Die zwei Seiten der Mondlandung
Vor 40 Jahren erlebten Millionen von Menschen den ersten Schritt eines Menschen auf dem Mond. Ein großer Triumph für die USA, aber nur ein kleiner Fortschritt für die Wissenschaft?
Der 40. Geburtstag ist meist ein eher zwiespältiges Jubiläum. Das scheint auch im Falle der ersten Mondlandung zu gelten. Zwar veranstaltet die US- Weltraumbehörde NASA einige Konferenzen und Foren, doch Präsident Barack Obama zeigt ihr am großen Tag des 20. Juli die kalte Schulter. „Ein Auftritt des Präsidenten ist nicht vorgesehen“, heißt es bei der NASA. Um Zufall dürfte es sich kaum handeln: Es ist Obama, der unlängst anordnete, die Planung für die bemannte Raumfahrt auf den Prüfstand zu stellen – darunter der für das Jahr 2020 geplante Bau einer Mondbasis.
Ist der Erdtrabant doch nicht so interessant wie angenommen? Edwin „Buzz“ Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond gibt sich heute skeptisch. „Der Mond ist für eine wirtschaftliche Nutzung nicht aussichtsreich“, sagte der mittlerweile 79-Jährige. „Ich glaube nicht, dass es für die Amerikaner eine Notwendigkeit ist, dort präsent zu sein.“ Noch deutlicher äußert sich Ex-Astronaut William Anders über das damalige Apollo-Programm zur Monderoberung: Apollo sei „kein wissenschaftliches Programm“ gewesen, in Wahrheit habe es sich um eine „Schlacht im Kalten Krieg“ gehandelt. „Sicherlich, wir haben ein paar Gesteinsbrocken gesammelt und ein paar Fotos gemacht, aber wäre da nicht dieser Wettlauf mit den Russen gewesen, hätten wir niemals die Unterstützung der Steuerzahler gehabt.“
Auch wenn die Beteiligten mittlerweile ernüchtert zurückschauen: Die Erforschung des Erdtrabanten, der noch viele Geheimnisse birgt, hat von den bemannten Mondlandungen profitiert: „Die Erkenntnisse der Apollo 11-Mission sind auch heute noch von entscheidendem wissenschaftlichen Nutzen“, betont der deutsche Planetenforscher Jürgen Oberst, Professor an der TU Berlin und Abteilungsleiter am Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Das Wichtigste waren die Bodenproben“, sagt Oberst. Bei den sechs Mondlandungen des Apollo-Programms kamen immerhin 400 Kilogramm Bodenproben zusammen, die immer noch von unschätzbarem Wert für die Planetenforschung seien. Sie verraten die chemische und mineralische Zusammensetzung des Mondes. „Man merkte zum Beispiel, dass der Mond eine Kruste hat und es vulkanische Gesteine gibt, ganz ähnlich wie die auf der Erde. Anders als im Fall der Erde ist die gesamte Oberfläche des Erdtrabanten steinalt“, sagt Oberst.
Dank der Proben ließ sich das Alter des Mondes auf 3,8 bis 4,4 Milliarden Jahre schätzen. Wie er genau entstanden ist, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Vermutlich habe ein riesiger Asteroid, fast schon ein kleiner Planet, die Erde damals gerammt, so Oberst. Die Trümmer bildeten einen Gürtel um die Erde und daraus formte sich der Mond.
Die Apollo-Astronauten bauten auf der Mondoberfläche auch Experimente auf, wie z. B. einen Seismographen, der bis 1977 Daten zur Erde funkte. „Wir wissen jetzt, dass der Mond anders als die Erde keinen Kern besitzt oder bestenfalls einen sehr sehr kleinen. Dank der Seismographen ließ sich auch die Mächtigkeit der Kruste bestimmen.“, so Oberst.
Trotz dieser Erkenntnisse durch die Apollo-Missionen regten sich schon wenige Wochen nach dem Triumph von Apollo 11 herbe Enttäuschung und massive Kritik. Mehrere NASA-Forscher kündigten. Die gesamte Mond- Mission sei zum „Transportunternehmen Apollo“ verkommen, die wissenschaftliche Mond-Forschung zur „Schaufensterdekoration“ reduziert, bemängelte etwa der damalige NASA-Chefgeologe Eugene Shoemaker, einer der bekanntesten NASA-Mitarbeiter, die das Handtuch warfen. 25 Milliarden Dollar hatten die gesamten Apollo-Missionen gekostet (damals etwa 100 Milliarden Mark). Shoemakers These: Die wissenschaftlichen Informationen des Unternehmens hätten mit unbenannten Satelliten drei oder vier Jahre früher geliefert werden können, zu einem Fünftel der Kosten.
Der deutsche Raketenwissenschaftler und „Vater der Saturn-Trägerrakete“, Wernher von Braun, beharrte darauf, dass das Apollo-Unternehmen „eine der vernünftigsten, klügsten und weitsichtigsten Investitionen ist, die je ein Land gemacht hat“. Doch die Skepsis an der bemannten Mondfahrt blieb – bis heute, bis zu Obama. Und so ist es fraglich, wann und ob die ehrgeizigen Raumfahrtpläne von Ex-Präsident George W. Bush unter dem Motto „Zum Mond, zum Mars und darüber hinaus“ einmal verwirklicht werden. Bis 2020, so die Vision, sollen US-Astronauten mit einem neuen „Orion“-Raumfahrzeug zum Mond zurückkehren, dort eine ständige Basis bauen - und im Jahr 2037 die erste bemannte Mars-Mission starten.
Zunächst einmal werden unbemannte Sonden den Mond weiter erkunden, wie der jüngst gestartete Lunar Reconnaissance Orbiter der NASA. Wissenschaftler interessiert z. B. die Frage, ob es auf dem Mond Wasser gibt. „Es gibt Hinweise, dass sich in den ewig dunklen Kratern an den Polen Wassereis angesammelt haben könnte“, sagt Jürgen Oberst. Da die Apollo-Missionen auf der erdzugewandten Seite des Mondes landeten, ist die Rückseite weitgehend unerforscht. Dort gibt es z. B. das riesige Südpol-Aitken-Einschlagsbecken, dass tief genug sein könnte, um dort möglicherweise Gestein aus dem Mondmantel findet. Für Planetenforscher wäre es also besonders spannend, Proben aus dieser Region zu erhalten, egal ob durch unbemannte oder bemannte Missionen.
dpa / Alexander Pawlak
Weitere Infos
- Der Mond – Fakten, Online-Bücher sowie aktuelle und geplante Mondmissionen: http://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/planets/moonpage.html
- Ein zeitgenössischer Bericht über die wissenschaftlichen Ergebnisse der Mondlandungen, geschrieben von Ernst Stuhlinger, einem engen Weggefährten Wernher von Brauns:
Ernst Stuhlinger, Bisherige Ergebnisse der Mondlandungen, Physikalische Blätter, Heft 4 und 5 (1970)
Teil I: Mondoberfläche und Mondgestein (PDF, 4 MB), Heft 4, 151-157, hier
Teil II: Instrumente und Messungen (PDF, 4 MB), Heft 5, 200-207, hier
- Google Moon - für Mondspaziergänge von der Erde aus