30.04.2015

Efimov-Zustand in Helium-Trimer nachgewiesen

Riesen-Trio aus Helium-Atomen exisitert nur in einem quanten­physika­lischen Tunnel­bereich.

1970 untersuchte Vitaly Efimov ein Dreiteilchen-Quanten­system, in dem die Anziehung zwischen zwei der Teilchen so klein wird, dass sich die Bindung auflöst. Seine Vorhersage: Anstatt zu zerbrechen, kann das Molekül aus drei Teilchen dann unendlich viele gebundene Zustände annehmen, wobei die Abstände zwischen den Bindungs­partnern riesig werden. „Jede klassische Vorstellung, warum eine solche Konstruktion hält, versagt hier“, erklärt Reinhard Dörner, Leiter der Arbeits­gruppe am Institut für Kernphysik der Goethe-Universität. Diese seltsame Vorhersage begründete das heute boomende Feld der „Efimov-Physik“. Schon bald zeichnete sich ab, dass ein System aus drei Helium-Atomen, ein Trimer, das Parade­beispiel für diesen quanten­mechanischen Effekt sein würde. Doch alle Versuche, das gigantisch große, nur extrem schwach gebundene Helium-System nachzuweisen, schlugen fehl.

Abb.: Maksim Kunitski an dem Frank­furter COLTRIMS-Mikroskop, mit dem er den Efimov-Zustand des Helium-Trimers entdeckt hat. (Bild: GU / Lecher)

Indirekte Hinweise auf Efimov-Systeme fanden Physiker der Uni Innsbruck erstmals 2006 in kalten Quanten­gasen aus Cäsium-Atomen. In den von ihnen verwendeten Atom­fallen kann die Wechsel­wirkung zwischen den Teilchen von außen gesteuert werden. So erzeugte Efimov-Systeme werden aber, sobald sie entstehen, aus der künstlichen Umgebung der Falle herausge­schleudert und zerfallen ungesehen.

Maksim Kunitski aus Dörners Arbeits­gruppe hat nun ein stabiles Efimov-System aus drei Helium-Atomen herge­stellt, indem er ein Helium-Gas bei der Tempe­ratur von acht Grad über dem absoluten Nullpunkt durch eine sehr feine Düse in ein Vakuum expan­dieren ließ. In dem Molekular­strahl bildeten sich Helium-Moleküle mit zwei, drei oder mehr Helium-Atomen. Durch die Beugung des Molekular­strahls an einem hyper­feinen Gitter konnte der Physiker die Trimere räumlich abtrennen.

Um die Struktur und insbesondere die Bindungs­abstände im Trimer vermessen zu können, wurde jedes Helium-Atom des Moleküls mithilfe eines Laser­strahls ionisiert. Das nunmehr dreifach positiv geladene Trimer brach aufgrund der elektro­statischen Abstoßung explosions­artig auseinander. Mittels des an der Goethe-Universität entwickelten Coltrims-Mikroskops konnten die Forscher anschlie­ßend die Spur und den Impuls der Helium-Ionen dreidimen­sional messen und so die Geometrie des Trimers rekons­truieren.

Abb.: Efimov-Trimer in einem Gas­strahl anderer Teil­chen. Die drei Heliumatome bilden ein spitz­wink­liges Drei­eck, ihr Ab­stand beträgt das Hundert­fache der Größe der Atome. (Bild: M. Kunitski)

Kunitski fand in Zusammen­arbeit mit der Theore­tikerin Doerte Blume von der Washing­ton State Uni­ver­sity, USA, heraus, dass tat­säch­lich einer der vielen möglichen Efimov-Zu­stände auf natür­liche Weise in dem Mole­kular­strahl ent­stan­den war. Die Bin­dungs­abstände in dem rie­sigen Mole­kül betrugen ein­hund­ert Ang­ström und mehr. Dabei bilden die Atome kein gleich­schenk­liges Drei­eck, sondern sind asym­me­trisch ange­ordnet. Das ist in sehr guter Über­ein­stim­mung mit den schon seit vielen Jahren vor­lie­gen­den theo­re­tischen Vor­her­sagen.

„Dies ist das erste stabile Efimov System, das jemals entdeckt wurde. Das Drei­teilchen­system fliegt ohne weitere Wechsel­wirkung und ohne dass äußere Felder nötig sind in seiner Vakuum­kammer durch das Labor“, erklärt Dörner. „Kunitski hat diese gran­diose Arbeit in einem Laser­labor durchgeführt. Eine große Maschine hat er dafür nicht gebraucht“.

„Der Efimov-Zustand ist kein exo­tischer Spezial­fall, sondern ein Beispiel für einen universellen Quanten­effekt, der in vielen Bereichen der Physik eine wichtige Rolle spielt“, erklärt Kunitski. Beispiele sind kalte Atome, Cluster, die Kernphysik und neuerdings auch die Fest­körper­physik. Darüber hinaus gibt es auch erste Berichte über dessen Bedeutung in der Biologie.

Ein in Bezug auf die Erfolgsaussichten derartig riskantes Forschungs­projekt anzu­gehen konnte sich Dörner leisten, weil die Deutsche For­schungs­gemein­schaft ihm 2009 im Rahmen des Kosel­leck-Pro­gramms 1,25 Milli­onen Euro zur Verfü­gung stellte. „Es war ein eher verwe­gener Plan“, sagt er im Rück­blick, „aber jetzt, am Ende des Pro­jekts, und wirklich nur, weil mir die DFG diesen großen Betrag von für ein Risiko­projekt ohne Detail­planung zur Verfügung gestellt hat – war die Suche erfolg­reich.“

GU / OD

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