Dynamisches Spin-Eis unter Kontrolle
Kristallisation magnetischer Ladungen beobachtet und gesteuert.
Spin-Eis ist eine exotische Materialklasse, in der sich magnetische Ladungen zu Strukturen vergleichbar mit den Protonen in Wassereis anordnen. Es legte die Basis für den ersten Nachweis von magnetischen Monopolen vor fünf Jahren. Nun gelang es einem Forscherteam von mehreren Universitäten in den USA, die Kristallisation von magnetischen Ladungen in künstlichem Spin-Eis zu beobachten. Mithilfe thermischer Anregung konnten sie sogar die Dynamik der magnetischen Ladungen kontrollieren und im Detail verfolgen.
Abb.: Aufnahme einer magnetischen Spin-Eis-Struktur mit einem Magnetkraftmikroskop. Im Wabenmuster sind die schwarzen Punkte die magnetischen Nordpole, die weißen die Südpole. (Bild: I. Gilbert, U. Illionois, Frederick Seitz Materials Research Laboratory)
Die Arbeitsgruppe um Peter Schiffer von der Pennsylvania State University fertigte ihre Spin-Eis-Proben aus einer ferromagnetischen Eisennickel-Legierung (Ni80Fe20). Dieses Metall dampften sie auf eine Unterlage aus Silizium und Siliziumnitrid auf, eine etwa 25 Nanometer dünne Schicht entstand. Als Schutz vor Oxidationsprozessen deckten sie die Magnetschicht mit einer drei Nanometer dünnen Aluminiumschicht ab. Für die Strukturierung der Magnetschicht nutzten sie die Methode der Elektronenstrahl-Lithografie.
So erhielten die Physiker zweidimensionale Spin-Eis-Strukturen, in denen sich die nur wenige Nanometer kleinen Nanomagneten entweder in Quadraten oder einem Wabenmuster anordneten. Schiffer und Kollegen konnten die magnetischen Ladungen mit einem Magnetkraftmikroskop in hoher räumlicher Auflösung beobachten. In der Quadratstruktur ordneten sich die magnetischen Ladungen streng symmetrisch mit abwechselnder Polung an. In der Wabenstruktur jedoch traten jeweils drei magnetische Ladungen in Wechselwirkung, wodurch sich an jedem Kreuzungspunkt eine magnetische Nettoladung – mal Nord, mal Süd – ergab.
Abb.: Topologischer Aufbau eines künstlichen Spin-Eis mit Parallelen zur Kristallstruktur von Wasser. Dunkle Bereiche zeigen magnetische Süd-, helle Abschnitte magnetische Nordpole. (Bild: A. D. Jerez Roman, I. Gilbert, S. Zhang)
Aufgeheizt auf bis zu 550 Grad Celsius wechselten die Nanomagnete ihre Polaritäten und interagierten innerhalb des zweidimensionalen Spin-Eis. Diese Dynamik konnten die Physiker in guter Übereinstimmung mit theoretischen Abschätzungen analysieren. Dabei zeigte sich, dass einzelne magnetische Ladungen die Anordnung weiterer Ladungen in der Nachbarschaft beeinflussten. Für das gesamte Spin-Eis-System verliefen diese Wechselwirkungen analog zu jener Dynamik, die elektrische Ladungen beim Wachstum von Eiskristallen zeigten.
Diese Experimente zeigen, wie durch die Topologie eines Spin-Eises und weitere Randbedingungen wie Temperatur und äußeres Magnetfeld, die Anordnung der magnetischen Ladungen beeinflusst und prinzipiell kontrolliert werden können. Auf dieser Basis könnten nun weitere und genauere Untersuchungen von magnetischen Monopolen erfolgen. Auch könnten sich neue Methoden ergeben, um magnetische Effekte in mikroskopischen Dimensionen gezielt zu steuern. In Materialien mit bewusst delokalisierten Monopol-Ladungen sehen die Forscher Entwicklungsmöglichkeiten für neuartige magnetische Datenspeicher. Doch liegen Spin-Eis-Speicher – wenn sie denn überhaupt kommen – noch weit in der Zukunft.
Jan Oliver Löfken
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