Dynamik der Singulett-Exzitonenspaltung
Echtzeitanalyse von Molekülen in Pentacen-Kristallen während des Spaltungsprozesses.
Forschende des Fritz-Haber-Instituts in Berlin, des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie MPSD in Hamburg und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg haben wichtige neue Erkenntnisse über einen Schlüsselprozess für die Entwicklung effizienterer Solarzellen und anderer lichtbasierter Technologien geliefert: die Singulett-Exzitonenspaltung. Das Forschungsteam konnte verfolgen, wie sich die Moleküle in kristallinem Pentacen – einem vielversprechenden Material der Photovoltaikforschung – während der Singulett-Spaltung in Echtzeit bewegen. Zudem zeigte das Team, dass eine kollektive Bewegung der Moleküle die mit diesem Prozess verbundenen schnellen Zeitskalen bewirken könnte.
Bestimmte organische molekulare Festkörper haben die Fähigkeit, den Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie deutlich zu erhöhen, und zwar dank der Singulett-Exzitonenspaltung (SEF). Bei diesem Prozess werden zwei Elektronen-Loch-Paare, die Exzitonen, durch die Absorption eines Photons erzeugt. Aufgrund des hohen technologischen Potentials werden enorme Anstrengungen unternommen, um den Prozess grundlegend zu verstehen. Die Effizienz und Geschwindigkeit der Singulett-Exzitonenspaltung wird von subtilen Details bestimmt, die mit der Anordnung der Moleküle im Material zusammenhängen. Trotz einer Vielzahl von Studien zu diesem Thema gab es bislang jedoch keine Möglichkeit, in Echtzeit zu beobachten, wie genau sich die Moleküle bewegen, um den Vorgang zu ermöglichen. Für die Optimierung der genutzten Materialien und die Steigerung ihrer Effizienz ist das Verständnis dieses Puzzlestücks jedoch von großer Bedeutung.
Nun konnte das Forschungsteam verfolgen, wie sich Moleküle in einem kristallinen Material aus Pentacen-Molekülen während des Spaltungsprozesses bewegen. Die Forscher verwendeten dazu die Femtosekunden-Elektronenbeugung, welche Schnappschüsse der atomaren Struktur in Echtzeit einfängt, während sich der Prozess entfaltet. Da Pentacen aus besonders kleinen und leichten Atomen besteht, mussten die Messungen eine außergewöhnliche Stabilität und Auflösung erreichen. „Wir haben solche Experimente an einen Punkt gebracht, an dem sie auch mit diesen anspruchsvollen Materialien umgehen können, was für die Chemie, Biologie und Materialwissenschaft sehr spannend ist", sagt Heinrich Schwoerer vom MPSD. „Die Messungen haben gezeigt, dass wirklich kollektive Molekularbewegungen den SEF-Prozess in Pentacen begleiten. Konkret haben wir eine ultraschnelle delokalisierte Schwingung von Pentacen-Molekülen identifiziert, die einen effizienten Energie- und Ladungstransfer über große Distanzen ermöglicht."
Mithilfe modernster Theorie konnte das Team die molekularen Bewegungen aufdecken, die an dem anfänglichen Anregungsereignis beteiligt sind und wiederum molekulare Bewegungen auslösen, an denen viele Moleküle des Kristalls beteiligt sind. „Mit unserer Theorieanalyse konnten wir sehr komplexe Molekularbewegungen auflösen. Es ist uns gelungen, eine dominante Bewegung zu identifizieren, bei der Moleküle gegeneinander gleiten. Diese kann nur durch die Kopplung elektronischer Anregungen an andere, stärker lokalisierte Molekularbewegungen ausgelöst werden, die dann an diese, auch im Experiment beobachtete, Schlüsselbewegung koppeln", sagt Mariana Rossi vom MPSD. Solche kollektiven atomaren Bewegungen könnten entscheidend sein, um zu erklären, wie sich die beiden beim SEF-Prozess erzeugten Exzitonen trennen können. Dies ist eine Voraussetzung, um ihre Ladungen in einem Solarenergiegerät zu extrahieren.
„Einfach ausgedrückt beobachten wir, dass diese molekularen Bewegungen effizient die Kräfte neutralisieren, die die beiden Exzitonen gleich nach ihrer Erzeugung zusammenhalten", sagt Hélène Seiler, Postdoktorandin am FHI. „Die Bewegungen liefern eine mögliche Erklärung für den Ursprung der ultraschnellen Zeitskalen, die mit der Spaltung verbunden sind, und ermöglichen so die hohe Effizienz der Umwandlung von Solar- in elektrische Energie.“ „Diese Arbeit liefert nicht nur wichtige Einblicke in den SEF-Prozess selbst, sondern zeigt auch, dass es möglich ist, atomare Bewegungen in komplexen, funktionalen organischen Festkörpern aufzulösen, die äußerst empfindlich sind und aus leichten Atomen bestehen", sagt Sebastian Hammer von der Universität Würzburg.
MPSD / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
H. Seiler et al.: Nuclear dynamics of singlet exciton fission in pentacene single crystals, Sci. Adv. 7, eabg0869 (2021); DOI: 10.1126/sciadv.abg0869 - Dynamik in Atomarer Auflösung, Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie MPSD, Hamburg
- Structural & Electronic Surface Dynamics, Fritz-Haber-Institut, Berlin