01.08.2022

Ein Molekül aus Licht und Materie

Bindungszustand aus Licht und Materie erstmals vermessen.

Ein ganz besonderer Bindungs­zustand zwischen Atomen konnte nun erstmals im Labor erzeugt werden: Mit einem Laserstrahl lassen sich Atome polarisieren, sodass sie auf einer Seite positiv, auf der anderen Seite negativ geladen sind. Dadurch ziehen sie einander an und bilden einen ganz speziellen Bindungs­zustand – viel schwächer als die Bindung zwischen zwei Atomen in einem gewöhnlichen Molekül, aber dennoch messbar. Die Anziehungs­kraft geht von den pola­risierten Atomen selbst aus, aber erst der Laserstrahl verleiht ihnen die Möglichkeit dazu – in gewissem Sinn handelt es sich um ein Molekül aus Licht und Materie.

Abb.: Illustration: Die Atome werden durch das Licht polarisiert und ziehen...
Abb.: Illustration: Die Atome werden durch das Licht polarisiert und ziehen einander an. (Bild. H. Ritsch, TU Wien)

Theoretisch vorhergesagt wurde dieser Effekt schon lange, nun gelang es Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftlern des Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) der TU Wien in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck, diese exotische Atombindung erstmals zu messen. Nützlich ist diese Wechselwirkung für die Mani­pulation extrem kalter Atome, auch für die Bildung von Molekülen im Weltraum könnte der Effekt eine Rolle spielen. 

In einem elektrisch neutralen Atom wird ein positiv geladener Atomkern von negativ geladenen Elektronen umgeben, die sich wolkenartig in der Nähe des Atomkerns befinden. „Wenn man nun ein äußeres elektrisches Feld einschaltet, dann verschiebt sich diese Ladungs­verteilung ein bisschen“, erklärt Philipp Haslinger. „Die positive Ladung wird geringfügig in die eine Richtung, die negative Ladung gering­fügig in die andere Richtung verschoben, das Atom hat plötzlich eine positive und eine negative Seite, es ist polarisiert.“ Wenn sich mehrere Atome nebeneinander befinden, polarisiert sie nun das Laserlicht alle genau auf dieselbe Weise – links positiv und rechts negativ, oder umgekehrt. In beiden Fällen wenden zwei benachbarte Atome einander unter­schiedliche Ladungen zu, eine Anziehungskraft entsteht.

„Es handelt sich hier um eine sehr schwache Anziehungskraft, daher muss man sehr sorgfältig experimentieren, um sie messen zu können“, sagt Mira Maiwöger. „Wenn die Atome viel Energie haben und sich schnell bewegen, ist es mit der Anziehungs­kraft sofort wieder vorbei. Man verwendete deshalb eine Wolke aus ultrakalten Atomen.“ Die Atome werden zuerst in einer magnetischen Falle mithilfe eines Atomchips, gefangen und gekühlt. Dann schaltet man die Falle aus und lässt die Atome nach unten fallen. Die Atomwolke ist mit weniger als einem millionstel Kelvin zwar ultrakalt, hat aber genug Energie um sich während des Fallens noch auszudehnen. Wenn man allerdings in dieser Phase mit einem Laserstrahl die Atome polarisiert und dadurch eine Anziehungs­kraft zwischen ihnen erzeugt, dann wird diese Ausdehnung der Atomwolke gebremst – und so kann man die Anziehungs­kraft messen.

„Einzelne Atome mit Laser­strahlen zu polarisieren ist grundsätzlich nichts Neues“, sagt Matthias Sonnleitner, der die theo­retische Grundlage für das Experiment gelegt hat. „Das Entscheidende an unserem Experiment ist allerdings, dass es uns erstmals gelungen ist, mehrere Atome auf kontrollierte Weise gemeinsam so zu polarisieren, dass dadurch eine messbare Anziehungs­kraft zwischen ihnen entsteht.“ Diese Anziehungs­kraft ist ein nützliches Werkzeug um ultrakalte Atome noch besser zu kontrollieren als bisher. Aber auch für die Astrophysik könnte sie wichtig sein: „In den Weiten des Weltraums können kleine Kräfte eine große Rolle spielen“, sagt Philipp Haslinger. „Hier konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass elektromagnetische Strahlung eine Kraft zwischen Atomen erzeugen kann, das kann vielleicht helfen, neues Licht auf bisher noch nicht erklärbare astro­physikalische Szenarien zu werfen.”

TU Wien / JOL

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