Doppelt magisches Isotop sorgt für Überraschungen
Nickel-78 zeigt trotz des Ungleichgewichts von Protonen zu Neutronen sphärische Form.
Nickel-78, ein neutronenreiches, doppelt magisches Isotop mit 28 Protonen und 50 Neutronen, behält trotz des Ungleichgewichts von Protonen zu Neutronen seine sphärische Form und bleibt relativ stabil. Das zeigen Experimente eines internationalen Forscherteams am Schwerionen-Beschleuniger des RIKEN Nishina Center in Japan. Und noch eine weitere Überraschung haben die Wissenschaftler entdeckt: Die experimentellen Beobachtungen weisen darauf hin, dass Nickel-78 der leichteste Kern mit 50 Neutronen mit einer magischen Struktur sein könnte. Leichtere Isotone –Atomkerne mit der gleichen Anzahl von Neutronen, aber verschiedenen Anzahlen von Protonen – wären trotz der magischen Zahl von Neutronen unausweichlich deformiert.
Das Verständnis der Gültigkeit der magischen Zahlen in extrem neutronenreichen Kernen ist ausschlaggebend für das Verständnis der Mixtur von Atomkernen im Universum, die wir heute beobachten. Elemente, die schwerer sind als Eisen, werden nicht in der normalen Verbrennung von Sternen synthetisiert, sondern werden hauptsächlich durch zwei Prozesse produziert, den s-Prozess und den r-Prozess. In diesen Abläufen fangen Atomkerne zusätzliche Neutronen ein. Der r-Prozess – ein Prozess, in dem Neutronen schnell absorbiert werden – ist besonders wichtig, da er für die Bildung bestimmter neutronenreicher Kerne verantwortlich ist. In diesem Prozess sammeln Kerne solange Neutronen ein, bis sie einen gesättigten Zustand – „Wartepunkte“ genannt – erreichen. Bei dem sich anschließenden Beta-Zerfall tauschen die Kerne ein Neutron gegen ein Proton aus, wodurch es ihnen wieder möglich wird, weitere Neutronen zu akzeptieren. Der r-Prozess, der für die Produktion etwa der Hälfte aller Kerne schwerer als Eisen verantwortlich ist, kann nur in außergewöhnlich neutronenreichen Umgebungen wie Supernova-Explosionen und Neutronenstern-Verschmelzungen stattfinden.
Die genaue Lage der „Wartepunkte“ ist allerdings noch nicht verstanden. Eine Schwierigkeit ist, dass magische Zahlen von entweder Protonen oder Neutronen – äquivalent zu der Idee von geschlossenen Elektronenschalen in der Chemie – diese Kerne resistenter gegenüber der Aufnahme weiterer Neutronen machen. Eine wohlbekannte magische Zahl ist bei 50 Neutronen – allerdings war es bislang unklar, ob diese Zahl in extrem neutronenreichen Kernen erhalten bleibt.
Um diese Frage zu beantworten, haben die Forscher mit Nickel-78 experimentiert, einem doppelt magischen Isoton, das erst kürzlich für Experimente zugänglich wurde – dank leistungsfähiger Beschleuniger wie der RI Beam Factory am RIKEN Nishina Center. Zur Durchführung dieses Experiments wurden Messungen im MINOS-Detektor in Frankreich und im DALI2-Detektor von RIKEN kombiniert. Die Wissenschaftler erzeugten einen Strahl aus Uran-238-Kernen und lenkten ihn mit Höchstenergie auf ein Ziel aus Beryllium. Bei dem folgenden Spaltprozess von Uran wurden Isotope wie Kupfer-79 und Zink-80 erzeugt – beide haben 50 Neutronen. Diese beiden Strahlen wurden dann auf ein Wasserstoff-Ziel gerichtet, wo sie zum Teil Nickel-78 produzierten.
Mittels Detektoren für Gammastrahlung konnte das Team zeigen, dass Nickel-78 tatsächlich, wie durch Modellrechnungen vorhergesagt, relativ stabil ist, wobei es eine sphärische anstelle einer deformierten Form behält. „Wir waren froh“, so Ryo Taniuchi von der Universität von Tokio und dem RIKEN Nishina-Zentrum, „dass wir experimentell zeigen konnten, dass Nickel-78 tatsächlich eine sphärische Form behält. Wir waren allerdings überrascht zu entdecken, dass dieser Kern auch eine konkurrierende Form hat, die nicht sphärisch ist, und dass alle leichteren Isotope dieser Deformation unterliegen und ihre magische Natur verlieren müssen.“
Laut Pieter Doornenbal von Nishina-Zentrum ist dies „eine wichtige Entdeckung, die uns neue Einsichten gibt, wie magische Zahlen über die Nuklidkarte hinweg auftreten und verschwinden und den Prozess der Nukleosynthese beeinflussen, die zu der heute im Universum zu beobachtenden Häufigkeit von Isotopen führt. Wir beabsichtigen weitere Experimente an noch leichteren Isotonen mit 50 Neutronen, um diese Entdeckung experimentell zu untermauern.“
TU Darmstadt / RK