Efimov-Zustand in Helium-Trimer nachgewiesen
Riesen-Trio aus Helium-Atomen exisitert nur in einem quantenphysikalischen Tunnelbereich.
1970 untersuchte Vitaly Efimov ein Dreiteilchen-Quantensystem, in dem die Anziehung zwischen zwei der Teilchen so klein wird, dass sich die Bindung auflöst. Seine Vorhersage: Anstatt zu zerbrechen, kann das Molekül aus drei Teilchen dann unendlich viele gebundene Zustände annehmen, wobei die Abstände zwischen den Bindungspartnern riesig werden. „Jede klassische Vorstellung, warum eine solche Konstruktion hält, versagt hier“, erklärt Reinhard Dörner, Leiter der Arbeitsgruppe am Institut für Kernphysik der Goethe-Universität. Diese seltsame Vorhersage begründete das heute boomende Feld der „Efimov-Physik“. Schon bald zeichnete sich ab, dass ein System aus drei Helium-Atomen, ein Trimer, das Paradebeispiel für diesen quantenmechanischen Effekt sein würde. Doch alle Versuche, das gigantisch große, nur extrem schwach gebundene Helium-System nachzuweisen, schlugen fehl.
Abb.: Maksim Kunitski an dem Frankfurter COLTRIMS-Mikroskop, mit dem er den Efimov-Zustand des Helium-Trimers entdeckt hat. (Bild: GU / Lecher)
Indirekte Hinweise auf Efimov-Systeme fanden Physiker der Uni Innsbruck erstmals 2006 in kalten Quantengasen aus Cäsium-Atomen. In den von ihnen verwendeten Atomfallen kann die Wechselwirkung zwischen den Teilchen von außen gesteuert werden. So erzeugte Efimov-Systeme werden aber, sobald sie entstehen, aus der künstlichen Umgebung der Falle herausgeschleudert und zerfallen ungesehen.
Maksim Kunitski aus Dörners Arbeitsgruppe hat nun ein stabiles Efimov-System aus drei Helium-Atomen hergestellt, indem er ein Helium-Gas bei der Temperatur von acht Grad über dem absoluten Nullpunkt durch eine sehr feine Düse in ein Vakuum expandieren ließ. In dem Molekularstrahl bildeten sich Helium-Moleküle mit zwei, drei oder mehr Helium-Atomen. Durch die Beugung des Molekularstrahls an einem hyperfeinen Gitter konnte der Physiker die Trimere räumlich abtrennen.
Um die Struktur und insbesondere die Bindungsabstände im Trimer vermessen zu können, wurde jedes Helium-Atom des Moleküls mithilfe eines Laserstrahls ionisiert. Das nunmehr dreifach positiv geladene Trimer brach aufgrund der elektrostatischen Abstoßung explosionsartig auseinander. Mittels des an der Goethe-Universität entwickelten Coltrims-Mikroskops konnten die Forscher anschließend die Spur und den Impuls der Helium-Ionen dreidimensional messen und so die Geometrie des Trimers rekonstruieren.
Abb.: Efimov-Trimer in einem Gasstrahl anderer Teilchen. Die drei Heliumatome bilden ein spitzwinkliges Dreieck, ihr Abstand beträgt das Hundertfache der Größe der Atome. (Bild: M. Kunitski)
Kunitski fand in Zusammenarbeit mit der Theoretikerin Doerte Blume von der Washington State University, USA, heraus, dass tatsächlich einer der vielen möglichen Efimov-Zustände auf natürliche Weise in dem Molekularstrahl entstanden war. Die Bindungsabstände in dem riesigen Molekül betrugen einhundert Angström und mehr. Dabei bilden die Atome kein gleichschenkliges Dreieck, sondern sind asymmetrisch angeordnet. Das ist in sehr guter Übereinstimmung mit den schon seit vielen Jahren vorliegenden theoretischen Vorhersagen.
„Dies ist das erste stabile Efimov System, das jemals entdeckt wurde. Das Dreiteilchensystem fliegt ohne weitere Wechselwirkung und ohne dass äußere Felder nötig sind in seiner Vakuumkammer durch das Labor“, erklärt Dörner. „Kunitski hat diese grandiose Arbeit in einem Laserlabor durchgeführt. Eine große Maschine hat er dafür nicht gebraucht“.
„Der Efimov-Zustand ist kein exotischer Spezialfall, sondern ein Beispiel für einen universellen Quanteneffekt, der in vielen Bereichen der Physik eine wichtige Rolle spielt“, erklärt Kunitski. Beispiele sind kalte Atome, Cluster, die Kernphysik und neuerdings auch die Festkörperphysik. Darüber hinaus gibt es auch erste Berichte über dessen Bedeutung in der Biologie.
Ein in Bezug auf die Erfolgsaussichten derartig riskantes Forschungsprojekt anzugehen konnte sich Dörner leisten, weil die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihm 2009 im Rahmen des Koselleck-Programms 1,25 Millionen Euro zur Verfügung stellte. „Es war ein eher verwegener Plan“, sagt er im Rückblick, „aber jetzt, am Ende des Projekts, und wirklich nur, weil mir die DFG diesen großen Betrag von für ein Risikoprojekt ohne Detailplanung zur Verfügung gestellt hat – war die Suche erfolgreich.“
GU / OD