10.07.2013

Effiziente Falle für Licht

Photonischer Kristall aus strukturiertem Siliziumnitrid fungiert als nahezu perfekter Resonator.

Die Fähigkeit, Licht mit möglichst geringen Verlusten einzusperren und zu leiten, ist für viele technische und wissenschaftliche Anwendungen entscheidend. Vor allem für hochwertige Sensoren und den Bau von Lasern sind möglichst perfekt reflektierende Oberflächen entscheidend. Herkömmliche Spiegel basieren auf Glas mit einer dünnen Metallschicht, sind allerdings verlustbehaftet. Andere beruhen auf photonischen Materialien mit Bandlücken oder hochgradig ungeordneten Medien. Amerikanische Wissenschaftler haben nun ein neues Material vorgestellt, das speziell strukturiert ist und dadurch bei bestimmten Wellenlängen extrem hohe Reflektivitäten erreicht.

Abb.: Licht bleibt bei bestimmten Wellenlängen im photonischen Kristall eingeschlossen. Rot und blau kennzeichnet die Stärke des elektrischen Felds. (Bild: C. Wei Hsu et al.)

Dazu beschichteten die Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology zunächst eine Siliziumplatte mit einer sechs Mikrometer dicken Schicht aus Silikagel, um den in Silizium auftretenden Verlust an elektrischer Feldstärke zu vermeiden. Darauf brachten sie eine nur 180 nm dicke Schicht aus Siliziumnitrid auf, in das sie mit Hilfe von Interferenzlithographie ein exakt geordnetes Muster von Löcher bohrten. Die Löcher waren quadratisch angeordnet und hatten einen Abstand von 336 nm bei einem Lochdurchmesser von 160 nm. Um ein optisch symmetrisches Umfeld zu schaffen, erzeugten sie die Löcher in der gesamten Siliziumnitrid-Schicht. Über dieser befand sich eine optische Flüssigkeit, deren Brechungsindex genau auf die anderen Schichten abgestimmt war. Dieses Kompositmaterial entspricht damit einem optischen Kristall mit Fest-Flüssig-Komponenten.

Durch die Löcher können zwar elektromagnetische Wellen ausdringen. Aber bei bestimmten Wellenlängen und passendem Auftreffwinkel löschen sich die austretenden Wellen gegenseitig aus. Aufgrund dieser destruktiven Interferenz lecken die elektromagnetischen Wellen dann nicht länger nach außen, sondern sind stabile Eigenmoden, die nicht zerfallen. Aus der Funktionalanalysis-Literatur sind solche Zustände als „eingebettete Eigenwerte“ bekannt.

Abb.: Licht könnte über unterschiedliche Kanäle aus dem Kristall entweichen, aber die Kanäle interferieren destruktiv. (Bild: C. Wei Hsu et al.)

Die Frage, inwieweit sich Wellen räumlich lokalisieren lassen, geht sogar auf ein altes, grundlegendes Problem der Quantenmechanik zurück. Man ging früher davon aus, dass etwa bei Licht totale interne Reflektion und bei Elektronen unüberwindliche Potenzialbarrieren dafür nötig seien. Von Neumann und Wigner konnten 1929 aber ein erstes Gegenbeispiel präsentieren. Sie gingen der Frage nach, ob nach der Schrödingergleichung gebundene Zustände im Kontinuum erlaubt sein könnten – mit anderen Worten, ob eine perfekte Potenzialfalle möglich wäre, die ein Elektron bei derselben Energie einsperrt, die ein freies Elektron in unendlicher Entfernung besitzt. Sie konnten zeigen, dass dies genau bei einer bestimmten Energie möglich ist. Ihr theoretisches Modell basierte aber auf einem elektromagnetischen Potenzial, das sich experimentell nicht umsetzen ließ, da es bis in die Unendlichkeit lief.

Bislang haben Forschergruppen diverse andere solche Modelle vorgeschlagen, die experimentell aber nicht umgesetzt werden konnten. Die nun präsentierten Ergebnisse sind der erste geglückte Nachweis dieses Prinzips. Rein von der Theorie her ist der Spiegel bei bestimmten Wellenlängen und unter passenden Auftreffwinkeln sogar perfekt.

Abb.: Im Innern des photonischen Kristalls befindet sich eine Flüssigkeit, deren Brechungsindex genau auf den des Siliziumnitrids abgestimmt ist. (Bild: C. Wei Hsu et al.)

Die Wissenschaftler bestimmten deshalb die Reflektivität, um sie mit den zu erwartenden Werten zu vergleichen. Die Abweichung der gemessenen Resonanzwellenlänge von der Theorie betrug nur zwei Nanometer. Die Güte des Resonators maßen sie anhand der normierten radiativen Lebensdauer. Bei einem Einfallwinkel der Strahlung von ungefähr 35 Grad erreichte dieser Wert 106, was am nachweisbaren instrumentellen Limit lag und durch die Auflösung und das Signal-Rausch-Verhältnis begrenzt wurde. Den experimentell erreichbaren Wert extrapolierten die Forscher zu 1010. Die nichtradiative Lebensdauer lag mit rund 104 deutlich niedriger als die radiative, was die Forscher auf Absorption durch das Material, Streuung und Verlust durch seitliche Lecks zurückführten.

Positiv überrascht waren die Wissenschaftler von der Robustheit ihrer Methode. Sowohl kleine Unperfektheiten im Material als auch bei den experimentellen Bedingungen verzieh ihr photonischer Kristall recht gutmütig. Von der Theorie her ist es auch nicht auf elektromagnetische Wellen beschränkt. „Diese Methode lässt sich auch auf Elektronen oder auf mechanische Wellen übertragen“, beschreibt Chia Wei Hsu das neue Verfahren. Außerdem besitzt das neue System eine hohe Flexibilität im Aufbau. Die Forscher sind deshalb gespannt, ob ihr Verfahren zu Anwendungen in der Laserphysik oder beim Sensorbau führen wird.

Dirk Eidemüller

CT

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