20.06.2025

Ein kosmisches Filament aus heißem Gas

Astronomen spüren Teil der „fehlenden“ baryonischen Materie auf.

Ein internationales Forschungsteam Federführung der Uni Leiden hat ein großes Filament aus heißem Gas untersucht, das vier Galaxienhaufen verbindet. Es erstreckt sich über eine Entfernung von 23 Millionen Lichtjahren und enthält über zehn Millionen Grad heißes Gas, das Teil der fehlenden baryonischen Materie sein, die vom kosmologischen Standardmodell vorhergesagt, aber bislang nicht nachgewiesen wurde. 

Abb.: Die Simulation von kosmischen Filamenten zeigt den Übergang von dunkler...
Abb.: Die Simulation von kosmischen Filamenten zeigt den Übergang von dunkler Materie (blau-violette Färbung) zu normaler Materie (orange-rot).
Quelle: Illustris Coll.

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Das Forschungsteam konzentrierte sich auf ein Filament, das die Galaxienhaufen A3532 und A3530 auf der einen Seite mit A3528-N und A3528-S auf der anderen Seite verbindet. Die vier Galaxienhaufen sind Teil des großen Shapley-Superhaufens, einer großen Ansammlung von mehr als 8000 Galaxien, die sich etwa 650 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Centaurus befinden.

Die Analyse zeigt, dass das Filament hauptsächlich aus freien Elektronen und Protonen mit einer Temperatur von mehr als zehn Millionen Grad Celsius besteht. Die Dichte beträgt etwa zehn Teilchen pro Kubikmeter, was etwa dreißig- bis vierzigmal der durchschnittlichen Dichte des Universums entspricht. Insgesamt umfasst das heiße Gas im Filament in etwa das Zehnfache der Masse der Milchstraße.

Heißes Gas in Filamenten wurde schon früher beobachtet. Es ist aber das erste Mal, dass seine Eigenschaften mit einer genauen spektroskopischen Analyse bestimmt wurden, und dass ohne nennenswerte Verunreinigungen durch schwarze Löcher und Galaxien. Um die Verunreinigungen zu beseitigen, setzte das Team eine Kombination von Methoden ein. Zunächst bestimmten sie mit Daten von optischen Teleskopen die Ausrichtung des Filaments am Himmel. Mit dem japanischen Suzaku-Röntgenteleskop erstellten sie dann ein Spektrum der gesamten Region. Schließlich nutzten sie Daten des europäischen XMM-Newton-Teleskops, um die verunreinigenden schwarzen Löcher zu modellieren und zu eliminieren. Schließlich konnten sie ein Spektrum des Filaments isolieren, das sie zur Bestimmung seiner Dichte und Temperatur nutzten.

Kosmologische Beobachtungen stützen das Standardmodell zur Entwicklung des Universums, das von bestimmten Mengen an Materie- und Energieformen ausgeht. Zwei dieser Bestandteile sind der Teilchen- und Quantenphysik noch unbekannt, für den Erfolg des Modells aber entscheidend: Die dunkle Materie soll die relativ schnellen Rotationsraten der Galaxien erklären, die dunkle Energie die zunehmende Expansionsrate des Universums. Die baryonische Materie trägt nur zu fünf Prozent zur Gesamtsumme bei. „Nicht nur, dass die moderne Physik die Natur von 95 Prozents des Inhalts unseres Universums nicht kennt – wir sind bisher auch nicht in der Lage, die Hälfte der verbleibenden fünf Prozent zu lokalisieren“, erklärt Team-Mitglied Florian Pacaud von der Uni Bonn.

Groß angelegte kosmologische Simulationen zeigen, dass es sich bei der fehlenden Materie um warme ionisierte Materie handelt, „warm-heißes intergalaktisches Medium“ genannt. Es kommt in riesigen kosmischen Filamenten vor, die Galaxienhaufen miteinander verbinden. In früheren Studien konnten nur einige der dichtesten Filamente erfolgreich einzeln nachgewiesen werden – weil diese heller und leichter zu entdecken sind. Diese Beobachtungen stimmten jedoch nicht mit den Simulationen überein.

„Wir hatten nicht erwartet, dass unsere neue Methode das Signal der fehlenden Baryonen so effektiv isoliert“, sagt Forschungsleiter Konstantinos Migkas. Das Ergebnis der Analyse zeigt: Die Dichte des Filaments ist viermal weniger dicht als die bisherigen Entdeckungen – und damit typisch für die Vorhersagen in numerischen Simulationen. „Wir zeigen damit, dass die Eigenschaften der kosmischen Filamente doch mit den Simulationen übereinstimmen. Es scheint also, dass die kosmologischen Simulationen die ganze Zeit über richtig waren. Das ist eine große Belohnung.“

Laut dem Team könnte diese Forschung den Weg für künftige Studien ebnen, die an ähnlichen Orten im Universum nach Filamenten und ihren Eigenschaften suchen. Sie ermöglicht es den Forschern, die Verbindungen zwischen den größten Strukturen im Universum besser zu verstehen.

U. Bonn / RK

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