05.04.2016

Die wahrhaft eindimensionale Form des Kohlenstoffs

Erster direkter Nachweis von stabilen, ultra­langen ein­dimen­sionalen Kohlen­stoff­ketten.

Bereits in seiner elementaren Form führt die hohe Bindungs­viel­seitig­keit von Kohlen­stoff zu einer Viel­zahl von Erschei­nungs­formen wie Diamant und Graphit. Einzelne Graphit­lagen, genannt Graphen, lassen sich auf­rollen oder falten, um Kohlen­stoff­nano­röhren oder Fullerene zu erhalten. Obwohl die Existenz von Carbin, einer ultra­langen Kette von Kohlenstoff­atomen, schon 1885 von Adolf von Baeyer vor­ge­schlagen wurde, sind Wissen­schaftler bisher nicht in der Lage gewesen, dieses Material künst­lich herzu­stellen. Von Baeyer ging sogar davon aus, dass Carbin niemals nach­weis­bar sein würde, da seine hohe Reak­tivität immer zu seiner sofor­tigen Zer­störung führen würde. Gleich­wohl wurden in den ver­gan­genen fünfzig Jahren erfolg­reich Kohlen­stoff­ketten von zu­neh­mender Länge synthe­ti­siert.

Abb.: Schematische Darstellung einge­schlossener ultra­langer, linearer, sp-hybri­di­sierter Kohlen­stoff­ketten in verschie­denen doppel­wandigen Kohlen­stoff­nano­röhren. (Bild: L. Shi, U. Wien)

Der bisherige Rekord war 2003 eine Kette von etwa hundert Kohlen­stoff­atomen. Mit der ers­tmaligen Demon­stration von mikro­meter­langen Ketten wurde dieser Rekord jetzt um mehr als einen Faktor 50 über­troffen. Forscher der Uni Wien unter der Leitung von Thomas Pichler haben einen neu­artigen, einfachen Ansatz entwickelt, um Kohlen­stoff­ketten mit einer Rekord­länge von mehr als 6400 Kohlen­stoff­atomen zu stabi­li­sieren. Dazu verwenden sie den begrenzten Raum inner­halb einer doppel­wandigen Kohlen­stoff­nano­röhre als Nano­reaktor, um ultra­lange Kohlen­stoff­ketten in Masse zu produ­zieren.

In Zusammenarbeit mit den Gruppen von Kazu Suenagas am AIST in Japan, Lukas Novotny an der ETH Zürich und der Theorie­gruppe von Angel Rubio am MPI für Struktur und Dynamik der Materie wurde mit­hilfe einer Viel­zahl ausge­feilter, sich gegen­seitig ergän­zender Methoden die Existenz der Ketten ein­deutig nachge­wiesen. Dazu gehören tempe­ratur­ab­hängige Nah- und Fernfeld-Raman-Spektro­skopie mit verschie­denen Lasern für die Unter­suchung der elek­tro­nischen und Vibra­tions-Eigen­schaften, hoch­auf­ge­löste Trans­missions­elek­tronen­mikro­skopie für die direkte Beob­achtung des Carbins inner­halb der Kohlen­stoff­nano­röhren und Röntgen­streuung für die Bestä­tigung der massen­weisen Her­stellung der Ketten.

Carbin ist im Inneren von doppel­wandigen Kohlen­stoff­nano­röhren sehr stabil. Diese Eigen­schaft ist ent­scheidend für seine An­wendung in zu­künf­tigen funk­tio­nellen Materi­alien. Nach theore­tischen Modellen über­treffen die mecha­nischen Eigen­schaften des Carbins alle bekannten Materi­alien und damit auch Graphen und Diamant: Es ist vierzig­mal steifer als Diamant, doppelt so steif wie Graphen und hat eine höhere Zug­festig­keit als alle anderen kohlen­stoff­basierten Materi­alien.

„Diese Arbeit stellt ein Beispiel einer sehr gut funktio­nierenden und ergebnis­reichen Zusammen­arbeit von Experi­menten und Theorie dar, um die elek­tro­nischen und mecha­nischen Eigen­schaften niedrig­dimen­sio­naler kohlen­stoff­basierter Materi­alien zu ent­schlüsseln und zu kontrol­lieren“, sagt Rubio. „Sie führte zur Synthese und Charak­teri­sierung der längsten je erzeugten linearen Kohlen­stoff­kette. Diese Erkennt­nisse stellen die grund­legende Test­um­gebung für experi­mentelle Studien zu Elek­tronen­korre­lationen und quanten­dyna­mischen Phasen­über­gängen in begrenzten Geometrien zur Verfügung, welche bislang nicht möglich waren. Zudem sind die mecha­nischen und elek­tro­nischen Eigen­schaften von Carbin außer­gewöhn­lich und eröffnen eine Fülle neuer Möglich­keiten für die Ent­wicklung von nano­elek­tro­nischen und opto­mecha­nischen Bau­elementen.“

MPSD / RK

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