Dynamisch ins Dunkel
Stärkere Integration europäischer Stromnetze zwingt zur Berücksichtigung dynamisch induzierter Ausfall-Kaskaden.
Das zuverlässige Funktionieren technischer Infrastruktur-
Abb.: Power Grids Dynamical Cascades (Bild: M. Timme, B. Schäfer et al. / NPG)
In einer neuen Studie wird am Beispiel von elektrischen Leitungsnetzen nun ein Analyseschema vorgestellt, das sowohl den ereignisbasierten Charakter der Kettenreaktion berücksichtigt, aber auch die spezifischen netzwerkdynamischen Einflüsse in die Berechnung einbezieht.
Das internationale Team von Wissenschaftlern des Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) an der TU Dresden und des Max-
„Diese können eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von kollektiven Reaktionen spielen, was schließlich bis zu einem Blackout führen kann. Wir schlagen in unserer Studie eine Vorhersagemethode vor, um potenziell gefährdete Leitungen und Netzwerk-
Besonders große Stromausfälle, die oft Millionen von Menschen betreffen, treten durch komplexes, und oft nicht-
Diese schnelle Dynamik war im Fokus der Untersuchung des Wissenschaftlerteams. Dirk Witthaut vom Forschungszentrum Jülich erklärt die Gründe: „In den letzten Jahren geht der Trend im Stromsektor immer weiter hin zu starker Vernetzung, die Länder sind sehr eng in das europäische Verbundnetz eigebunden. Da so Ausfälle irgendwo in diesem Netz jederzeit auch uns betreffen könnten, müssen wir die Ursachen verstehen. Deshalb beschäftigten uns diese Fragen: Können wir verstehen, wie diese schnellen Prozesse ablaufen? Können wir vorhersagen, welche Leitungen einen großflächigen Stromausfall provozieren können?“
„Der Grundgedanke für die Sicherheitsarchitektur der Stromnetze ist folgender: Fällt irgendein Teil des Netzes aus, dann soll das Stromnetz weiterhin in der Lage sein zu funktionieren. Das Netz nimmt dann einen neuen stationären Zustand ein, um die ‚Fehlstelle‘ auszugleichen. Die Fragestellung, wie dieser stationäre Zustand aussieht, wenn das Netz genug Zeit hat, einen neuen stabilen Zustand zu finden, ist schon vielfach untersucht worden. Für die vergleichsweise kurze Zeitskala der Fehlerkaskaden in Stromnetzen jedoch leistet unsere aktuelle Untersuchung quasi Pionierarbeit“, so Vito Latora, Professor für komplexe Systeme an der Queen Mary Universität in London.
Die Wissenschaftler untersuchten die Fehlerkaskaden mittels einer Kombination aus Computer-
Zudem haben sie statistische Untersuchungen zu Ausfällen mittels des dynamischen Ansatzes durchgeführt. Wie viele Leitungen fallen aus, wenn eine zufällige Leitung betroffen ist? „In vielen Fällen sind die Auswirkungen gering, d.h. es fallen kaum weitere Leitungen aus. Gleichzeitig gibt es einige wenige kritische Leitungen, die zu größeren Ausfällen führen. Insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Anschläge (physisch oder auch virtuell, z.B. durch Hacker) ist es extrem wichtig, solche kritischen Leitungen zu identifizieren und zu entlasten. Daher haben wir, mit Hilfe des dynamischen Ansatzes, ein Werkzeug entwickelt, das vorhersagt, welche Leitungen kritisch sind.“ beschreibt Benjamin Schäfer vom cfaed an der TU Dresden.
Schließlich wurden auch erste Untersuchungen zur Ausbreitung von Kaskaden im Netz durchgeführt. „Statt rein geographischer Abstände zwischen verschieden Orten betrachten wir die sogenannte ‚effektive Distanz‘, welche berücksichtigt, wie stark sich unterschiedliche Teile des Stromnetzes gegenseitig beeinflussen können. Hier ist jedoch für ein besseres Verständnis noch weitere Forschung nötig, um schließlich auch Möglichkeiten zu finden, solche Kaskaden zu stoppen“ erklärt Schäfer.
TU Dresden / DE