DNA-Origami fördert Immunabwehr
Biophysiker stellen mit neuem Verfahren rechteckige Nanoflächen her.
T-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems: An ihrer Oberfläche befinden sich Rezeptoren, mit denen die T-Zellen ganz bestimmte Antigene erkennen können. Wenn auf diese Weise ein Eindringling detektiert wird, kommt es zu einer Immunantwort. Unklar war bisher, was beim Erkennen von Antigenen genau passiert: Welche Rolle spielt die Zahl der vorhandenen Antigene, und wie hängt die Reaktion der T-Zelle von deren räumlicher Anordnung ab? Diese Effekte spielen sich im Nanometerbereich ab. An der TU Wien kam nun eine ungewöhnliche Methode zum Einsatz, um DNA-Moleküle ähnlich wie bei der Papierfaltkunst Origami zu falten. Auf diese Weise entsteht nicht bloß eine Doppelhelix, sondern ein rechteckiges „molekulares Floß“, das über eine Zellmembran treibt und als Werkzeug für neuartige Messungen dient.
„T-Zellen reagieren auf Antigene, die von bestimmten Zellen an ihrer Oberfläche präsentiert werden. Um diese Interaktion zwischen den T-Zellen und den antigen-präsentierenden Zellen im Detail untersuchen zu können, ersetzen wir die antigen-präsentierende Zelle durch eine künstliche Zellmembran. So können wir die Zahl und Art der Antigene selbst festlegen“, sagt Eva Sevcsik, Biophysikerin am Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Es gab einige Hinweise, dass der räumliche Abstand zwischen den Antigenen bei der T-Zell-Aktivierung eine wichtige Rolle spielt“, sagt Joschka Hellmeier, der im Rahmen seiner Dissertation an diesem Projekt forschte. „Allerdings ist es schwierig, diese Effekte genau zu untersuchen: Der Abstand zwischen den einzelnen Antigenen lässt sich nicht so einfach bestimmen.“
Die Zellmembran ist keine feste Struktur, in der jedes Molekül an seinem Platz bleibt. Die Antigene in der Zellmembran können sich frei bewegen, ähnlich wie aufblasbares Plastikspielzeug, das auf der Wasseroberfläche treibt. „Daher wollten wir eine Methode etablieren, mit der man bestimmte Abstände zwischen den Antigenen exakt einstellen kann, um dann die Reaktion der T-Zellen zu untersuchen“, erklärt Eva Sevcsik. Dazu bedienten sich die Forscher eines Phänomens, das die Natur selbst nutzt: Die DNA, der Träger der Erbinformation in unserem Körper, besteht aus zwei genau zueinander passenden Einzelsträngen, die sich ohne äußeres Zutun zu einer DNA Doppelhelix zusammenfügen.
Diese Eigenschaft macht man sich in der DNA-Nanotechnologie zunutze: „Durch cleveres Design von Einzelsträngen, die nur abschnittsweise zueinander passen, kann man mehrere Doppelhelices miteinander verbinden und so komplizierte Strukturen herstellen“, erklärt Eva Sevcsik. Auf diese Weise stellte das Forschungsteam rechteckige DNA-Flächen her, an denen man ein Antigen fixieren kann. Dieses DNA-Rechteck wird auf die künstliche Membran gesetzt, und es bewegt sich dort wie ein Floß. „Dadurch können wir aber garantieren, dass die Antigene einander nicht beliebig nahekommen“, sagt Hellmeier. „Selbst wenn zwei dieser DNA-Flöße dicht aneinanderrücken, bleibt immer noch ein Mindestabstand zwischen den Antigenen, wenn auf jedem DNA-Floß nur ein einziges Antigen fixiert ist.“ Zusätzlich kann man DNA-Floß-Varianten herstellen, die jeweils gleich zwei Antigene an Bord haben und so untersuchen, wie die T-Zellen auf unterschiedliche Antigen-Abstände reagieren.
Auf diese Weise konnte man die teilweise widersprüchlichen Beobachtungen erklären, die in den vergangenen Jahren im Bereich der molekularen Immunologie für Verwirrung sorgten: Manchmal schienen mehrere benachbarte Antigene nötig zu sein, um T-Zellen zu aktivieren, in anderen Fällen genügte ein einziges. „Mithilfe unserer DNA-Origami-Technik konnten wir die Rolle von molekularen Abständen für die T-Zellaktivierung aufklären“, sagt Eva Sevcsik.
Für natürlich vorkommende Antigene spielt der Abstand keine Rolle – sie agieren solo und sind so sehr effizient in der T-Zellaktivierung. In der Forschung verwendet man allerdings statt Antigenen oft künstliche T-Zell-Aktivatoren, die besonders stark an den T-Zell-Rezeptor binden – und in diesem Fall sind mindestens zwei benachbarte Moleküle nötig, um die T-Zelle zu aktivieren. „Das ist ein wichtiges Ergebnis“, sagt Eva Sevcsik. „Wir konnten erstmals zeigen, dass es hier zwei unterschiedliche Mechanismen gibt, das wird für künftige Studien und die Entwicklung von T-Zell-basierten Immuntherapien eine wichtige Rolle spielen.“
TU Wien / JOL