht etwa Wasser­mole­küle, sondern orga­nische Säuren, die in der Luft eigent­lich nur in winzigen Spuren ent­halten sind – Essig­säure und Ameisen­säure.

Abb.: Extrem saubere Eiszapfen ergeben extrem saubere Wasser­tropfen. (Bild: TU Wien)

Titanoxid ist ein oberflächenphysikalisch besonders gut erforschtes Material. Es spielt für ver­schie­dene tech­nische Anwen­dungen eine wich­tige Rolle, etwa für Kataly­sa­toren. Immer wieder stellte man fest, dass sich auf der Titan­oxid-Ober­fläche eigen­artige Struk­turen aus­bilden, wenn es mit Wasser in Kontakt kommt. Diese Struk­turen ver­ändern die Benetzbar­keit der Ober­fläche – so kann man etwa durch die Beschich­tung eines Spiegels mit Titan­oxid erreichen, dass er in feuchter Luft nicht beschlägt.

Vermutet wurde, dass es sich bei diesen Strukturen um die Reste von Wasser- oder Kohlen­dioxid­mole­külen handelt, die auf der Ober­fläche zerlegt wurden. Doch die richtige Antwort ist deut­lich interes­santer: Wie das Forschungs­team heraus­fand, handelt es sich statt­essen um Carbon­säuren, die von Pflanzen aus­ge­dünstet werden. Besonders erstaun­lich daran ist, dass diese Säuren in der Luft nur in winzigen Spuren vor­kommen. Unter einer Milli­arde von Mole­külen der Luft sind nur einige wenige Carbon­säure-Mole­küle zu finden. Doch obwohl viele andere Sub­stanzen viel häufiger sind, gelingt es trotz­dem gerade diesen Carbon­säuren, die Metall­oxid-Ober­fläche zu bedecken.

„Um Verunreinigungen zu vermeiden, muss man solche Experi­mente im Vakuum durch­führen“, sagt Ulrike Diebold von der TU Wien. „Man muss also einen Wasser­tropfen, der nie­mals mit Luft in Berüh­rung gekommen ist, in der Vakuum­kammer auf ein Material auf­bringen, das vor­her auf atomarer Skala gesäubert wurde.“ Erschwert wird diese Aufgabe noch dadurch, dass Wasser­tropfen im Ultra­hoch­vakuum sehr schnell ver­dampfen – ganz unab­hängig von der Tempe­ratur.

Die Forscher mussten sich also eine clevere, neue Untersuchungs­methode aus­denken. Die Lösung war ein „Kühl­finger“, der in die Vakuum-Anlage ein­ge­baut wurde. Die Spitze des gekühlten Metall­stifts wird auf etwa minus 140 Grad Celsius abge­kühlt, dann lässt man hoch­reinen Wasser­dampf in die Kammer strömen. Die Wasser­mole­küle gefrieren an der Kühl­finger-Spitze, ein extrem sauberer kleiner Eis­zapfen ent­steht. Danach wird die Titan­oxid-Probe ein­ge­bracht und die Metall­spitze erwärmt, bis der Eis­zapfen schmilzt und als extrem reiner Wasser­tropfen auf die Probe tropft.

Danach wurde die Oberfläche mit Hochleistungs-Mikroskopen unter­sucht – die gesuchten Ober­flächen­struk­turen waren aber nicht zu sehen. Unter diesen extrem reinen Bedin­gungen bilden sie sich nicht aus, auch nicht wenn man zusätz­lich Kohlen­dioxid in die Kammer strömen lässt. Die Struk­turen müssen also aus etwas anderem als Wasser oder Kohlen­dioxid ent­stehen. Nur wenn man die Probe in Kontakt mit Luft bringt, sind die merk­würdigen Ober­flächen­struk­turen wieder da. Nähere Unter­suchungen zeigen, dass es sich dabei um Carbon­säuren handelt, die vermut­lich größten­teils von Pflanzen stammen. „Dieses Ergebnis zeigt uns, wie vor­sichtig man bei solchen Experi­menten sein muss“, sagt Diebold. „Selbst winzige Spuren in der Luft, die man eigent­lich für bedeutungs­los halten könnte, sind manch­mal aus­schlag­gebend.“

TU Wien / RK

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