07.11.2018

Ein Gabelstapler für Elektronen

Rasterkraftmikroskop kann präzise Muster aus Elektronenladungen auf Oberfläche erzeugen.

Die Rasterkraft­mikroskopie hat sich seit ihrer Erfindung im Jahr 1985 rasant entwickelt und weist heute eine Vielfalt von Mess- und Abbildungs­verfahren auf. Sie eignet sich auch zum Schreiben und Auslesen von Infor­mationen auf atomarer Skala. Da die Wechsel­wirkung zwischen der Nadelspitze von Rasterkraft­mikroskopen und der Oberfläche rein mechanisch ist und im Gegensatz zu Rastertunnel­mikroskopen kein Stromfluss für die Messung nötig ist, lassen sich beliebige Oberflächen abtasten: Sowohl die Struktur von Metallen als auch von Halb­leitern oder Isolatoren lässt sich so bestimmen. Neben der Kontrolle der Atomen wäre für die Nano­technologie aber auch die Möglichkeit interessant, nur Elektronen hin und her zu bewegen. Bisherige Versuche mit Raster­kraft- oder Rastertunnel­mikroskopen, Elektronen gezielt zu verschieben, hatten allerdings mit der Schwie­rigkeit zu tun, diese Ladungs­träger sauber und stabil zu platzieren.

Abb.: Mit Hilfe eines Rasterkraftmikroskops lassen sich Elektronen hin und her schieben. (Bild: T. Dienel, Univ. of Alberta)

Ein Forscher­team um Robert Wolkow von der Univer­sität Alberta hat genau dies nun umsetzen können. Bei ihren Versuchen gelang es ihnen, mit einem Rasterkraft­mikroskop einzelne Elektron­ladungen auf einer Silizium­oberfläche mit atomarer Auflösung anzu­bringen. Dabei benötigte der Aufbau keine elektrische Spannung an der Mikroskop­spitze, sondern die Ansteuerung ist rein mechanisch. Im Gegenteil hätte ein Stromfluss zwischen Mikroskop­spitze und der Oberfläche wie bei einem Rastertunnel­mikroskop sogar eine stabile Loka­lisierung der Elektronen­ladung verhindert.

Frühere Versuche, mit Hilfe einer elektrischen Spannung an der Nadelspitze zu arbeiten, hatten zu Tunnel­strömen geführt, die schwer zu kontrol­lieren waren. Die einzige Möglich­keit, diese Tunnel­ströme zu minimieren, bestand dann in einem vergleichs­weise hohen Abstand zwischen der Nadelspitze und der Oberfläche in der Größen­ordnung von einigen Nanometern – was aber zugleich die räumliche Auflösung beein­trächtige, so dass eine atom­genaue Platzierung nicht mehr möglich war.

Die Forscher um Wolkow nutzten für ihre Versuche nun eine besondere Oberfläche: Sie arbeiteten mit einer Silizium­schicht, die freie Valenzen aufwies. Ähnlich wie freie Radikale besitzen einige Atome auf dieser Schicht freie Bindungen, nur dass diese Valenzen nicht beweglich, sondern auf der Oberfläche fixiert sind. Sie besitzen den Vorteil, elek­tronisch vom Volumen­material getrennt zu sein. In ihnen lassen sich deshalb Ladungen loka­lisieren, ohne dass man eine dünne Trennschicht zwischen dem Substrat und der Oberflächen­struktur benötigt.

Bereits in früheren Versuchen war es geglückt, den Ladungs­zustand dieser freien Bindungen etwa über eine elek­trische Spannung an einer Mikroskop­spitze zu mani­pulieren. Da eine Präzisions­erhöhung mit dieser Methode allerdings schwierig erschien, versuchten die Wissen­schaftler einen anderen Ansatz: Sie nutzten die wechsel­seitige Anziehung zwischen der Mikroskop­spitze und den Atomen mit freien Valenzen. Da diese bei sehr kurzen Abständen auftritt, lässt sie sich auch ohne angelegte Spannung durchführen, womit eine hohe Präzision und gleich­zeitig eine Kontrolle über einzelne Elektronen möglich wurde.

Der physi­kalische Mecha­nismus dahinter liegt in der Orbital­struktur begründet: Wenn die Mikroskop­spitze sich ganz knapp über der freien Bindung befindet, wird das entsprechende Siliziumatom ein kleines Stück weit angehoben. Wie die Analyse zeigte, sind vermutlich Van-der-Waals-Kräfte hierfür verant­wortlich. Dabei wandelt sich auch der Bindungs­charakter, da die umgebende Elektronen­struktur sich ändert. Das Atom rehybri­disiert sich und nimmt einen stärkeren sp3-Charakter an. Daraufhin weist dieses Atom eine Elektronen­ladung unterhalb der Mikroskop­spitze auf.

Die Forscher konnten mit dem Rasterkraft­mikroskop bis zu sechs Elektronen gleich­zeitig in einem Muster anordnen. Auslesen konnten sie die solcher­maßen geschriebenen Elektronen­strukturen, indem sie die Oberfläche in etwas größerem Abstand wieder abtasteten. Die Ladungen blieben über vergleichs­weise lange Zeit stabil. Wieder­holte Messungen konnten belegen, dass sie im Durch­schnitt erst nach gut 15 Sekunden wieder verschwanden.

Zwar dürfte in die Lebens­dauer der Elektronen­zustände noch ein wenig Arbeit fließen. Aber mit dieser Technik eröffnet sich die Möglich­keit, in Zukunft verschiedene Elektronen­muster atomgenau auf eine Oberfläche zu schreiben, womit sich elektronische Nanoschalt­kreise bilden lassen. Da die Versuche auf einer Silizium­oberfläche stattfanden, gehen die Forscher auch davon aus, dass sie Anordnung ska­lierbar ist und sich ohne allzu viele Schwierig­keiten auch in größerem Maßstab umsetzen lassen sollte. Mit solchen elek­tronischen Mustern, mit denen sich verschiedene Schalt­kreise simulieren lassen, könnte man zum Beispiel neuronale Netzwerke für das Maschinen­lernen trainieren.

Dirk Eidemüller

JOL

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