20.11.2018

Ein Gammastrahlungsausbruch in spe

Ungewöhnlicher Stern könnte schon bald als Supernova explodieren.

Etwa 8000 Lichtjahre von uns entfernt steht ein masse­reicher Stern kurz vor der Explosion. Zudem rotiert er so schnell, dass es zusätz­lich zu einem stark gebündelten Ausbruch von hoch­energe­tischer Gamma­strahlung kommen könnte. Darauf deuten zumindest die Beobach­tungen und Analysen eines Astronomen­teams aus den Nieder­landen, den USA und Australien hin. Damit wäre es den Forschern erstmalig gelungen, den Vorgänger­stern eines Gamma­strahlungs­ausbruchs aufzu­spüren – eine einmalige Gelegen­heit, dieses Endstadium masse­reicher Sterne detailliert zu beobachten.

 

Abb.: Staubspirale: Die Geschwindigkeit des abströmenden Staubs deutet auf...
Abb.: Staubspirale: Die Geschwindigkeit des abströmenden Staubs deutet auf eine schnelle Rotation des Wolf-Rayet-Sterns. (Bild: Univ. of Sydney / ESO)

Sterne der Spektral­klasse O besitzen die 15- bis 90-fache Masse der Sonne, sind bis zu einer Million mal leucht­kräftiger als die Sonne und haben eine Lebens­dauer von nur wenigen Millionen Jahren. Bevor sie als Supernova vergehen, durchlaufen sie ein als Wolf-Rayet-Stern bezeich­netes Stadium, das durch schnelle Sternwinde und hohe Massen­verlustraten gekenn­zeichnet ist. Seit langem vermuten Astro­nomen, bestimmte Wolf-Rayet-Sterne könnten die gesuchten Vorläufer von langen Gamma­strahlungs­ausbrüchen sein, also solchen, die länger als zwei Sekunden andauern.

Wenn sich solche Sterne nämlich in einem Doppel­system befinden, könnten sie durch die Wechsel­wirkung mit ihrem Partner extrem schnell rotieren. Durch diese Rotation würde der Kernkollaps, der zur Explosion führt, asym­metrisch verlaufen und zur der stark gebündelten Gamma­strahlung an den Polen der Supernova führen. Zwar sollten schnell rotierende Wolf-Rayet-Sterne häufig vorkommen, da die meisten masse­reichen Sterne Doppel­systeme bilden. Doch bislang gab es keine direkten Beobach­tungen eines solchen Systems und damit auch keine Möglichkeit, dieses Szenario zur Entstehung der Gamma­strahlungs­ausbrüche zu überprüfen.

Bis Joseph Calling­ham, damals als an der Univer­sity of Sydney, heute am Nieder­ländischen Institut für Radio­astronomie tätig, in Katalog­daten auf eine Stern mit ungewöhn­lichen Strahlungs­eigenschaften im Röntgen- und im Radio- und Infrarot­bereich stieß. Gemeinsam mit Kollegen beobachtete er das nach einer altägyp­tischen Gottheit Apep getaufte Objekt unter anderem mit dem Very Large Teleskop der Euro­päischen Südstern­warte. Die Beobach­tungen zeigten eine unge­wöhnliche Spirale aus Staub, die das Objekt umgibt – ein erster Hinweis darauf, dass es sich um ein Doppel­system handelt, dessen Orbital­bewegung für die Entstehung der Spiral­struktur verant­wortlich ist.

Spektroskopische Unter­suchungen identi­fizierten Apep als Wolf-Rayet-Stern – allerdings mit einer auffälligen Besonder­heit: Während der schnelle Sternwind mit einer Geschwin­digkeit von 3400 Kilometern pro Sekunde weht, strömt der Staub geradezu gemäch­lich mit lediglich 570 Kilometern pro Sekunde aus dem System heraus. Typischer­weise sind diese Geschwin­digkeiten bei Wolf-Rayet-Sternen jedoch nahezu identisch. Was also ist bei Apep anders? Callingham und seine Kollegen sehen eine extrem schnelle Rotation des Sterns als Ursache für die unter­schiedlichen Geschwindig­keiten. Die rasante Rotation könnte nämlich einerseits zur Entstehung eines schnellen polaren Winds führen und anderer­seits für einen erheblich lang­sameren äqua­torialen Wind sorgen, der Staub mit sich führt.

Zwar lässt dieses Modell noch eine ganze Reihe von Fragen unbe­antwortet. Aber die unter­schiedlichen Windge­schwindigkeiten zeigen in jedem Fall, dass es sich bei Apep und eine ungewöhn­liches Objekt handelt – möglicher­weise um den Vorläufer eines Gamma­strahlungs­ausbruchs. Irgendwann in den nächsten 100.000 Jahren dürfte Apep als Supernova explodieren – astro­nomisch gesehen nur ein Augenblick. Das Objekt wäre dann wochenlang der hellste Stern am Himmel. Vor der dabei eventuell frei werdenden gebün­delten Gamma­strahlung müssen sich die Menschen der Zukunft aller­dings nicht fürchten: Die Rotations­achse des Sterns und damit die Ausbreitungs­richtung der Strahlung weisen glücklicher­weise nicht auf die Erde.

Rainer Kayser
 

Weitere Infos

Weitere Beiträge

JOL

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen