06.02.2020

Doppelter Röntgenblick

Kombinationsmessung zeigt Verteilung von Metallen in biologischen Proben.

Mit einer Röntgen-Kombinations­technik hat ein Forscherteam Nano­transporter für Tuberkulose-Medikamente mit sehr hoher Präzision in bio­logischen Zellen aufgespürt. Die Methode vereint zwei ausgeklügelte Röntgen­messungen und kann kleinste Mengen verschiedener Metalle in biologischen Proben mit sehr hoher Auflösung lokalisieren, wie das Team um Desy-Wissen­schaftlerin Karolina Stachnik berichtet. Um die Vielseitigkeit des Verfahrens zu veran­schaulichen, haben die Forscher die Kombinations­methode darüber hinaus zur Kartierung des Kalziumgehalts in menschlichem Knochen eingesetzt, eine Analyse, die der Erforschung von Osteoporose helfen kann.

Abb.: Zwei Ansamm­lungen von Anti­biotika-beladenen Eisen-Nano­containern in...
Abb.: Zwei Ansamm­lungen von Anti­biotika-beladenen Eisen-Nano­containern in einer Makro­phage. (Bild: Stachnik et al., NPG, CC BY 4.0)

„Metalle spielen bei zahlreichen biologischen Prozessen eine Schlüsselrolle, vom Sauerstoff­transport in unseren roten Blutkörperchen über die Minera­lisierung der Knochen bis hin zur schädlichen Anreicherung von Metallen in Nervenzellen, wie sie bei Krankheiten wie Alzheimer zu beobachten ist“, erklärt Stachnik, die am Center for Free-Electron Laser Science CFEL bei Desy arbeitet. Die hoch­energetische Röntgen­strahlung regt Metalle zu Fluoreszenz an, was selbst bei kleinsten Mengen noch nachweisbar ist. „Die Röntgen­fluoreszenz­messungen zeigen jedoch in der Regel nicht die Ultrastruktur einer Zelle“, sagt Alke Meents, der die Forschung leitete. „Wenn man die Metalle in der Probe genau lokalisieren will, muss man die Messungen mit einem bildgebenden Verfahren kombinieren.“ Die Ultra­struktur der Zelle umfasst die feinen Details der Zell­architektur, die nicht mehr mit dem Licht­mikroskop erkennbar sind.

Da biologische Proben wie Zellen sehr empfindlich auf Röntgenstrahlung reagieren, sollte ihre Struktur nach Möglichkeit gleichzeitig mit der Fluoreszenz­analyse abgebildet werden, um Strahlenschäden zu minimieren. Daher kombinierte das Team die Fluoreszenz­messungen mit einer bildgebenden Methode, der so genannten Ptycho­graphie. „Ein Ptycho­graphie-Mikroskop ist der Aufnahme eines Panoramabildes ziemlich ähnlich“, erklärt Stachnik. „Eine ausgedehnte Probe wie eine biologische Zelle wird mit einem kleinen Röntgenstrahl abgerastert, der viele überlappende Bilder von Teilen der Probe erzeugt. Diese überlappenden Bilder werden dann anschließend zusammengefügt.“ Die Röntgen­strahlen liefern dabei jedoch nicht direkt Fotografien, sondern erzeugen ein Beugungsmuster, das Informationen über die räumliche Struktur des jeweiligen Teils der Probe enthält. Die Struktur lässt sich dann aus dem Muster berechnen. „Dies führt am Ende zu einer quantitativen Abbildung der optischen Proben­dichte", erklärt Stachnik. „Die Ptycho­graphie liefert mit diesem komplexen Verfahren eine räumliche Auflösung, die über die üblichen Grenzen der Röntgenoptik hinausgeht.“

Die Rasteraufnahme einer Ptychographie lässt sich optimal mit gleichzeitigen Röntgen­fluoreszenz­messungen kombinieren, die eine Art Karte der chemischen Elemente in der Probe liefern. Ptycho­graphiebilder und Fluoreszenskarten lassen sich dann überlagern. „Die Kombination dieser beiden Abbildungsmethoden ermöglicht eine weitgehend störungsfreie Korrelation von Spuren­elementen mit der hochaufgelösten Struktur der Probe“, sagt Meents. Grund­voraussetzung für diese Methode ist, dass die Röntgenstrahlen alle dieselbe Wellenlänge besitzen und dass sie wie bei einem Laser alle im Gleichtakt schwingen. „Ausreichend helle, kohärente, mono­chromatische Röntgen­strahlung mit Energien, die hoch genug sind, um Metalle wie Eisen fluoreszieren zu lassen, sind erst mit modernen Synchrotron­strahlungsquellen wie Petra III verfügbar geworden", sagt Meents.

Um die Methode zu testen, untersuchten die Forscher zusammen mit der Gruppe von Ulrich Schaible vom Forschungs­zentrum Borstel die Lokalisierung und Konzentration von Nano­transportern für Tuberkulose­medikamente in Fresszellen des Immunsystems, den Makrophagen. „Normalerweise zerstören Makrophagen Krankheits­erreger wie Viren und Bakterien. Leider gelingt es den Tuberkulose­bakterien jedoch, der Zerstörung zu entgehen und sich stattdessen in den Makrophagen zu verstecken und sie sogar zum Wachstum zu nutzen“, sagt Schaible. „Eine Barriere für eine wirksame Behandlung ist dabei, dass die Nischen der Bakterien innerhalb der Makrophagen erstmal von den Antibiotika erreicht werden müssen, damit sie wirken können.“ Eine neue Strategie baut auf das Vorbild des Trojanischen Pferds und verwendet nanometer­kleine Eisenkäfige, um Antibiotika direkt in die Zellen zu bringen. Die Käfige sind mit Antibiotika gefüllt und haben weniger als zwanzig Nanometer Durchmesser. „Die Makro­phagen schlucken die Behälter, und sobald sie sich im Inneren der Zelle befinden, lösen sich die Eisenwände der Käfige langsam auf, da die Bakterien Eisen benötigen. Schließlich werden die Antibiotika freigesetzt und töten die Bakterien ab“, erläutert Schaible.

Um die Wirksamkeit dieser Strategie zu bewerten, untersuchte das Team Makrophagen, die mit Eisen­behältern gefüttert worden waren. Mit einer speziell entwickelten Probenbühne an der Beamline P11 zur Untersuchung von biologischen Proben konnten die Forscher Ptychographie- und Fluoreszenz­bilder von 14 Zellen mit subzellulärer Auflösung aufnehmen und in diesen insgesamt 22 Ansammlungen von Nano­transportern identi­fizieren. In einer zweiten Anwendung analysierten die Forscher zusammen mit der Gruppe von Björn Busse vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) den Kalziumgehalt in einer menschlichen Knochenprobe. „Kalzium ist ein Schlüssel­element, das unsere Knochen stark macht“, betont Katharina Jähn aus Busses Gruppe. „In Zeiten eines hohen Kalzium­bedarfs löst der Körper dieses jedoch aus den Knochen, um es anderweitig zu verwenden. Diese und andere altersbedingte Prozesse können zu Osteoporose führen, von der in Deutschland fast ein Viertel aller Frauen im Alter von mehr als 50 Jahren betroffen ist.“

Experimentelle Untersuchungen zur Knochen­mineralisierung werden normalerweise an kleinen Knochen­scheiben durchgeführt. „Allerdings wird auf diese Weise meist nur der Gesamtgehalt an Kalzium abgebildet“, sagt Stachnik. „Um ein echtes Maß für die Kalzium­konzentration zu erhalten, muss man die oft variierende Dicke der Probe korrigieren.“ Das Team verwendete eine simultan aufgenommene Ptychographie, um in der Karte der Kalzium­verteilung in der Knochenprobe diese Massendicken­verzerrung zu korrigieren. „Mit diesem Ansatz konnten wir an bestimmten Stellen im Knochen einen lokal niedrigeren Kalziumgehalt beobachten, was dazu beiträgt, den Prozess von Knochen­erkrankungen besser zu verstehen und die Wirkung von Veränderungen der Knochen­mineralisierung bei Patienten zu quantifizieren“, betont Stachnik. Um die Methode noch weiter zu verbessern, wollen die Forscher die Analyse in Zukunft auf drei­dimensionale Messungen ausweiten. „Der Versuchs­aufbau wird derzeit erweitert, um die Erfassung von drei­dimensionalen, tomo­graphischen Datensätzen an der Messstation P11 zu ermöglichen“, berichtet Meents. „Da viele Synchrotron­strahlungsquellen aufgerüstet werden, um noch helleres Röntgenlicht zu erzeugen, gehen wir davon aus, dass damit der Durchsatz an Proben deutlich erhöht werden kann und zu einem Routine­verfahren an diesen Anlagen wird.“

DESY / JOL

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