28.08.2008

Eigensinniger Geodynamo

Aufwändige Simulationen am Earth Simulator Center in Yokohama zur Entstehung des Erdmagnetfeldes geben ein zwiespältiges Resultat.



Aufwändige Simulationen am Earth Simulator Center in Yokohama zur Entstehung des Erdmagnetfeldes geben ein zwiespältiges Resultat.

Das Magnetfeld der Erde ist allgegenwärtig. Es schützt uns vor dem tödlichen Sonnenwind und ermöglicht die Navigation mit dem Kompass. Wie das Magnetfeld im Erdkern entsteht, ist jedoch noch immer nicht vollständig geklärt. Mit Experimenten und aufwändigen Computersimulationen glaubte man, der Lösung dieses Rätsels näher gekommen zu sein. Doch jetzt stellen noch umfangreichere und genauere Simulationen am Earth Simulator Center in Yokohama das bisher gewonnene Bild in Frage.

Die Ursache des Erdmagnetfeldes ist der Dynamoeffekt im flüssigen, äußeren Teil des Erdkerns, der hauptsächlich aus geschmolzenem Eisen besteht. Durch das Temperaturgefälle zwischen dem heißeren (und festen) inneren Erdkern und dem kühleren Erdmantel wird diese Flüssigkeit in Bewegung gehalten. Die kompliziert geformte Strömung des flüssigen Eisens dehnt und faltet eventuell vorhandene Magnetfeldlinien, sodass das Magnetfeld verstärkt wird. Dabei werden Ströme induzierte, die wiederum das Magnetfeld verändern. Wenn das flüssige Eisen schnell genug strömt, sollte demnach im Erdkern ein selbsterregter Geodynamo auftreten.

Ob diese Erklärung zutrifft, hatte man mit aufwändigen Simulationen der Vorgänge im Erdkern untersucht. Dabei hatte man beobachtet, dass sich unter der Wirkung von Coriolis-Kräften (verursacht durch die Erdrotation) die Flüssigkeit auf Spiralbahnen in röhrenförmigen Strömungsmustern bewegte. Diese Röhren waren zeitlich veränderlich, doch sie blieben stets parallel zur Rotationsachse der Erde ausgerichtet. Das dabei erzeugte Magnetfeld ähnelte sehr dem tatsächlichen Erdmagnetfeld. Damit glaubte man, die Entstehung des Erdmagnetfeldes im Wesentlichen verstanden zu haben.

Die Simulationen mussten die Vorgänge im Erdkern jedoch stark vereinfachen und zudem mit sehr unrealistischen Parameterwerten arbeiten. So hatte die „Ekman-Zahl“, die das Verhältnis von Viskosität zur Coriolis-Kraft angibt, bei den Simulationen Werte um 10–6 während sie für den Erdkern 10–15 beträgt. Die jetzt von Akira Kageyama und seinen Kollegen am Earth Simulator Center in Yokohama durchgeführten Simulationen sind da eine Größenordnung besser. Für die Ekman-Zahl benutzen sie den Wert 10–7 und die räumliche Auflösung der Strömung und des Magnetfeldes ist die größte, die bisher erreicht wurde.

Abb.: Die japanischen Forscher beobachteten bei ihren neuen Simulationen statt der Röhren eine Lamellenstruktur, wobei die Lamellen parallel zur Rotationsachse der Erde und zugleich radial ausgerichtet waren. (Quelle: Earth Simulator Center, JAMSTEC, Japan)

Das Ergebnis der neuen Simulationen ist jedoch irritierend. Man hatte erwartet, dass bei größerer räumlicher Auflösung die zuvor beobachteten Röhren einen kleineren Durchmesser haben und dass ihre Zahl zunimmt. Die japanischen Forscher beobachteten jedoch statt der Röhren eine Lamellenstruktur, wobei die Lamellen parallel zur Rotationsachse der Erde und zugleich radial ausgerichtet waren. Auch dieses Strömungsmuster führte zu einem effektiven Dynamo. Das dadurch entstehende Magnetfeld ging von Zonen in den mittleren nördlichen und südlichen Breiten der Erde aus. Die Ähnlichkeit mit dem Erdmagnetfeld war aber nicht mehr so gut.

Somit geben die alten, stark vereinfachenden Computersimulationen das Erdmagnetfeld besser wieder als die neuen, genaueren Simulationen. Dies lässt den ernüchternden Schluss zu, dass man weiter von einer realistischen Modellierung des Geodynamos entfernt ist, als man geglaubt hatte.

Rainer Scharf

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