07.02.2012

Die Tonleiter der Raumzeit

Garchinger Astrophysiker haben einen Zusammenhang zwischen der Größe weit entfernte Neutronensterne und der Frequenz der von ihnen abgestrahlten Gravitationswellen gefunden.

Abb.: Diese simulierte Kollision zweier sich umkreisender Neutronensterne dauert nur 0,03 Sekunden. Starke Schwingungen des neu entstandenen Neutronensterns sind als Deformationen einmal in Ost-West-Richtung und einmal in Nord-Süd-Richtung erkennbar (unten links und rechts; Bild: A. Bauswein & H.-T. Janka, MPA)

Viele Neutronensterne kreisen in Doppelsternsystemen umeinander, wobei sie sich im Laufe von einigen 100 Millionen Jahren immer weiter annähern. Schließlich kollidieren die nur wenige zehn Kilometer großen Sterne und formen ein einzelnes, deutlich schwereres Objekt. Die Kollision regt starke Schwingungen in dem neu entstandenen Neutronenstern an, die messbare Gravitationswellen aussenden. Da es Vorhersagen zufolge eine große Zahl solcher Doppelsternsysteme in den Galaxien der kosmischen Nachbarschaft unserer Milchstraße geben sollte, stehen die Chancen nicht schlecht in naher Zukunft, Zeuge einer solchen Sternverschmelzung zu werden. Die neueste Generation von Gravitationswellen-Detektoren wird Tausende Galaxien gleichzeitig überwachen können. Ereignet sich – wie vermutet – alle 10.000 bis 100.000 Jahre eine Kollision in jeder Galaxie, wird sie den superempfindlichen Antennen nicht entgehen.

Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik untersuchten nun mit Hilfe von Computersimulationen, wie die „Tonhöhe“ der ausgesandten Gravitationswellen von der Größe der Neutronensterne abhängt. Der Sterndurchmesser steht dabei in engem Zusammenhang mit dem inneren Aufbau und den Eigenschaften von Neutronensternmaterie. Da letztere nicht gut bekannt sind, benutzten die Forscher für ihre Rechnungen viele verschiedene Vorschläge für die Materieeigenschaften und bestimmten den entsprechenden Klang der Kollisionen. Dabei variierte die Tonhöhe zwischen dem dreigestrichenen b und dem viergestrichen b. Wie erwartet erzeugen kleine Sterne hohe Töne, während ausgedehntere Objekte einen tieferen Klang hervorbringen. Die Rechnungen der Wissenschaftler eröffnen nun die Möglichkeit, die Größe eines Objekts, das sich viele Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt befindet, auf wenige 100 Meter genau zu bestimmen.

Abb.: Der Zusammenhang zwischen der Frequenz von Gravitationswellen und dem Radius von Neutronensternen erstreckt sich über ungefähr eine Oktave. Misst man die Tonhöhe mit einem Gravitationswellen-Detektor, lässt sich daraus der Radius von Neutronensternen bestimmen. (Bild: A. Bauswein & H.-T. Janka, MPA)

Bei Neutronensternen handelt es sich um äußerst extreme Objekte handelt. Bei Durchmessern von 20 bis 30 Kilometern ist dabei die eineinhalb bis zweifache Masse der Sonne auf Dichten jenseits von der in Atomkernen zusammengepresst. Entsprechende Bedingungen können in keinem irdischen Labor erzeugt und untersucht werden. Gerade deshalb ist Materie bei solchen Dichten für viele Forscher von besonderem Interesse. Denn in derart extremen Umgebungen treten fundamentale Prozesse der Kern- und Teilchenphysik in Erscheinung, wie zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen, und bestimmen die Eigenschaften der Neutronensternmaterie. Auf diese Weise erlaubt die Beobachtung der Signale weit entfernter astronomischer Objekte einen tieferen Einblick in die Welt der fundamentalsten Bausteine der Natur.

MPA / OD

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