06.03.2025

Ein molekularer Schnellkochtopf

Neue Methode zur Herstellung von Nanostrukturen aus Molekülen.

Es sieht ein bisschen aus wie in einem Hobbykeller für Tüftler: Werkzeugregale an der Wand, Tische mit seltsamen Apparaturen, Schrauben, Zangen, elektronisches und mechanisches Zubehör, ein Computerarbeitsplatz, ein Turm mit elektronischen Bauteilen aus unterschiedlichen Epochen und mittendrin der eigentliche Versuchsaufbau: ein Konstrukt aus einer Vakuumkammer mit verschiedenen Leitungen und Kontrollfenstern und einem Rastertunnelmikroskop als Herzstück. Ein Team von Nanowissenschaftlern hat in den Laboren des Deutschen Museums eine neuartige Methode entwickelt, um stabile molekulare Nanostrukturen auf reaktionsträgen Oberflächen herzustellen.

Abb.: Lukas Grossmann am Versuchsaufbau im Nanolabor des Deutschen Museums.
Abb.: Lukas Grossmann am Versuchsaufbau im Nanolabor des Deutschen Museums.
Quelle: Deutsches Museum

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Das Forschungsgebiet von Markus Lackinger, dem Leiter des Labors für Nanowissenschaften, und seinem Team heißt „On-Surface Synthesis“: Auf eine Oberfläche werden eigens konzipierte Moleküle abgeschieden und dann durch Heizen im Ultrahochvakkuum zur Reaktion gebracht, um sie miteinander zu Nanostrukturen zu verbinden. „Auf herkömmlichem Weg werden die Moleküle für solche Prozesse auf Metalloberflächen aufgebracht, die die Reaktion begünstigen, aber leider auch handfeste Nachteile mit sich bringen“, sagt Lackinger.

So beeinflussen und verändern Wechselwirkungen mit dem darunterliegenden Metall die für Anwendungen besonders relevanten Eigenschaften der resultierenden Nanostrukturen. Außerdem sorgen die Metalle – am häufigsten werden Gold, Silber oder Kupfer verwendet – dafür, dass die Nanostrukturen weniger stabil sind, weil sie nicht nur die gewünschte Verknüpfungsreaktion erleichtern, sondern gleichermaßen die Zersetzung der Netze und Moleküle beschleunigen. Metalloberflächen sind zudem sehr anfällig für Verschmutzung und Oxidation. Das ist kritisch, wenn die Nanostrukturen künftig außerhalb des Ultrahochvakuums, in dem sie hergestellt wurden, Anwendung finden sollen.

Vor etwa einem Jahr hat Lackinger und sein Kollege Lukas Grossmann deshalb begonnen, mit Graphit als Unterlage für die Molekül-Synthese zu experimentieren. „Graphit hat für unsere Reaktion keine chemische Wirkung“, erklärt Grossmann, „das heißt, die molekularen Nanostrukturen entstehen allein durch den Einfluss der Temperatur. So trägt auch die Graphitoberfläche nicht zur Zersetzung bei, wodurch die Nanostrukturen auf Graphit um einiges robuster sind als auf einer metallischen Oberfläche.“ Und da die Nanostrukturen nur schwach mit der Graphitunterlage wechselwirken, könnte man künftig ihre intrinsischen Eigenschaften einfacher untersuchen und später auch nutzen.

Ganz so einfach – ersetze Gold durch Graphit – war es aber doch nicht: „Beim Aufheizen fehlte nun erst mal ein wichtiger Vorteil der Metalle – nämlich, dass sie die Moleküle auf der Oberfläche stark binden“, sagt Lackinger. „Auf dem Graphit liegend würden sich die Moleküle mit steigenden Temperaturen sozusagen in Luft auflösen.“ Sozusagen – denn „Luft“ ist in diesem Fall tatsächlich der falsche Begriff, weil die Synthese normalerweise im Vakuum stattfindet.

Und genau hier lag auch die Lösung des Problems. „Unser Trick ist, dass wir nicht im Vakuum, sondern in einer Edelgas-Atmosphäre heizen“, sagt Lackinger. „Die Argon-Atome halten unsere Moleküle lange genug auf der Graphit-Oberfläche, damit sie bei höheren Temperaturen miteinander reagieren können, ohne wegzufliegen.“ Ein weiterer Trick war, die Temperatur etwa einhundertmal langsamer als üblich zu erhöhen. Nur so bleibt den Molekülen bei der Reaktionstemperatur genügend Zeit, sich zu verknüpfen und damit zu stabilisieren.

Dafür funktioniert die Methode sogar auf Oberflächen des Wundermaterials Graphen. Dieses nur ein Kohlenstoffatom dicke, zweidimensionale Material ist noch weniger reaktiv und aufgrund exotischer Eigenschaften besonders reizvoll für die Wissenschaft. „Kovalente molekulare Nanostrukturen auf Graphen könnten der Ausgangspunkt für die Herstellung und Erforschung neuartiger elektronischer Bauelemente aus molekularen Nanostrukturen sein“, so Lackinger.

Der „molekulare Schnellkochtopf“, wie Markus Lackinger das Hochheizen in Edelgas nennt, könnte auch Grundlage für weitere Forschungsarbeiten anderer Arbeitsgruppen werden. In den Laboren des Forschungsmuseums auf der Münchner Museumsinsel testen die Wissenschaftler ihre Methode im nächsten Schritt aber erst einmal mit anderen Molekülen.

Deutsches Museum / RK

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