DNA als Lichtschalter
Nanostruktur aus zwei Goldstäbchen verändert bei Zugabe definierter DNA-Moleküle reversibel ihre optischen Eigenschaften.
Die Elektronik hat Konkurrenz bekommen. Information wird immer häufiger mit Licht statt Elektronen übertragen und verarbeitet. Und wie die elektronischen Bauelemente sollen ihre photonischen Pendants auf Nanoformat schrumpfen. Nun haben Forscher des MPI für Intelligente Systeme in Stuttgart, der Ludwig-Maximilian-Universität München sowie der Ohio University einen Schalter für die Nanooptik entwickelt. Eine zentrale Rolle spielen dabei zwei Gold-Nanostäbchen. Ändert sich der Winkel zwischen ihnen, ändern sich auch bestimmte optische Eigenschaften des Nano-Lichtschalters. Den Winkel wiederum regulieren die Forscher mit Molekülen, die in der belebten Natur Träger der Erbinformation sind: mit DNA.
Abb.: Die Goldstäbchen sind unter einem Transmissionselektronenmikroskop als dunkle Balken zu erkennen, die DNA erscheint als krisselige Struktur dazwischen. Beim Schaltvorgang sind die Goldstäbchen überkreuz angeordnet, bei der Untersuchung im Elektronenmikroskop heften sie sich jedoch parallel an das Trägermaterial. (Bild: NPG)
Mit zwei hauchdünnen Gold-Nanostäbchen, die 10.000 Mal dünner sind als ein menschliches Haar, ist es Forschern aus Stuttgart und München gelungen, einen variierbaren Filter für zirkular polarisiertes Licht zu erschaffen. Entscheidend dafür, wie das System das Licht absorbiert, ist dabei der Winkel zwischen den beiden Gold-Stäbchen.
Diesen Umstand machten sich die Physiker zunutze. Je nachdem, in welchem Winkel sich die Goldstäbchen zueinander befinden, absorbieren sie entweder bevorzugt links zirkular polarisiertes Licht oder rechtes. Bei der Absorption, die auch von der eingestrahlten Wellenlänge abhängt, kommt es zur Anregung von kollektiven Elektronenschwingungen im Metallgitter. Die Resonanzbedingungen, die für die Absorption von links- oder rechtsdrehendem Licht erfüllt sein müssen, werden dabei auch von der Anordnung der Goldstäbchen zueinander beeinflusst.
Bei der Wahl des Metalls war es für die Forscher wichtig, dass ihre Anordnung den Zirkulardichroismus im Bereich des sichtbaren Lichts zeigt. „Dies ist nur bei Gold der Fall“, erklärt Laura Na Liu, die das Projekt auf Seiten des MPI leitete. Es stellte sich allerdings noch die Frage, wie sich der Winkel zwischen den Stäbchen von außen kontrolliert regulieren ließ. Die Wissenschaftler benötigten eine Art flexibles Scharnier zwischen den Gold-Nanostäbchen. Einen Schalter.
Hierzu fixierten sie jeden Nanostab zunächst auf jeweils einem sogenannten DNA-Origami-Bündel. Dabei handelt es sich um mehrfach gefaltete, insgesamt länglich ausgerichtete DNA-Strukturen. „Auf der Nanoskala sind Scharniere extrem schwer zu realisieren“, sagt Liu. „Daher liegt die Verwendung von DNA gerade nach der Einführung von DNA Origami durchaus nahe.“
Abb.: Das Prinzip des DNA-Lichtschalters. (Bild: NPG)
Die chemische Bindung zwischen jeweils einem DNA-Bündel und einem Gold-Stäbchen bewirkt, dass diese absolut parallel zueinander verlaufen. Zwei DNA-Bündel – und damit auch zugehörigen die Goldstäbe – liegen zunächst in annähernd rechtem Winkel über Kreuz. Der eigentliche Trick bei der Anordnung bestand nun darin, die beiden DNA-Bündel und damit die daran befestigten Gold-Stäbchen gegeneinander verdrehen zu können. Hierbei machten sich die Forscher eine besondere Eigenschaft von DNA-Molekülen zunutze. Nämlich die, dass sich zwei DNA-Ketten zu einem Doppelstrang zusammenzutun, wenn die Abfolge der Basen entlang der beiden Einzelstränge komplementär ist.
Um das zu nutzen, ließen die Forscher an ganz bestimmten Stellen ihrer Bündel-Anordnung DNA-Molekülreste mit definierter Basenabfolge herausragen. Man kann sich diese Reste wie die eine Seite eines Klettverschlusses vorstellen. Zunächst sind diese Verschlüsse noch teilweise blockiert. Doch durch Zugabe definierter DNA-Molekülfragmente lässt sich die Blockade der Klettverschlüsse aufheben – so dass sie bereit sind, sich mit dem zu ihnen passenden Gegenstück zu verbinden. Dieses Gegenstück ließen die Forscher am jeweils anderen DNA-Bündel herausragen. Auf die Weise rückte dann das untere Ende des vertikalen Bündels, je nach Art des zugegebenen DNA-Fragments, entweder mit dem rechten oder mit dem linken Ende des horizontalen Bündels zusammen. Die Folge: In beiden Fällen wurde die Kreuzanordnung mit annähernd rechtem Winkel in eine Art Andreaskreuz mit schräg übereinander liegenden Bündeln überführt. Da damit auch die Gold-Stäbchen ihre Ausrichtung zueinander änderten, änderte sich auch ihr Absorptionsverhalten von zirkular polarisiertem Licht.
„Um solch einen Schalter auch für praktische Anwendungen nutzen zu können, ist es natürlich wichtig, dass dieser Vorgang umkehrbar, also reversibel ist“, erklärt Liu. Und in der Tat gelang den Forschern auch dies: Die Zugabe eines anderen DNA-Fragments bricht die Verbindung zwischen horizontalem und vertikalem Bündel nämlich wieder auf – und stellt damit die Ausgangslage wieder her. Durch erneute Zugabe von DNA kann der Prozess erneut gestartet werden. Und so fort.
Damit haben die Physiker eine Nanostruktur geschaffen, die sich mittels DNA-Molekülen reversibel schalten lässt. Daraus ergeben sich für die Forscher eine Reihe möglicher Anwendungen – nicht nur als Schaltelement in der Nanooptik oder der photonischen Informationsverarbeitung. So können sie sich beispielsweise vorstellen, ein solches System als Nanosensor für biochemische Reaktionen einzusetzen. Würde man eine der Reaktionskomponenten an die freien DNA-Reste, also die Enden der Klettverschlüsse binden, könnte die anschließende chemische Reaktion mit einer anderen Komponente die Konformation des gesamten Systems so verändern, dass sich dies durch Messen des Absorptionsverhaltens in Echtzeit verfolgen ließe. Auch die Konstruktion sogenannter optischer Superflüssigkeiten sei denkbar, so die Forscher. Bei diesen ließe sich, quasi auf Knopfdruck, der Brechungsindex einstellen.
MPG / CT