16.11.2017

Dunst aus Kohlenwasserstoff-Partikeln kühlt Pluto

Atmosphäre des Zwergplaneten ist kälter als theoretisch vorhergesagt.

Am 14. Juli 2015 passierte die US-ameri­kanische Raumsonde „New Horizons“ den Zwerg­planeten Pluto. Die zur Erde gefunkten Messdaten und Aufnahmen zeigten einen überraschend viel­fältigen und aktiven Himmels­körper. Und auch die dünne Atmo­sphäre des Zwerg­planeten verblüffte die Forscher: Sie zeigte mehrere Dunst­schichten unbe­kannter Herkunft – und sie war um dreißig Kelvin kühler, als es die theo­retischen Modelle vorhergesagt hatten. Zunächst hatten die Wissen­schaftler Wasserdampf im Verdacht, für die Abkühlung verant­wortlich zu sein. Es zeigte sich jedoch, dass der Wasserdampf dazu um mehrere Größen­ordnungen über­sättigt sein müsste – eine Bedingung, die mit einem thermo­dynamischen Gleich­gewicht der Atmosphäre nicht in Einklang zu bringen ist.

Abb.: Dunstschleier in der Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto. (Bild: NASA / JHU APL / SwRI)

Xi Zhang von der Univer­sity of Cali­fornia in Santa Cruz, Darrell Strobel von der Johns Hopkins Univer­sity in Balti­more und Hiroshi Imanaka vom SETI Institute im kali­fornischen Mountain View präsen­tieren jetzt eine andere Lösung für die Unter­kühlung des Zwerg­planeten. Dabei gehen sie von einer weiteren der über­raschenden Ent­deckungen der Mission „New Horizons“ aus: den hori­zontal geschichteten Dunst­schleiern in der Atmo­sphäre von Pluto, die bis in eine Höhe von mindestens 350 Kilometern hinauf reichen. Auf Basis der ebenfalls von „New Horizons“ gemessenen chemischen Zusammen­setzung der Pluto-Atmo­sphäre zeigt das Forscher­trio, dass die ultra­violette Strahlung der Sonne in Höhen bis zu tausend Kilo­metern über der Oberfläche von Pluto Stickstoff und Methan ionisiert. Diese Ionen reagieren dann mit­einander und bilden Kohlen­wasserstoff-Partikel, die zunächst einige zehn Nanometer groß sind. Die Partikel sinken in der Atmo­sphäre langsam nach unten, wachsen dabei an und bilden schließlich die von „New Horizons“ entdeckten Dunst­schichten.

„Solche Dunst-Partikel nehmen dann einer­seits sehr viel mehr Wärme auf, kühlen aber anderer­seits auch sehr viel stärker durch die Abgabe thermischer Strahlung ab als Gas­moleküle“, stellen Zhang und seine Kollegen fest. Dadurch dominiere der Dunst das Temperatur­gleichgewicht in der Atmos­phäre Plutos von der Oberfläche bis in eine Höhe von etwa sieben­hundert Kilometern. Ob der Dunst netto zu einer Erwärmung oder zu einer Abkühlung führt, hängt dann allerdings von der exakten Zusammen­setzung der Kohlen­wasserstoff-Partikel ab – und diese ist bislang unbekannt.

Zhang und seine Kollegen präsen­tieren ein Modell mit geeigneten Partikeln, mit dem sich die beobach­tete Abkühlung von der theo­retisch vorher­gesagten Temperatur von minus 173 Grad Celsius auf die beobachtete Tem­peratur von minus 203 Grad Celsius repro­duzieren lässt. Die Frage, ob dieses Modell mit der tat­sächlichen Zusammen­setzung des Dunstes in der Pluto-Atmosphäre über­einstimmt, müssen die Forscher jedoch zunächst unbe­antwortet lassen. Allerdings ergibt sich aus ihrem Modell die Vorher­sage, dass die Atmosphäre des Zwerg­planeten im Infrarot-Bereich um mehrere Größen­ordnungen heller strahlt, als bislang angenommen. Und eine solche Strahlung sollte mit dem James Web Space Telescope, das voraus­sichtlich im Frühjahr 2019 ins All startet, leicht nachweis­bar sein. Beobach­tungen mit diesem neuen Weltraum­teleskop könnten also schon bald das Modell von Zhang und seinen Kollegen entweder bestätigen oder widerlegen.

„Pluto wäre der erste uns bekannte plane­tarische Körper, bei dem das Energie­gleichgewicht der Atmo­sphäre nicht durch Gase, sondern durch feste Partikel bestimmt wird“, hebt Zhang die Bedeutung des Modells hervor. Ähnliche Effekte könnten auch eine wichtige Rolle bei vielen Planeten spielen, die um andere Sterne kreisen. Zudem würde das Modell auch eine Erklärung für die rötlich-braunen Abla­gerungen auf der Oberfläche des Zwergplaneten liefern: Dabei könnte es sich, so die drei Forscher, um eine Schicht aus über Jahrmillionen hinweg abge­regnete Kohlen­wasserstoff-Partikel handeln.

Rainer Kayser

JOL

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