Ein Gammastrahlungsausbruch in spe
Ungewöhnlicher Stern könnte schon bald als Supernova explodieren.
Etwa 8000 Lichtjahre von uns entfernt steht ein massereicher Stern kurz vor der Explosion. Zudem rotiert er so schnell, dass es zusätzlich zu einem stark gebündelten Ausbruch von hochenergetischer Gammastrahlung kommen könnte. Darauf deuten zumindest die Beobachtungen und Analysen eines Astronomenteams aus den Niederlanden, den USA und Australien hin. Damit wäre es den Forschern erstmalig gelungen, den Vorgängerstern eines Gammastrahlungsausbruchs aufzuspüren – eine einmalige Gelegenheit, dieses Endstadium massereicher Sterne detailliert zu beobachten.
Sterne der Spektralklasse O besitzen die 15- bis 90-fache Masse der Sonne, sind bis zu einer Million mal leuchtkräftiger als die Sonne und haben eine Lebensdauer von nur wenigen Millionen Jahren. Bevor sie als Supernova vergehen, durchlaufen sie ein als Wolf-Rayet-Stern bezeichnetes Stadium, das durch schnelle Sternwinde und hohe Massenverlustraten gekennzeichnet ist. Seit langem vermuten Astronomen, bestimmte Wolf-Rayet-Sterne könnten die gesuchten Vorläufer von langen Gammastrahlungsausbrüchen sein, also solchen, die länger als zwei Sekunden andauern.
Wenn sich solche Sterne nämlich in einem Doppelsystem befinden, könnten sie durch die Wechselwirkung mit ihrem Partner extrem schnell rotieren. Durch diese Rotation würde der Kernkollaps, der zur Explosion führt, asymmetrisch verlaufen und zur der stark gebündelten Gammastrahlung an den Polen der Supernova führen. Zwar sollten schnell rotierende Wolf-Rayet-Sterne häufig vorkommen, da die meisten massereichen Sterne Doppelsysteme bilden. Doch bislang gab es keine direkten Beobachtungen eines solchen Systems und damit auch keine Möglichkeit, dieses Szenario zur Entstehung der Gammastrahlungsausbrüche zu überprüfen.
Bis Joseph Callingham, damals als an der University of Sydney, heute am Niederländischen Institut für Radioastronomie tätig, in Katalogdaten auf eine Stern mit ungewöhnlichen Strahlungseigenschaften im Röntgen- und im Radio- und Infrarotbereich stieß. Gemeinsam mit Kollegen beobachtete er das nach einer altägyptischen Gottheit Apep getaufte Objekt unter anderem mit dem Very Large Teleskop der Europäischen Südsternwarte. Die Beobachtungen zeigten eine ungewöhnliche Spirale aus Staub, die das Objekt umgibt – ein erster Hinweis darauf, dass es sich um ein Doppelsystem handelt, dessen Orbitalbewegung für die Entstehung der Spiralstruktur verantwortlich ist.
Spektroskopische Untersuchungen identifizierten Apep als Wolf-Rayet-Stern – allerdings mit einer auffälligen Besonderheit: Während der schnelle Sternwind mit einer Geschwindigkeit von 3400 Kilometern pro Sekunde weht, strömt der Staub geradezu gemächlich mit lediglich 570 Kilometern pro Sekunde aus dem System heraus. Typischerweise sind diese Geschwindigkeiten bei Wolf-Rayet-Sternen jedoch nahezu identisch. Was also ist bei Apep anders? Callingham und seine Kollegen sehen eine extrem schnelle Rotation des Sterns als Ursache für die unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die rasante Rotation könnte nämlich einerseits zur Entstehung eines schnellen polaren Winds führen und andererseits für einen erheblich langsameren äquatorialen Wind sorgen, der Staub mit sich führt.
Zwar lässt dieses Modell noch eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet. Aber die unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten zeigen in jedem Fall, dass es sich bei Apep und eine ungewöhnliches Objekt handelt – möglicherweise um den Vorläufer eines Gammastrahlungsausbruchs. Irgendwann in den nächsten 100.000 Jahren dürfte Apep als Supernova explodieren – astronomisch gesehen nur ein Augenblick. Das Objekt wäre dann wochenlang der hellste Stern am Himmel. Vor der dabei eventuell frei werdenden gebündelten Gammastrahlung müssen sich die Menschen der Zukunft allerdings nicht fürchten: Die Rotationsachse des Sterns und damit die Ausbreitungsrichtung der Strahlung weisen glücklicherweise nicht auf die Erde.
Rainer Kayser
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. R. Callingham et al.: Anisotropic winds in a Wolf–Rayet binary identify a potential gamma-ray burst progenitor, Nat. Astron., online 19. November 2018; DOI: 10.1038/s41550-018-0627-5 - ASTRON, Niederländisches Institut für Radioastronomie, Dwingeloo, Niederlande
Weitere Beiträge
- P. A. Crowther: Physical properties of Wolf-Rayet stars, Annu. Rev. Astron. Astrophys. 45, 177 (2007); DOI: 10.1146/annurev.astro.45.051806.110615
- S. E. Woosley & A. Heger: The progenitor stars of gamma-ray bursts, Astrophys. J. 637, 914 (2006); DOI: 10.1086/498500
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