Effiziente Kühlung mit Magneten
Gedächtnislegierungen eignen sich sehr gut für Kühlkreisläufe.
Der Energiebedarf für Kühlprozesse wächst schneller wächst als jener fürs Heizen. Zudem können Kühlmittel die Umwelt- und Gesundheitsschäden verursachen. Abhilfe könnte eine neuartige Technologie bringen: Kühlung durch magnetische Materialien in Magnetfeldern. Forscher der Technischen Universität Darmstadt und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf HZDR entwickelten die Idee für einen Kühlkreislauf, der auf dem magnetischen Gedächtnis spezieller Legierungen beruht.
Abb.: Am Hochfeld-Magnetlabor Dresden des HZDR loten Wissenschaftler Potenzial und Grenzen magnetisierbarer Materialien aus. (Bild: A. Wirsig)
Metalle können beim Erwärmen oder Abkühlen ihre magnetischen Eigenschaften verändern. „Eisen etwa ist nur unterhalb von 768 Grad Celsius ferromagnetisch, bei Nickel liegt die Umwandlungstemperatur bei 360 Grad Celsius“, schildert Oliver Gutfleisch, Professor für Funktionale Materialien an der TU Darmstadt. „Umgekehrt werden manche Legierungen ferromagnetisch, wenn man sie erwärmt. Mit diesem Phasenübergang verbunden ist der magnetokalorische Effekt: Bringt man Formgedächtnis-Legierungen knapp unterhalb ihrer Umwandlungstemperatur in ein äußeres Magnetfeld, springen sie spontan in ihre magnetische Ordnung und kühlen sich gleichzeitig ab“, beschreibt Gutfleisch. „Je stärker das Magnetfeld, desto stärker die Abkühlung.“
Tino Gottschall, der mittlerweile am Hochfeld-Magnetlabor Dresden des HZDR forscht, und seine Kollegen untersuchten verschiedene Formgedächtnis-Legierungen und ihre Eigenschaften bis ins Detail: „Bei der Magnetisierung können sich auch andere Eigenschaften verändern, zum Beispiel die Dichte – weshalb manche Legierungen ihr Volumen vergrößern.“ Die Physiker fanden heraus, dass ein von außen ausgeübter Druck tatsächlich den Magnetisierungsprozess rückgängig machen kann. Dabei erwärmt sich die Legierung.
Der experimentelle Nachweis gelang den Wissenschaftlern schließlich gemeinsam mit Antoni Planes und Lluís Mañosa von der Universität Barcelona. „Wir benutzten für unsere Versuche eine Legierung aus Nickel, Mangan und Indium, weil sich damit die Umwandlung bei Raumtemperatur auslösen lässt“, so Gottschall. Das Magnetfeld erzeugten die Wissenschaftler mit den stärksten bislang bekannten Dauermagneten – neben Eisen und Bor enthalten sie das Seltenerd-Metall Neodym. Damit lassen sich Magnetfelder bis zu einer Flussdichte von zwei Tesla erzeugen. „Unsere Legierung kühlt sich unter solchen Bedingungen um mehrere Grad ab“, schildert Gottschall, „bei Messungen im HLD haben wir festgestellt, dass bereits eine Millisekunde im Magnetfeld für eine dauerhafte Umwandlung ausreicht.“
Im nächsten Schritt des sechsstufigen Zyklus entfernten die Forscher den Kühlkörper aus dem Magnetfeld, dabei behält dieser seine Magnetisierung. In Schritt drei kommt er in Kontakt zum Kühlgut und nimmt dessen Wärme auf. Selbst wenn der Kühlkörper dabei wieder die Ausgangstemperatur erreicht, bleibt er magnetisch. Abhilfe schafft mechanischer Druck: In Schritt vier presst eine Walze den Kühlkörper zusammen. Unter Druck wechselt er in seine dichtere, nicht-magnetische Form; dabei erwärmt er sich. Wird in Schritt fünf der Druck weggenommen, behält das Material seinen Zustand bei und bleibt entmagnetisiert. Im letzten Schritt gibt die Legierung Wärme an die Umgebung ab, bis sie wieder ihre Ausgangstemperatur erreicht hat und der Kühlzyklus erneut beginnen kann.
„Noch vor wenigen Jahren galten Legierungen mit magnetischem Gedächtnis als unbrauchbar, weil sie sich im Magnetfeld nur einmal abkühlen lassen“, beschreibt Gutfleisch. „Daher orientierten sich die Forschungen weltweit auf Materialien ohne Erinnerungseffekt. Kühlschränke, die nach diesem Wirkprinzip produziert werden, haben allerdings ihren Preis.“ Größter Posten bei den Herstellungskosten sind die nötigen Dauermagnete: „Bei reversibler Magnetisierung bleibt der Kühleffekt nur so lange erhalten, wie der Kühlkörper dem Magnetfeld ausgesetzt ist. Selbst im günstigsten Fall muss dafür die Hälfte des Kühlmittels zwischen Magneten platziert sein. Man braucht dabei viermal so viel Dauermagnet wie Kühlmedium.“ Neodym-Magnete sind die wirksamsten, aber auch teuersten auf dem Markt. Obendrein gilt das in beträchtlichem Umfang benötigte Seltenerd-Metall als kritischer Rohstoff: Die größten bekannten Vorkommen liegen in China, und der Abbau geht mit vielfältigen Umweltbelastungen einher.
Elektromagnete kommen für die magnetische Kühlung nicht infrage: Aus physikalischen Gründen wäre der Wirkungsgrad geringer als bei der Dampfkompression, die milliardenfach in Kühlschränken und Klimaanlagen genutzt wird. Die Forscher sind jedoch überzeugt, dass diese Kühltechnik keine Zukunft mehr hat: „Es gibt einfach keine geeigneten Kühlflüssigkeiten“, sagt Gottschall: „Die heute gebräuchlichen Mittel sind als Wärmeträger hochwirksam, aber tausendfach treibhauswirksamer als Kohlendioxid. Für die meisten laufen die Produktionsgenehmigungen in Europa demnächst aus. Propan oder Butan kühlen zwar gut, bilden aber mit Luft hochexplosive Gemische. Ammoniak wiederum ist giftig und korrosiv. Und Kohlendioxid kühlt nicht besonders effizient.“
Die Zukunft liegt laut Oliver Gutfleisch in festen Kühlmitteln. „Wir konnten zeigen, dass sich Gedächtnislegierungen sehr gut für Kühlkreisläufe eignen“, sagt er. „Wir benötigen deutlich weniger Neodym-Magnete, können dennoch stärkere Felder und einen entsprechend größeren Kühleffekt erzeugen.“ Bis 2022 will er an der TU Darmstadt einen Demonstrator aufbauen, mit dessen Hilfe sich die tatsächliche Kühlleistung unter Praxisbedingungen sowie die Energieeffizienz des Verfahrens abschätzen lassen. Dafür erhielt er vom Europäischen Forschungsrat einen ERC Advanced Grant, der mit insgesamt 2,5 Millionen Euro über fünf Jahre verbunden ist. Die Kooperation zwischen der TU Darmstadt und dem HZDR könnte helfen, das Prinzip massentauglich zu machen: „Wir haben inzwischen Legierungen gefunden, die alle gewünschten Eigenschaften samt einem großen magnetokalorischen Effekt in sich vereinen und dabei komplett ohne Seltene Erden und andere kritische Rohstoffe auskommen“, schildert Tino Gottschall.
HZDR / TU Darmstadt / JOL