26.02.2004

Die schnellste Stoppuhr

Ein neues Messverfahren ermöglicht erstmals, schnellste Vorgänge in der Elektronenhülle von Atomen zu beobachten.



Ein neues Messverfahren ermöglicht erstmals, schnellste Vorgänge in der Elektronenhülle von Atomen zu beobachten.

Deutschen und österreichischen Physikern gelang erstmalig die Erzeugung und der Nachweis isolierter einzelner ultrakurzer Röntgenstrahlungs- und Elektronenpulse, die nur 250 Attosekunden lang sind. Das ist etwa so kurz wie die Umlaufzeit eines Elektrons um den Atomkern. Damit konnte zum ersten Mal das Wechselspiel des ausgelösten Elektrons mit einer einzigen nur 2000 Attosekunden dauernden Schwingung sichtbaren Lichts und seine Bewegung zeitaufgelöst sichtbar gemacht werden (Chronoskopie).

Durch die präzise Steuerung dieser hyperschnellen Schwingungen in einem kurzen Laserpuls gelang es den Forschern des Wiener Instituts für Photonik und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld erstmals einen Messapparat zu entwickeln, der mit einer ultraschnellen Stoppuhr verglichen werden kann. Dieses Gerät misst die Dauer atomarer Vorgänge mit einer Genauigkeit von weniger als 100 Attosekunden (1 Attosekunde ist der milliardstel Teil einer milliardstel Sekunde). Der ultrakurze Röntgenpuls startet den zu messenden atomaren Prozess und zugleich die Attosekunden-Stoppuhr. Dieses neue Messverfahren ermöglicht es erstmals, schnellste Vorgänge in der Elektronenhülle von Atomen zu beobachten.

Mit modernsten Mikroskopen können Forscher einzelne Atome in ihrem Ruhezustand beobachten. Bewegen sich jedoch die Atome, braucht man sehr kurze Lichtpulse, um die Bewegung aus einer Serie von Schnappschüssen rekonstruieren zu können. Reicht zur scharfen Abbildung eines fliegenden Tennisballes eine Belichtungszeit von weniger als eine tausendstel Sekunde, so muss man die Lichtpulse billionenfach, auf wenige Femtosekunden verkürzen, um die schnellsten atomaren Bewegungen in Molekülen festhalten zu können (eine Femtosekunde ist eine billiardstel Sekunde). Innerhalb der Elektronenhülle angeregter Atome sausen Elektronen noch tausendmal schneller: Sie wechseln typischerweise in der Zeit von 10 bis 1000 Attosekunden aus einem Energiezustand in einen anderen. Dabei fliegen Atome, die ursprünglich in einem Molekül gebunden waren, auseinander oder senden ultraviolette bzw. Röntgenstrahlung aus. Diese Vorgänge sind von grundlegender Bedeutung für die Kontrolle chemischer Reaktionen und Synthese neuer Materialien. Sie könnten sogar für die Konstruktion eines handlichen Röntgenlasers eingesetzt werden.

Im Atominneren beträgt die typische Dauer elektronischer Übergänge 100 Attosekunden, eine unvorstellbar kurze Zeit. Sie verhält sich zu einer Sekunde (Herzschlag) wie eine Minute zum Alter des Universums (20 Milliarden Jahre). Dies veranschaulicht eindrucksvoll die hier dokumentierte Zeitskala. Darin entspricht eine Stufe einer tausendfachen Zeitdehnung (nach oben) oder -verkürzung (nach unten). Die Messung derart kurzlebiger Vorgänge erfordert vollkommen neue Werkzeuge und Messverfahren.

Zuerst muss der zu untersuchende mikroskopische Prozess - und zeitgleich die Stoppuhr - gestartet werden. Um das Innere eines Atoms in Bewegung zu setzen, muss dem Atom Energie zugeführt werden. Der Beginn des Prozesses muss genauer definiert sein, als die Dauer des Vorgangs, daher muss die Energiezufuhr blitzartig - innerhalb von einem Bruchteil einer Femtosekunde erfolgen. Will man Atome aus ihrer Ruhe bringen, muss die zugeführte Energie die Bindung der Elektronen an den Atomkern überwinden. Das Forscherteam benutzt für diesen Zweck Röntgenblitze mit einer Dauer von 250 Attosekunden, die derzeit kürzesten Pulse der Welt. Der Attosekundenblitz regt die Elektronenhülle der bestrahlten Atome an. Manche der aus ihrem Ruhezustand gebrachten Elektronen erlangen dabei eine so hohe Energie, dass sie sich aus ihrer atomaren Bindung lösen und selbständig machen. Die Dauer und der Verlauf dieser Elektronenemission gibt direkte Auskunft über den zeitlichen Verlauf der Anregungs- und Relaxationsprozesse in der Elektronenhülle.

Das deutsch-österreichische Forscherteam hat erstmals ein Verfahren zu deren Messung entwickelt. Dabei haben die Forscher auf ein altbekanntes Konzept, das so genannte Schmierbildverfahren, zurückgegriffen. Bis vor kurzem wurde dieses Verfahren ausschließlich zur Messung der Dauer kurzer Lichtblitze verwendet. Der Lichtblitz schlägt während seiner Dauer Elektronen aus einer Metallplatte heraus, die anschließend mit einem statischen elektrischen Feld zu einem fluoreszierenden Schirm beschleunigt werden. Die Innovation beim neuen Verfahren besteht darin, dass die Ablenkung der Elektronen durch ein - millionenfach schneller variierendes - Lichtfeld erfolgt, das seine Wirkung - in Ort und Zeit - unmittelbar bei der Freisetzung der Elektronen entfaltet.

Durch die Messung der Emissionszeit der Photoelektronen mit dem neuen Schmierbildverfahren konnte das deutsch-österreichische Forscherteam eine Röntgenblitzdauer von 250 Attosekunden ermitteln. Das sind die bis dato berichteten kürzesten Pulse und zugleich die kürzeste gemessene Zeitspanne.

Die Bielefelder Forschungsaktivitäten in diesem Projekt werden von der Volkswagen-Stiftung finanziert und von Markus Drescher, Ulrich Heinzmann, Ulf Kleineberg von der Universität Bielefeld sowie von Ferenc Krausz, Technische Universität Wien/Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, geleitet.

Quelle: idw

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