Dunst aus Kohlenwasserstoff-Partikeln kühlt Pluto
Atmosphäre des Zwergplaneten ist kälter als theoretisch vorhergesagt.
Am 14. Juli 2015 passierte die US-amerikanische Raumsonde „New Horizons“ den Zwergplaneten Pluto. Die zur Erde gefunkten Messdaten und Aufnahmen zeigten einen überraschend vielfältigen und aktiven Himmelskörper. Und auch die dünne Atmosphäre des Zwergplaneten verblüffte die Forscher: Sie zeigte mehrere Dunstschichten unbekannter Herkunft – und sie war um dreißig Kelvin kühler, als es die theoretischen Modelle vorhergesagt hatten. Zunächst hatten die Wissenschaftler Wasserdampf im Verdacht, für die Abkühlung verantwortlich zu sein. Es zeigte sich jedoch, dass der Wasserdampf dazu um mehrere Größenordnungen übersättigt sein müsste – eine Bedingung, die mit einem thermodynamischen Gleichgewicht der Atmosphäre nicht in Einklang zu bringen ist.
Abb.: Dunstschleier in der Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto. (Bild: NASA / JHU APL / SwRI)
Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz, Darrell Strobel von der Johns Hopkins University in Baltimore und Hiroshi Imanaka vom SETI Institute im kalifornischen Mountain View präsentieren jetzt eine andere Lösung für die Unterkühlung des Zwergplaneten. Dabei gehen sie von einer weiteren der überraschenden Entdeckungen der Mission „New Horizons“ aus: den horizontal geschichteten Dunstschleiern in der Atmosphäre von Pluto, die bis in eine Höhe von mindestens 350 Kilometern hinauf reichen. Auf Basis der ebenfalls von „New Horizons“ gemessenen chemischen Zusammensetzung der Pluto-Atmosphäre zeigt das Forschertrio, dass die ultraviolette Strahlung der Sonne in Höhen bis zu tausend Kilometern über der Oberfläche von Pluto Stickstoff und Methan ionisiert. Diese Ionen reagieren dann miteinander und bilden Kohlenwasserstoff-Partikel, die zunächst einige zehn Nanometer groß sind. Die Partikel sinken in der Atmosphäre langsam nach unten, wachsen dabei an und bilden schließlich die von „New Horizons“ entdeckten Dunstschichten.
„Solche Dunst-Partikel nehmen dann einerseits sehr viel mehr Wärme auf, kühlen aber andererseits auch sehr viel stärker durch die Abgabe thermischer Strahlung ab als Gasmoleküle“, stellen Zhang und seine Kollegen fest. Dadurch dominiere der Dunst das Temperaturgleichgewicht in der Atmosphäre Plutos von der Oberfläche bis in eine Höhe von etwa siebenhundert Kilometern. Ob der Dunst netto zu einer Erwärmung oder zu einer Abkühlung führt, hängt dann allerdings von der exakten Zusammensetzung der Kohlenwasserstoff-Partikel ab – und diese ist bislang unbekannt.
Zhang und seine Kollegen präsentieren ein Modell mit geeigneten Partikeln, mit dem sich die beobachtete Abkühlung von der theoretisch vorhergesagten Temperatur von minus 173 Grad Celsius auf die beobachtete Temperatur von minus 203 Grad Celsius reproduzieren lässt. Die Frage, ob dieses Modell mit der tatsächlichen Zusammensetzung des Dunstes in der Pluto-Atmosphäre übereinstimmt, müssen die Forscher jedoch zunächst unbeantwortet lassen. Allerdings ergibt sich aus ihrem Modell die Vorhersage, dass die Atmosphäre des Zwergplaneten im Infrarot-Bereich um mehrere Größenordnungen heller strahlt, als bislang angenommen. Und eine solche Strahlung sollte mit dem James Web Space Telescope, das voraussichtlich im Frühjahr 2019 ins All startet, leicht nachweisbar sein. Beobachtungen mit diesem neuen Weltraumteleskop könnten also schon bald das Modell von Zhang und seinen Kollegen entweder bestätigen oder widerlegen.
„Pluto wäre der erste uns bekannte planetarische Körper, bei dem das Energiegleichgewicht der Atmosphäre nicht durch Gase, sondern durch feste Partikel bestimmt wird“, hebt Zhang die Bedeutung des Modells hervor. Ähnliche Effekte könnten auch eine wichtige Rolle bei vielen Planeten spielen, die um andere Sterne kreisen. Zudem würde das Modell auch eine Erklärung für die rötlich-braunen Ablagerungen auf der Oberfläche des Zwergplaneten liefern: Dabei könnte es sich, so die drei Forscher, um eine Schicht aus über Jahrmillionen hinweg abgeregnete Kohlenwasserstoff-Partikel handeln.
Rainer Kayser
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