30.07.2024

Durchbruch bei Quantenmaterial

Topologisches Material zeigt interessante Randzustände.

Experimentalphysiker der Universität zu Köln haben gezeigt, dass es möglich ist, in speziellen Materialien supraleitende Effekte zu erzeugen, bei denen der Strom nur an den Außenkanten fließt. Das eröffnet neue Möglichkeiten für die Erforschung fortgeschrittener Quantenzustände, die für die Entwicklung stabiler und effizienter Quantencomputer entscheidend sein könnten. 


Abb.: Das Team schaffte eine wichtige Voraussetzung für Quantencomputer.
Abb.: Das Team schaffte eine wichtige Voraussetzung für Quantencomputer.
Quelle: U. Köln

Das Phänomen der Supraleitung bezeichnet die verlustfreie Leitung von Strom in bestimmten Materialien. Der anomale Quanten-Hall-Effekt bewirkt ebenfalls eine widerstandsfreie Leitung, allerdings mit der Besonderheit, dass der Strom nur an den Rändern, nicht aber im Inneren des Materials fließt. Theoretisch können Supraleiter in Kombination mit dem anomalen Quanten-Hall-Effekt sogenannte Majorana-Fermionen erzeugen, die in topologischen Supraleitern in einer geschützten Weise vorkommen. Diese Teilchen könnten zukünftige Technologien wie Quantencomputer revolutionieren. Eine solche Kombination lässt sich erreichen, indem man die Supraleitung im Randbereich eines anomalen Quanten-Hall-Isolators induziert, der bereits widerstandsfrei ist. Der daraus resultierende chirale Majorana-Kantenzustand, eine spezielle Art von Majorana-Fermionen, ist entscheidend für die Erzeugung topologisch geschützter „fliegender Qubits”.

Wir haben dünne Schichten des anomalen Quanten-Hall-Isolators verwendet, die mit einer supraleitenden Niob-Elektrode kontaktiert sind, und versucht, an ihren Rändern chirale Majorana-Zustände zu induzieren“, erklärt Anjana Uday, Doktorandin in der Arbeitsgruppe um Yoichi Ando und Erstautorin der neuen Studie. 

„Nach fünf Jahren harter Arbeit haben wir dieses Ziel endlich erreicht. Wenn wir über eine Zuleitung ein Elektron in das Isolatormaterial injizieren, reflektiert es in einer anderen Zuleitung ein Elektron in einem Lochzustand, also im Prinzip ein Phantom eines entgegengesetzt geladenen Elektrons. Dieses Phänomen wird als gekreuzte Andreev-Reflexion bezeichnet und ermöglicht uns, die induzierte Supraleitung im topologischen Randzustand nachzuweisen.“

Gertjan Lippertz, Postdoc in der Arbeitsgruppe um Ando und Co-Autor der Studie, fügt hinzu: „Seit der Entdeckung des anomalen Quanten-Hall-Effekts vor zehn Jahren haben sich viele Forscher an diesem Experiment versucht, aber niemandem ist es gelungen. Der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt darin, dass das Wachsen dünner Schichten des anomalen Quanten-Hall-Isolators, alle Schritte der Herstellung der Bauelemente sowie die Messungen bei extrem niedrigen Temperaturen im selben Labor durchgeführt werden. Das ist nicht überall möglich.“

Um diese Ergebnisse zu erzielen, hat die Forschungsgruppe der Universität zu Köln mit Kollegen der KU Leuven, der Universität Basel und des Forschungszentrum Jülich zusammengearbeitet. Letzteres trug zu den theoretischen Analysen im Rahmen des gemeinsamen Exzellenzclusters Matter and Light for Quantum Computing (ML4Q) bei. „Das Exzellenzcluster hat uns entscheidend unterstützt, den für diesen Durchbruch erforderlichen Kooperationsrahmen und die Ressourcen bereitzustellen“, sagt Yoichi Ando, Professor für Experimentalphysik an der Universität zu Köln und Sprecher des Exzellenzclusters ML4Q.

Diese Entdeckung eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für die künftige Forschung. Die nächsten Schritte sind Experimente, um das Auftreten chiraler Majorana-Fermionen eindeutig zu bestätigen und ihre außergewöhnlichen Eigenschaften zu klären. Das Verständnis und die Nutzung der topologischen Supraleitung und der chiralen Majorana-Kantenzustände sind wesentlich für die Entwicklung stabiler Qubits, die weniger anfällig für Dekohärenz und Informationsverlust sind und die Quanteninformatik revolutionieren könnten. Die in dieser Studie vorgestellte Plattform bietet hierfür vielversprechende Möglichkeiten, die zu robusteren und skalierbaren Quantencomputern führen könnten.

U. Köln / DE


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