Direkte Bestimmung der Dichtematrix
Kombination von schwachen und starken Messungen ermöglicht direkte Messung der quantenmechanischen Dichtematrix.
Jede Bestimmung eines quantenmechanischen Zustands hat mit einem grundlegenden Problem zu kämpfen: Wird ein Wert gemessen, kollabiert die Wellenfunktion und befindet sich fortan in einem Eigenzustand zur gemessenen Observable. Der Zustand nach einer Messung ist also nicht unbedingt derselbe wie vorher. Befindet sich ein Quantensystem noch dazu in einer Mischung aus Zuständen, so lässt es sich nicht mehr allein durch eine Wellenfunktion beschreiben, sondern man benötigt eine Dichtematrix. Eine häufige Situation, bei der eine Dichtematrix im Spiel ist, ergibt sich etwa dann, wenn ein Quantensystem mit seiner Umwelt verschränkt ist. Aufgrund dieser Allgemeingültigkeit sehen einige Forscher die Darstellung mit der Dichtematrix sogar als die fundamentalere Beschreibung der physikalischen Realität im Vergleich zur Wellenfunktion an.
Abb.: Skizze des Experiments mit Zustandspräparation durch polarisierenden Strahlteiler und Lambda-Plättchen (a), zwei schwachen Messungen (b), einer starken Messung (c) und Abbildung (d) des Zustands (Bild: G. S. Thekkadath et al.)
Zur Bestimmung der verschiedenen Elemente der Dichtematrix nutzt man üblicherweise die Quantentomographie. Um einen Quantenzustand auf diese Weise vollständig darstellen zu können, benötigt man hinreichend viele Projektionen auf die verschiedenen möglichen einzelnen Zustände. Aus diesen lässt sich mit einem geeigneten Algorithmus der ursprüngliche Zustand rekonstruieren. Dabei steigen aber sowohl die experimentelle Komplexität als auch die Rechenschwierigkeit mit der Anzahl an Freiheitsgraden oder Dimensionen des Zustands rasch an.
Ein Team von Wissenschaftlern um Jeff Lundeen von der University of Ottawa hat nun ein neues Verfahren vorgestellt, das unter anderem mit Hilfe schwacher Messungen arbeitet und einige dieser Schwierigkeiten vermeidet. Mit dieser „direkte Messung” genannten Methode können sie die Dichtematrix Schritt für Schritt bestimmen. Noch ist das Verfahren erst an einer einfachen Fragestellung getestet, könnte sich aber auch zu sehr viel komplexeren Quantensystemen erweitern lassen.
Die Forscher wählten einen Strahl polarisierter Photonen, wobei die Polarisationsrichtung nicht bekannt war. Den Strahl erzeugten sie mit einem Helium-
Abb.: Direkte Bestimmung der Dichtematrix bei verschiedenen Winkeln. Die Farbe zeigt die gemessenen Wahrscheinlichkeitsamplituden an. (Bild: G. S. Thekkadath et al.)
Dann führten sie zwei schwache Messungen an den beiden komplementären Polarisationszuständen durch, erst in x-, dann in y-
Ähnlich wie bei der Quantentomographie nutzt diese Methode also ebenfalls zahlreiche Messungen an identischen Kopien eines (unbekannten) Quantenzustands. Der Unterschied liegt darin, dass an jedem einzelnen Zustand mehrere Messungen in Kombination ausgeführt werden. Der Clou liegt hierbei in den schwachen Messungen. Eine einzelne solche Messung liefert zwar keinen brauchbaren Wert – schließlich ist die Kopplung so schwach gewählt, dass der quantenmechanische Zustand nicht kollabiert und dadurch das zu untersuchende System nicht übermäßig gestört wird. Im Mittel über viele Messungen aber liefern auch schwache Messungen die gewünschte Information über den Zustand. Durch die Kombination von zwei schwachen und einer abschließenden starken Messung lässt sich also der bei starken Messungen unvermeidliche Informationsverlust vermeiden. Dadurch bleibt bei nachfolgenden Messungen der Zustand weitestgehend ungestört erhalten, so dass sich weitere Parameter am selben System bestimmen lassen.
Dadurch konnten die Forscher im Mittel über viele Messungen die komplette 2×2-Polarisations-
Im Vergleich zur normalen Quantentomographie steigt die Komplexität dieser Art von Zustandsbestimmung nicht überproportional stark an. Andere Forschergruppen haben mit einer ähnlichen Methode bereits photonische Zustände mit einer Million Dimensionen vermessen, was mit herkömmlicher Quantentomographie nicht zugänglich ist. Dank der Allgemeingültigkeit dieser Methoden lassen sie sich aber prinzipiell auch auf andere Gebiete übertragen. So könnten sich in Zukunft auch komplexe Quantenzustände auf elegante Weise bestimmen lassen. Das eröffnet nicht nur interessante Möglichkeiten für das Quantencomputing, um etwa auf nicht-
Dirk Eidemüller
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