02.06.2010

Die Zukunft gestalten

Energieeffizienz und Ressourcenschonung mit Green Photonics: Andreas Tünnermann vom Fraunhofer IOF im Interview.

Energieeffizienz und Ressourcenschonung mit Green Photonics: Andreas Tünnermann vom Fraunhofer IOF im Interview.

Green Photonics wird derzeit weltweit diskutiert: Stromsparende Beleuchtung, ressourcenschonende Produktionstechnologien und hocheffiziente Solartechnik sind dabei Forschungsthemen, die Unternehmen, Institute und Hochschulen in ihrer Arbeit vereinen. Über Green Photonics und die Zukunft der Photonik sprach Katja Paff mit Andreas Tünnermann, dem Leiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) und des Instituts für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Das Interview mit Andreas Tünnermann erschien in der Ausgabe 01/2010 von Optik & Photonik im April 2010.

Optik & Photonik: Was verbinden Sie mit dem Begriff Green Photonics?

Andreas Tünnermann: Die Menschheit steht heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen in den Feldern Umwelt, Energie und Ernährung. An vielen Stellen beobachten wir bereits die Grenzen des Wachstums. Wir werden zukünftig gezwungen sein, unser Verhalten zu ändern, wenn es um die Nutzung von Energie oder natürlichen Rohstoffen geht. Die nachhaltige Nutzung von Licht bzw. Green Photonics kann hier wichtige Beiträge zur Lösung dringender Zukunftsfragen leisten.

Abb.: Die Forschungsschwerpunkte von Andreas Tünnermann liegen auf dem Gebiet der Erzeugung und Kontrolle von Licht. (Bild: Fraunhofer IOF)

Wo begegnet Ihnen der Begriff heute in Ihrer Arbeit?

Tünnermann: Schon seit mehreren Jahren stehen in meiner Forschungsarbeit an der Friedrich-Schiller-Universität und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik Themen wie Energieeffizienz oder auch Umweltbilanz im Fokus. Gerade die Faserlaserentwicklung und letztendlich der Erfolg dieser Systeme am Markt Lasermaterialbearbeitung sind nur in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Schon zu Beginn der Entwicklungsarbeiten zeichnete sich ab, dass elektrische zu optische Wirkungsgrade für Hochleistungsfaserlaser von bis zu 30 Prozent möglich sein würden – und das zu einem Zeitpunkt, wo durch Entladungslampen angeregte Festkörperlaser (sowie CO2-Laser) mit Wirkungsgraden im Bereich weniger Prozent den Markt – zum Beispiel in der Automobiltechnik – dominierten.

Ich kann mich noch sehr gut an ein Gespräch mit Dr. Werner Späth, damals tätig bei OSRAM, Mitte der neunziger Jahre erinnern, bei dem er mir sehr deutlich erklärte: „Herr Tünnermann, verschlampern Sie mir ja keine kostbaren Photonen…“ – wenn man so will, die Geburtsstunde von Green Photonics.

Abb.: Faserlaser: ein sicherer Baustein auf der Roadmap von Green Photonics. (Bild: Fraunhofer IOF)

Photonen sind also ein kostbarer Rohstoff… Wo sehen Sie weitere wichtige Forschungsthemen bei Green Photonics und wo ist das Thema schon in der Anwendung?

Tünnermann: Es gibt eine Vielzahl von Themen, an denen wir in Kooperation mit Unternehmen, weiteren Forschungseinrichtungen und Hochschulen forschen. Nehmen wir beispielsweise die energieeffiziente Beleuchtung. Heute werden weltweit nahezu 20 Prozent des erzeugten elektrischen Stroms für Beleuchtungszwecke eingesetzt. Durch den Einsatz von moderner LED/ OLED-Technik ist eine Energieeinsparung von bis zu 50 Prozent möglich. Dies entspricht absolut einer jährlichen Energieeinsparung von 1300 TWh [Der Wert wurde der Photonics21 Strategic Research Agenda Lighting the way ahead entnommen.]. In Kombination mit intelligentem Lichtmanagement läßt sich der Prozentsatz weiter erhöhen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Photonmanagement in Photovoltaik und Photothermie. Ohne Zweifel wird die Sonne als Energieträger zukünftig an Bedeutung für unsere Versorgung gewinnen. Wir müssen aber erreichen, dass der Wirkungsgrad der Bauelemente durch gezieltes Photonmanagement verbessert wird. Schlüssel hierzu ist, dass das auffallende Licht nahezu vollständig im Bauelement absorbiert wird.

Weitere Themen liegen im Bereich des Umwelt- und Katastrophenschutzes bis hin zu Fragestellungen im Zusammenhang mit der Optimierung des Pflanzenwachstums durch gezielte Lichtsteuerung und Farbwahl in Gewächshäusern.

Welchen Einfluss haben Mikro- und Nanotechnologien auf die Forschung bei Green Photonics?

Tünnermann: Die Mikro- und Nanooptik gewinnt zunehmend in der Optik und Photonik an Bedeutung. Wir stehen heute an einer Schwelle in der Photonik, die vergleichbar ist mit dem Übergang von der konventionellen Elektronik zur Mikroelektronik in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Gerade im Bereich der Green Photonics wird die Rolle der Mikro- und Nanooptik deutlich. Photonmanagement in Solarzellen oder LEDs ist ohne Mikro- und Nanooptik nicht denkbar – dies betrifft z.B. die Ein- und Auskopplung von Licht in die Halbleiterstruktur.

Abb.: Photonmanagement für SIS-Solarzellen: REM -Aufnahme einer nanostrukturierten Si-Oberfläche zur Minimierung der Reflexion und damit Effizienzsteigerung der Solarzelle. (Bild: Fraunhofer IOF)

Optik & Photonik: Wenn wir noch einmal auf die Anwendungen schauen, können Sie die verschiedenen Bereiche schon priorisieren?

Tünnermann: Ich persönlich glaube, dass Projekte im Bereich Energie- und Ressourceneffizienz derzeit über das größte Umsetzungspotenzial am Markt verfügen. In Zeiten steigender Energie- und Rohstoffkosten wird der Endpreis eines Produktes schon heute in vielen Fällen nicht mehr maßgeblich durch Personalkosten bestimmt. Eine Optimierung der Fertigungsprozesse erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und kann damit nicht zuletzt auch zur Standortsicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa beitragen. Aber auch der Endverbraucher selbst reagiert zunehmend auf den Aspekt der Energieeffizienz bei Produkten. Hierzu hat nicht zuletzt auch die Diskussion um den Klimawandel beigetragen.

Die Solarförderung wurde in diesem Jahr schon heiß debattiert. Wie ist Ihre Position: gibt es genug Förderung für die verschiedenen Felder von Green Photonics in Deutschland?

Tünnermann: Die Förderung im Bereich der Photovoltaik unterscheidet sich maßgeblich von der in Deutschland sonst angewandten Praxis. Hier wird direkt ein Absatzmarkt subventioniert, während zum Beispiel über den Ansatz der Verbundförderung des BMBF die Grundlagen für zukünftige Innovationen in wichtigen Branchen gelegt werden – ein sehr erfolgreicher Ansatz, wie gerade die Förderung im Bereich der Optischen Technologien gezeigt hat. Sie hat aus meiner Sicht entscheidenden Anteil daran, dass die deutsche optische Industrie heute auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist, wie Weltmarktanteile von zum Teil über 50 Prozent in den Bereichen der Lasermaterialbearbeitung und Lithographie eindrucksvoll belegen. Green Photonics kann ein Exportschlager für die deutsche Industrie werden. Wir sollten durch geeignete Förderprogramme in diesem Bereich die Innovationskraft der Unternehmen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Ist der Ansatz der Forschungsförderung hier noch richtig? Oder sollte es doch mehr Anreize für die Industrie geben?

Tünnermann: Ohne Zweifel ist die Forschungsförderung des BMBF und die komplementär ergänzten Programme der DFG gerade für die Zukunftsfähigkeit der KMU von essentieller Bedeutung. Wir sollten dieses Instrument, um das man uns im Ausland vielfach beneidet, eher ausbauen, nicht zuletzt auch, da es entscheidend zur Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft beiträgt und damit auch den Wissenstransfer fördert.

Was für Initiativen gibt es im Bereich Green Photonics derzeit und was tun sie?

Tünnermann: Es gibt derzeit mehrere Aktivitäten, die sowohl von der Wirtschaft als auch der Wissenschaft vorangetrieben werden. So hat in unserer Region der Optikcluster OptoNet Jena dieses Feld bereits vor zwei Jahren als Wachstumstreiber für die optische Industrie identifiziert und eine Technologieroadmap entwickelt sowie Handlungsfelder in Abstimmung mit dem Freistaat Thüringen abgeleitet. Ein wichtiger Treiber des Themenfeldes ist zudem die Fraunhofer-Gesellschaft, die aktuell insbesondere in den Bereichen LED-Beleuchtung sowie energieeffiziente Produktion Vorlaufprojekte betreibt. Auf europäischer Ebene wird das Thema Green Photonics mittels der Technologieplattform Photonics21 prominent vertreten.

Erfreulicherweise hat sich dabei auch eine breite industrielle Basis entwickelt. Das geht vom Startup-Unternehmen über einen breiten Mittelstand bis hin zu einigen Großunternehmen.

Letztlich spricht ja jeder von globalen Effekten. Haben Sie auch globale Allianzen?

Tünnermann: Natürlich. Ich komme beispielsweise gerade aus Toronto, wo ich zum einen eine Kooperationsvereinbarung zwischen den Optikclustern OptoNet Jena und Ontario Photonics Industry Network unterzeichnet habe. Darüber hinaus habe ich die Rahmenbedingungen für eine gemeinsame Graduiertenschule Green Photonics zwischen der Friedrich-Schiller-Universität und der University Toronto verhandelt.

Aktuell erwarte ich Besucher von der OITDA Japan, um die zukünftigen Herausforderungen im Photonik-Markt zu besprechen. Wir stimmen uns bei diesem Treffen speziell hinsichtlich der Zielstellungen im Bereich der Green Digital Economy ab.

Abb.: Andreas Tünnermann mit Wissenschaftler Igor Tsybin im Labor. (Bild: Fraunhofer IOF)

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, damit die deutsche Hochtechnologie in Forschung und Industrie international wettbewerbsfähig bleibt?

Tünnermann: Wir müssen uns verstärkt um den Technologietransfer kümmern. Ein exzellentes Mittel ist hierbei wie gesagt die Verbundforschung des BMBF. In enger Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft werden gemeinsam Vorlaufthemen bearbeitet, damit das Wissen schnell in die Industrie diffundieren kann.

In den Kooperationen sollten aus meiner Sicht aber auch neue Wege gegangen werden – ich denke derzeit aktiv mit Kollegen über die Etablierung eines Open-Innovation Campus nach – wo Wissenschaftler aus Wirtschaft und Wissenschaft unabhängig von ihren Institutionen zeitlich befristet an neuen Themen zusammenarbeiten. Mit mehreren Unternehmen sind wir derzeit in der Diskussion, ob nicht ein sabbatical aus der Industrie in die Wissenschaft eine Möglichkeit wäre, diese Strukturen aufzubauen.

Was wird die Zukunft der Photonik bringen?

Tünnermann: Wir müssen das Photon "zähmen", um den vielfältigen Herausforderungen in den Zukunftsfeldern gerecht werden zu können. Das heißt, es gilt, die Voraussetzungen zu schaffen für die Kontrolle von Licht auch unter extremen Bedingungen. Das reicht von der Erzeugung über die Manipulation bis zur Applikation.

Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Tünnermann: Besonders interessant wird sich aus meiner Sicht die Entwicklung auf dem Gebiet der Diodenlaser darstellen. Getrieben durch Volumen-Applikationen wie bildgebende Informationsysteme in Fahrzeugen werden wir schon bald hocheffiziente RGB-Diodenlaserlichtquellen in der Anwendung finden.

Zudem werden wir einen wachsenden direkten Einsatz von Hochleistungsdiodenlasern in der industriellen Fertigung sehen, die insbesondere konventionelle Stablasersysteme substituieren. Gleichzeitig werden wir beobachten, dass kohärente Quellen sowohl im infraroten als auch im extrem-ultravioletten Spektralbereich verfügbar werden, die grundsätzlich neue Applikationen in der Mikroskopie und Werkstoffprüfung eröffnen.

Unverzichtbar sind in allen Fällen geeignete Strahlführungssysteme. Hier werden neue Materialien, wie Diamant eine Rolle spielen, aber auch Prinzipien der Mikro- und Nanooptik Anwendung finden.

Mir bleibt abschließend nur festzustellen, dass die Zukunft des Lichts noch vor uns liegt. Innovative Lösungen mit Licht werden uns helfen, die Zukunft zu gestalten.

Zur Person:

Andreas Tünnermann ist Leiter des Fraunhofer IOF und des Instituts für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Erzeugung und Kontrolle von Licht. Wegweisend sind seine Arbeiten auf dem Gebiet der Faser- und Wellenleiterlaser sowie der Mikro- und Nanooptik, für die er u. a. mit dem Leibniz-Preis 2005 der DFG ausgezeichnet wurde. Tünnermann ist Mitglied im Programmausschuss Optische Technologien des BMBF und Mitinitiator des Memorandums Photonik 2020. Er ist Autor von mehr als 300 Publikationen in renommierten internationalen Journalen.

Green Photonics:

Unter „Green Photonics“ fasst man die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Licht zum Schutz der Umwelt zusammen. Dazu gehören optische und optoelektronische Technologien, die Energie einsparen, die Emission von Treibhausgasen reduzieren, Umweltverschmutzung vermeiden oder zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Produktion beitragen.

Als Schlüsseltechnologie und Wegbereiter kann die Optik/Photonik entscheidend dazu beitragen, die Vielzahl von Herausforderungen zu lösen, vor denen die Menschheit heute steht. Nicht umsonst sprechen Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft vom 21. Jahrhundert als dem Jahrhundert des Lichts.

Zur Lösung dieser dringenden Zukunftsfragen sind jedoch nachhaltige Prozesse und Produkte unabdingbar, wie auch die Politik mittlerweile unterstreicht. Hier bietet der Einsatz von ressourcen- und umweltschonenden, also „grünen“ optischen Technologien enorme Potenziale. Das reicht von effizienten Lasern über die optische Messtechnik und Sensorik bis hin zu stromsparender Beleuchtung und effektiver CO2-neutraler Energiegewinnung.

Optik & Photonik / KP

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