19.07.2024

Ein mittelschweres schwarzes Loch in Omega Centauri

Messung von Sternbewegungen liefert bislang besten Beweis für die Existenz lange gesuchter Objekte.

Sich extrem schnell bewegende Sterne im Kugelsternhaufen Omega Centauri, die eine neue Untersuchung ausfindig gemacht hat, zeigen: im Zentrum des Sternhaufens befindet sich ein schwarzes Loch mit mindestens 8200 Sonnenmassen. Die Existenz solcher schwarzen Löcher mittlerer Masse gilt in der Astronomie zwar als ausgemacht. Zuverlässige Beobachtungen dazu hatte es aber bislang nicht gegeben. Der Fund bestätigt außerdem, dass Omega Centauri die Kernregion einer Galaxie ist, die vor Milliarden von Jahren von der Milchstraße verschluckt wurde. Ohne seine äußeren Sterne hat sich der Galaxienkern seither so gut wie nicht weiterentwickelt.

Abb.: Der Kugelsternhaufen Omega Centauri.
Abb.: Von links nach rechts: Der Kugelsternhaufen Omega Centauri im Überblick, ein vergrößerter Ausschnitt der Zentralregion des Haufens und das Gebiet direkt um den Ort des mittelschweren zentralen Schwarzen Lochs.
Quelle: ESA / NASA / M. Häberle, MPIA

Omega Centauri ist ein Kugelsternhaufen mit etwa zehn Millionen Sternen. Seit langem vermuten Astronomen ein schwarzes Loch mittlerer Masse im Zentrum des Haufens. Die Astronomie kennt für schwarze Löcher unterschiedliche Massenbereiche. Stellare schwarze Löcher mit einer bis zu einigen Dutzend Sonnenmassen sind vergleichsweise gut erforscht, ebenso wie supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien, mit Massen von Millionen oder sogar Milliarden Sonnen. Das heutige Bild von der Entwicklung der Galaxien geht davon aus, dass die frühesten Galaxien zentrale schwarze Löcher mittlerer Größe besaßen. Im Laufe der weiteren Entwicklung, als nämlich die Galaxien wuchsen, indem sie sich kleinere Galaxien einverleibten oder mit größeren Galaxien verschmolzen sollten auch jene Schwarzen Löcher mehr Masse gewonnen haben.

Mittelgroße Schwarzen Löcher sind im heutigen Universum jedoch schwer zu finden. Galaxien wie unsere Milchstraße sind längst ausgewachsen und enthalten deutlich massereichere zentrale schwarze Löcher. Galaxien, die klein geblieben sind, sind bereits im Allgemeinen schwer zu beobachten. Mit der derzeit verfügbaren Technologie sind Beobachtungen ihrer zentralen Regionen, die das zentrale schwarze Loch in solchen Galaxien nachweisen könnten, äußerst schwierig. Daher gab es bislang zwar einige vielversprechende Kandidaten, aber keinen definitiven Nachweis eines mittelschweren schwarzen Lochs.

Omega Centauri ist daher etwas ganz Besonderes. Als Kern einer ehemals selbstständigen Galaxie, die dann mit der Milchstraße verschmolz und dabei alle Sterne außer jenen der Kernregion verlor, wäre Omega Centauri eine Art Momentaufnahme der Galaxien-Evolution. Es gäbe keine weiteren Verschmelzungen und keine Möglichkeit für das zentrale Schwarze Loch, zu wachsen. Das schwarze Loch bliebe in der Größe erhalten, die es hatte, als Omega Centauri von der Milchstraße verschluckt wurde.

Doch bevor man so argumentieren kann, muss man das zentrale schwarze Loch in Omega Centauri überhaupt erst einmal nachweisen. Bislang gab es zwar Hinweise darauf aus großräumigen Modellen der Bewegung von Sternen in dem Haufen, aber die ließen Raum für Zweifel.

Als Nadine Neumayer vom MPI für Astronomie und Anil Seth von der University of Utah 2019 ein Forschungsprojekt zum besseren Verständnis der Entstehungsgeschichte von Omega Centauri entwarfen, wurde ihnen klar, wie sich die Frage nach dem zentralen schwarzen Loch des Haufens ein für alle Mal klären ließe: Gelänge es, direkt im Zentrum schnell bewegte Sterne zu identifizieren, ließe sich mit deren Hilfe nicht nur die Existenz des schwarzen Lochs belegen, sondern auch dessen Masse bestimmen.

An die mühsame Suche nach solchen Sternen machte sich Maximilian Häberle vom MPI für Astronomie. Häberle war federführend bei der Erstellung eines riesigen Katalogs für die Bewegungen der Sterne in Omega Centauri. Er bestimmte anhand von über fünfhundert Archivbildern des Weltraumteleskops Hubble die Geschwindigkeiten von 1,4 Millionen Sternen. Die meisten der Bilder waren nicht für wissenschaftliche Zwecke erstellt worden, sondern für die Kalibrierung von Instrumenten des Weltraumteleskops. Aber mit ihrem immer wieder wiederholten Blick auf Omega Centauri lieferten sie die ideale Datenbasis für die Suche.

„Die Suche nach schnellen Sternen und die Dokumentation ihrer Bewegung war die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen,“ so Häberle. Doch am Ende hatte Häberle nicht nur den bisher vollständigsten Katalog der Bewegung von Sternen in Omega Centauri. Er hatte außerdem gleich sieben Nadeln in seinem Archiv-Heuhaufen gefunden: sieben verräterische, sich schnell bewegende Sterne in einer kleinen Region im Zentrum von Omega Centauri.

Schnell bewegte Sterne finden sich typischerweise in der Nähe konzentrierter Massenansammlungen. Allerdings ist es bei einem einzelnen Stern unmöglich zu sagen, ob er schnell ist, weil die zentrale Masse groß ist oder weil er sich sehr nahe an der zentralen Masse befindet – oder ob jener Stern vielleicht einfach nur so schnurgerade und schnell vorbeifliegt. Anhand von sieben solchen Sternen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen konnten Häberle und seine Kollegen jedoch die unterschiedlichen Effekte trennen und feststellen, dass sich im Zentrum von Omega Centauri eine Masse mit mindestens 8200 Sonnenmassen befindet. Die Bilder zeigen kein sichtbares Objekt an der vermuteten Stelle dieser zentralen Masse, genau wie man es für ein schwarzes Loch erwartet.

Durch die breitere Analyse konnte Häberle nicht nur die Geschwindigkeiten seiner sieben Hochgeschwindigkeitssterne bestimmen. Sie grenzte auch den Ort ein, an dem sich die zentrale Region mit einem Durchmesser von drei Lichtmonaten in Omega Centauri befindet. Außerdem verschaffte die Untersuchung den Forschern statistische Sicherheit: Ein einzelner, sehr schneller Stern auf dem Bild gehört möglicherweise gar nicht zu Omega Centauri. Es könnte sich um einen Stern außerhalb des Haufens handeln, der zufällig direkt hinter oder vor dem Zentrum von Omega Centauri vorbeiflitzt. Die Beobachtung von sieben solcher Sterne kann jedoch kein Zufall sein und lässt keinen Raum für andere Erklärungen als ein Schwarzes Loch.

„Bei früheren Studien der Zentralregionen von Omega Centauri konnte man jeweils kritisch nachfragen: Wo sind denn die Hochgeschwindigkeitssterne?“, so Neumayer. „Jetzt haben wir die Antwort, und die Bestätigung, dass Omega Centauri tatsächlich ein mittelgroßes schwarzes Loch enthält. Mit einer Entfernung von etwa 18.000 Lichtjahren ist es das nächstgelegene bekannte Beispiel für ein massereiches schwarzes Loch.“ Der Fund hat nicht nur die besten Chancen, die jahrzehntelange Debatte um die Existenz eines mittelschweren schwarzen Lochs in Omega Centauri zu einem Ende zu bringen. Er liefert auch den bislang sichersten Hinweis auf die Existenz solcher mittelschweren schwarzen Löcher allgemein.

Auf Basis ihrer Ergebnisse planen Neumayer, Häberle und Kollegen, das Zentrum von Omega Centauri noch genauer zu untersuchen. Sie haben dazu bereits Beobachtungszeit mit dem Weltraumteleskop JWST eingeworben, um die Bewegung der schnellen Sterne auf die Erde zu oder von ihr weg zu messen. Langfristig möchten die Forscher die Beschleunigung der Sternbewegung messen, die Krümmung der Sternbahnen. Jene Sterne einmal entlang ihrer gesamten Umlaufbahn zu verfolgen, wie bei den nobelpreisgekrönten Beobachtungen von Sternen um das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, ist jedoch ein astronomisches Generationenprojekt. Die geringere Masse des schwarzen Lochs bei Omega Centauri bedeutet zehnmal größere Zeitskalen als im Zentrum der Milchstraße: Umlaufzeiten von mehr als hundert Jahren.

MPIA / RK

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