29.08.2018

Dynamische Elektronen

Quantitative Verbindung zwischen makroskopischen Polari­sa­tionen und zeit­ab­hän­gigen mikro­sko­pischen Elek­tronen­dichten.

Vorgänge in der makroskopischen Welt werden durch die klassische Physik beschrieben, während Prozesse auf atomaren Längen- und Zeit­skalen den Gesetzen der Quanten­mechanik unter­liegen. Der Zusammen­hang zwischen mikro­skopischen und makro­skopischen physika­lischen Größen ist nicht trivial und teil­weise unve­rstanden. Die elek­trische Polari­sation ist eine makro­skopische Größe, die das Dipol­moment von Materie beschreibt. Polari­sationen werden durch die Ver­teilung elek­trischer Ladungen auf atomarer Skala in polaren und ionischen Materi­alien hervor­gerufen, darunter die besonders interes­sante Gruppe der Ferro­elektrika. Deren spontane elek­trische Polari­sation findet Anwen­dung in elek­tro­nischen Sensoren, Speichern und Schalt­elementen. Der Zusammen­hang zwischen Polari­sa­tionen, vor allem zeit­ab­hängigen, und mikro­skopischen Elek­tronen­vertei­lungen ist von großer Bedeu­tung für das Ver­ständnis und die gezielte Ver­änder­ung der ferro­elek­trischen Eigen­schaften.

Abb.: Kristallgitter des ferroelektrischen Ammonium­sulfats mit ver­kippten Ammonium-Tetra­edern (Stick­stoff blau, Wasser­stoff weiß) und Sulfat-Tetra­edern (Schwefel gelb, Sauer­stoff rot). Der grüne Pfeil zeigt die Rich­tung der makro­sko­pischen Polari­sa­tion P an. Blaue Pfeile: Lokale Dipole zwischen Schwefel- und Sauer­stoff­atomen. Die Elek­tronen­dichte­karten unten links wurden in der grau markierten Ebene auf­ge­nommen. Die Karte zeigt die statio­näre Elek­tronen­ver­tei­lung mit einer hohen Dichte im Schwefel- und einer geringeren Dichte in den Sauer­stoff­atomen. Unten rechts sind die Ände­rungen der lokalen Dipole zu einem Zeit­punkt von 2,8 Pico­sekunden nach der Anregung der Probe gezeigt (rote Pfeile, blaue Pfeile: statio­närer Wert). Eine aniso­trope Ladunsg­ver­schie­bung redu­ziert den nach rechts zeigen­den Dipol und ver­größert die drei anderen. (Bild: MBI)

Auf der Grundlage eines neuen experimentellen und theoretischen Ansatzes haben Wissen­schaftler des Max-Born-Instituts jetzt eine direkte quanti­tative Ver­bindung zwischen makro­skopischen Polari­sa­tionen und zeit­ab­hängigen mikro­skopischen Elek­tronen­dichten her­ge­stellt. In den Experi­menten der Forscher löst eine optische Anregung atomare Bewe­gungen aus, welche die Elek­tronen­ver­teilung im Femto­sekunden-Zeit­bereich modu­lieren. Die Elek­tronen­dynamik wird durch zeit­auf­ge­löste Röntgen-Pulver­beugung auf­ge­zeichnet. Aus den Daten lässt sich räum­lich und zeit­lich auf­ge­löst die Elek­tronen­dichte ableiten, die mit Hilfe eines neuen theore­tischen Konzepts eine Bestim­mung der momen­tanen makro­skopischen Polari­sation gestatten. Die Methode wurde anhand von zwei proto­typischen Ferro­elektrika demon­striert.

Die theoretische Methode zur Beschreibung der ultraschnellen Dynamik von Ladung und Polari­sation beruht auf einer Erweite­rung von Ansätzen, die durch eine Betrach­tung von Quanten­phasen statio­näre makro­skopische Polari­sa­tionen liefern. Wesent­liche Schritte bestehen in der Berech­nung mikro­skopischer Strom­dichten aus den zeit­ab­hängigen Ladungs­dichte­karten, wobei die kine­tische Energie der Elek­tronen mini­miert wird. Aus diesen so bestimmten mikro­skopischen Strom­dichten wird dann die makro­skopische Polari­sation bestimmt. Dieses Ver­fahren haben die Forscher auf das Ferro­elektrikum Ammonium­sulfat ange­wendet. Als zweites proto­typisches System wurde Kaliumdihydrogenphosphat unter­sucht. Die Analyse liefert die Absolut­werte der makro­skopischen Polari­sations­ände­rungen, die durch mikro­skopische Schwin­gungen modu­liert werden. Die Ergeb­nisse etab­lieren die Röntgen­beugung im Ultra­kurz­zeit­bereich als ideales Werk­zeug zur Erfas­sung makro­skopischer elek­trischer Eigen­schaften komplexer Materi­alien.

FB Berlin / RK

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