02.03.2006

Drei Berry-Phasen in einem Ring

Physiker aus Würzburg haben den Aharonov-Casher-Effekt direkt beobachten können.




Physiker aus Würzburg haben den Aharonov-Casher-Effekt direkt beobachten können.

Ein Quantensystem, das von zwei oder mehr Parametern abhängt und eine geschlossene Kurve im Parameterraum durchläuft, gewinnt eine zusätzliche „geometrische“ Phase, die von der durchlaufenen Kurve abhängt. Diese Berry-Phase hat sich als universelles Konzept erwiesen, das u. a. in der Optik, der Molekülphysik und beim Quanten-Hall-Effekt Anwendung findet. Jetzt konnten drei unterschiedliche Beispiele für die Berry-Phase an einem mikroskopischen Halbleiterring gleichzeitig beobachtet werden.

Der Ring, den Laurens Molenkamp und seine Mitarbeiter von der Universität Würzburg hergestellt haben, besteht aus dem Halbleiter HgTe und hat einen Radius von 1 µm sowie eine Breite von 300 nm. Er ist mit zwei einander gegenüberliegenden Kontakten versehen, durch die Elektronen zu- bzw. abfließen können. Dabei stehen den Elektronen zwei Wege zur Verfügung, je nachdem ob sie rechts- oder linksherum durch den Ring laufen. Für ihre äußerst delikaten Experimente kühlten die Forscher den Ring auf 20 mK ab, um den störenden Einfluss der Wärmebewegung möglichst gering zu halten.

Die Forscher brachten den Ring in ein äußeres Magnetfeld, das senkrecht zur Ringebene stand, und ließen über die beiden Kontakte einen Strom durch den Ring fließen. Zunächst beobachteten sie den Aharonov-Bohm-Effekt. Je nachdem welchen der beiden möglichen Wege durch den Ring ein Elektron eingeschlagen hatte, erhielt seine Wellenfunktion eine unterschiedliche Phase. Am Ausgangskontakt hatten die beiden Teilwellen einen Phasenunterschied von 2π Φ/Φ 0, wobei Φ der vom Ring umschlossene magnetische Fluss und Φ 0 das magnetische Flussquant ist. Je nach Phasendifferenz kam es zu konstruktiver oder destruktiver Interferenz. Da sich alle Elektronen in dieser Weise verhielten, war die Leitfähigkeit des Rings dann hoch bzw. niedrig. Mit stetig zunehmendem Magnetfeld oszillierte die Leitfähigkeit.

Der Aharonov-Bohm-Effekt ist ein Beispiel dafür, wie die Berry-Phase entsteht und wie sie sich auswirkt. In diesem Fall entspricht die anfangs erwähnte geschlossene Kurve im Parameterraum den beiden tatsächlich von den Elektronen durchlaufenen Wegen mit gemeinsamem Start- und Zielpunkt. Doch die Würzburger Forscher hatten noch zwei weitere Effekte der Berry-Phase im Visier, die mit dem Spin der Elektronen zusammenhängen.

Im Ring kommt es nämlich zur Spin-Bahn-Kopplung: Die bewegten Elektronen nehmen die im Ring vorliegenden elektrischen Felder als effektives Magnetfeld wahr, das je nach Einstellung des Elektronenspins bzw. des eingeschlagenen Weges unterschiedliche Wirkung hat. Zunächst einmal verändert das effektive Magnetfeld das gesamte Magnetfeld, das auf ein Elektron wirkt. Das äußere Magnetfeld und das gesamte Magnetfeld zeigen normalerweise nicht mehr in dieselbe Richtung. Zwischen ihnen liegt ein Winkel θ. Das Gesamtfeld steht somit auch nicht mehr senkrecht auf dem Ring. Ein Elektron, dessen Spin parallel oder antiparallel zum Gesamtfeld ausgerichtet ist, spürt dann eine unterschiedliche Wirkung des Magnetfeldes, je nachdem auf welchem der beiden Wege es durch den Ring läuft. Es kommt zu einer Phasendifferenz der beiden Teilwellen, die von (1–cosθ) abhängt. Diese Berry-Phase, die auch als Aharonov-Anandan-Phase bezeichnet wird, konnten die Würzburger Forscher ebenfalls nachweisen.

Und nun zur dritten Berry-Phase, die vom Aharonov-Casher-Effekt herrührt, den Molenkamp und seine Kollegen jetzt erstmals direkt mit einem Halbleiterring nachweisen konnten. Der Aharonov-Casher-Effekt ist gewissermaßen das Gegenstück zum Aharonov-Bohm-Effekt. Während beim A-B-Effekt eine elektrische Ladung eine Phase gewinnt, wenn sie eine Magnetfeldlinie umrundet, ändert sich beim A-C-Effekt die Phase eines magnetischen Dipols, wenn er eine elektrische Feldlinie umläuft, die ihm aufgrund seiner Bewegung als effektives Magnetfeld erscheint.

Das effektive Magnetfeld, das auf die Spin-Bahn-Kopplung zurückgeht, hat auf ein Elektron eine Wirkung, die sowohl vom eingeschlagenen Weg als auch von Ausrichtung des Elektronenspins abhängt. Interferieren zwei elektronische Teilwelle, die unterschiedliche Wege eingeschlagen haben und deren Spins entgegengesetzt gerichtet sind, so kommt es wiederum zu einer Phasendifferenz, die einerseits von sinθ und andererseits linear von der Stärke α der Spin-Bahn-Kopplung abhängt. Indem die Forscher die elektrischen Felder im Ring veränderten, konnten sie α variieren. Der Aharonov-Casher-Effekt verriet sich dann dadurch, dass sich der Phasenunterschied der interferierenden Teilwellen linear und nicht periodisch veränderte. Mit Computersimulationen konnten die Forscher dann überzeugend belegen, dass sie tatsächlich den Aharonov-Casher-Effekt gemessen hatten. Darüber hinaus eröffnen ihre Experimente neue Möglichkeiten für die Spintronik, bei der nicht Ladungen sondern Elektronenspins in elektronischen Schaltkreisen verarbeitet werden.

Rainer Scharf

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