Effizientere Rotoren für Offshore-Windräder
Optimierte aerodynamische Profile steigern Ertrag um vier Prozent.
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der bislang nicht nach aerodynamischen Gesichtspunkten entworfen wird. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Der Stromertrag von Anlagen der Zehn-Megawatklasse, die speziell für den Offshore-Bereich konzipiert wurden, könnte um bis zu vier Prozent gesteigert werden.
Die Windkraft leistet mit 32 Prozent des produzierten Stroms im Jahr 2023 einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung. Beim Design der Windenergieanlagen gilt den Rotorblättern besondere Aufmerksamkeit. Damit sie optimal funktionieren, erhalten die Rotorblätter ein aerodynamisches Profil, mit Ausnahme der ersten zwanzig Prozent nahe der Rotornabe. Ihn haben Ingenieurinnen und Ingenieure bisher ohne die Berücksichtigung aerodynamischer Gesichtspunkte entwickelt. „In diesem Bereich ist der Flügel vergleichsweise dick, was eine kompliziertere Umströmung mit sich bringt“, sagt Alois Schaffarczyk.
Schaffarczyk hat sich drei Jahrzehnte lang an der FH Kiel mit Windkraftanlagen und deren Optimierung befasst. Das Forschungsprojekt „Entwicklung und Vermessung von sehr dicken aerodynamischen Profilen für Windturbinenblätter“ war sein letztes Projekt. Schaffarczyk wollte herausfinden, was passiert, wenn man das Profil des Übergangsbereichs des Rotorblattes aerodynamisch auslegt. Unterstützt wurde er dabei von Zhong-Xia Wang, einem Gastwissenschaftler aus China, und dem Doktoranden Brandon Lobo. Ihr Forschungsprojekt führten die Wissenschaftler an einem generischen Blatt der Zehn-Megawattklasse durch. Die Nabenhöhe beträgt mehr als 140 Meter, der Rotordurchmesser liegt bei rund 200 Metern, die Rotorblätter sind länger als 90 Meter. Der vom Team ins Visier genommene Bereich umfasst die inneren fünfzhen Meter des Rotors, und damit eine umstrichene Fläche von etwa 750 Quadratmetern.
Die Forscher entwarfen mehrere geeignete Profile, identifizierten die Vielversprechendsten und simulierten ihr Strömungsverhalten mit CFD-Modellen. Auf Basis dieser Berechnungen verfeinerte das Projektteam das Profil und baute das Blattprofil mit den besten Eigenschaften als reales Modell. Beim Bau des Modells unterstützte die Rendsburger Firma Aerovide. Das Unternehmen Deutsche Windguard Engineering begleitete die gesamten Entwicklungsprozesse und brachte Know-how aus Untersuchungen an Rotorblättern im Freifeld und im Windkanal ein. Im Großwindkanal in Bremerhaven führte das Team aerodynamische Messungen durch. Die Ergebnisse der Tests sind vielversprechend: Das im Projekt entwickelte aerodynamische Profil ermöglicht einen bis zu vier Prozent höheren Stromertrag. „Das wäre extrem viel“, sagt Alois Schaffarczyk, „damit könnte der Gewinn maßgeblich gesteigert werden.“
Zusätzlich berücksichtigte das Projektteam aerodynamische Hilfsmittel wie Vortex-Generatoren und Splitterplatten. Beide können im Nachhinein an Rotorblätter angebracht werden, zum Beispiel im Rahmen regulärer Wartungsarbeiten. Sie helfen, den aerodynamischen Wirkungsgrad der Rotorblätter zu optimieren und Strömungsabrisse zu reduzieren. „Beim Einsatz dieser aerodynamischen Hilfsmittel konnten wir sogar zusätzliche signifikante Veränderungen der Auftriebs- und Widerstandseigenschaften beobachten und damit eine weitere Leistungssteigerung“, sagt Nicholas Balaresque, Geschäftsführer der Deutschen Windguard Engineering in Bremerhaven. „Wir sind überzeugt davon, mit unserem Forschungsprojekt eine wichtige technologische Lücke geschlossen zu haben“, sagt Schaffarczyk. „Es wäre wirklich bedauerlich, wenn Anlagenhersteller diese Chance zur Ertragssteigerung nicht nutzen würden.“
FH Kiel / JOL