Ein Photon verschränkt fast 3000 Atome
Erstmals negative Werte für die Wigner-Funktion eines großen Atomensembles gemessen.
Die enge Abstimmung quantenmechanisch verschränkter Teilchen ist von großer Bedeutung: sowohl für die Quanteninformationsverarbeitung, als auch für das Quantencomputing und die Metrologie. Jetzt haben MIT-Forscher mit einem einzelnen Photon fast 3000 Atome in einen stark nichtklassischen Verschränkungszustand gebracht.
Abb.: Ein linear in x-Richtung polarisiertes Photon wechselwirkt mit 3100 Atomen in einem Resonator, wodurch sich sein Polarisationszustand geringfügig ändert. Wird ein x-Photon registriert, so hat sich die Spinverteilung der Atome nur wenig verändert. Wird hingegen ein y-Photon nachgewiesen, so hat die Spinverteilung ein Loch und nimmt negative Werte an. (Bild: R. McConnell et al.)
In den letzten Jahren ist es verschiedenen Forschergruppen gelungen, Atome oder Lichtquanten in immer größerer Zahl quantenmechanisch zu verschränken. So konnten 500 Atome bzw. 110 Mikrowellenphotonen in verschränkte Zustände gebracht werden, deren Wigner- oder Quasiwahrscheinlichkeitsverteilungen deutlich negative Werte annahmen und somit stark nichtklassisch waren.
Vor zwei Jahren hatten Vladan Vuleti und seine Kollegen vom MIT ein Experiment vorgeschlagen, bei dem eine noch größere Zahl von ultrakalten Atomen durch Wechselwirkung mit einem einzelnen Photon so verschränkt werden kann, dass die Wigner-Funktion des atomaren Ensembles negative Werte annimmt. Dieses bemerkenswerte Experiment haben die Forscher jetzt durchgeführt.
Sie brachten zirka 3100 ultrakalte Rubidiumatome zwischen die beiden teildurchlässigen Spiegel eines Hohlraumresonators und präparierten die Atome in bestimmten Hyperfeinzuständen. Die zunächst noch nicht verschränkten Atome waren in einem kollektiven kohärenten Zustand, der sich durch einen Spinvektor entlang der x-Achse beschreiben ließ, die senkrecht zu der durch die Spiegel laufenden z-Achse stand. Wegen der quantenmechanischen Unschärfe war die Richtung des Vektors unbestimmt, ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung ließ sich durch einen kreisförmigen Fleck beschreiben.
Dann strahlten die Forscher einen schwachen Laserpuls längs der z-Achse durch einen der beiden Spiegel in den Resonator. Der Lichtpuls bestand aus etwa 210 Photonen, die in x-Richtung polarisiert waren. Sie wurden etwa 5000 Mal zwischen den Spiegeln reflektiert, wobei sie mit den Atomen wechselwirkten, bevor sie den Hohlraum durch den anderen Spiegel verließen.
Anschließend trafen die Photonen auf einen Polarisationsstrahlteiler, der in x-Richtung polarisierte Photonen von den in y-Richtung polarisierten trennte und zu Photodetektoren leitete, wobei die y-Achse senkrecht zur x- und z-Achse stand. Da die Wechselwirkung mit den Atomen den Polarisationszustand der Photonen nur geringfügig verändert hatte, traten hinter dem Strahlteiler nur wenige y-Photonen auf. Deshalb mussten die Forscher viele Laserpulse abwarten, ehe sie ein einzelnes y-Photon registrieren konnten.
Der Nachweis eines y-polarisierten Photons kündigte an, dass mit den Atomen etwas Ungewöhnliches passiert war. Das ursprünglich linear in x-Richtung polarisierte Photon ließ sich in zwei verschiedene zirkular polarisierte Komponenten zerlegen, die unterschiedlich auf die Atome einwirkten. Der rechtzirkulare Anteil drehte den Spinvektor der Atome um einen kleinen Winkel aus der x-Richtung, während der linkszirkulare Anteil ihn um den Winkel – drehte. Die Atome und das Photon waren dadurch miteinander verschränkt.
Wurde nun ein y-polarisiertes Photon nachgewiesen, so mussten die Atome in einem kollektiven Zustand sein, dessen Spinvektor gleichzeitig um und – verdreht war. Die unbestimmte Lage des Spinvektors wurde nun durch zwei gegeneinander verschobene kreisförmige Flecken beschrieben, die zudem auch noch entgegengesetzte Vorzeichen hatten. Dies führte dazu, dass die resultierende Wigner-Verteilung des kollektiven Spinvektors eine ringförmige Gestalt mit einem Loch in der Mitte aufwies und dort negative Werte annahm. Das war nur möglich, weil die Zustände der einzelnen Atome enger miteinander abgestimmt waren als klassisch erlaubt. Die Atome waren also quantenmechanisch verschränkt.
Die Forscher analysierten den verschränkten Quantenzustand der Atome, indem sie sie mit wesentlich intensiveren x-polarisierten Laserpulsen bestrahlten und die dabei auftretenden y-Photonen zählten. Dadurch dass sie das Experiment viele Male wiederholten, konnten sie die Häufigkeitsverteilung der y-Photonen ermitteln, aus der sich verschiedene Schlüsse ziehen ließen. Zum einen waren von den 3100 Atomen im Mittel 2900 miteinander verschränkt. Zum anderen hatte die rekonstruierte Wigner-Verteilung tatsächlich die erwartete Ringform, mit einem deutlich negativen Loch in der Mitte.
Durch den Nachweis eines einzelnen Photons konnten also fast 3000 Atome in einen verschränkten und zudem deutlich nichtklassischen Zustand gebracht werden. Vladan Vuleti und seine Kollegen erwarten, dass man mit ihrem Verfahren eine Vielzahl von komplizierten und stark verschränkten Zuständen herstellen kann, die sich mit anderen Methoden nicht gewinnen lassen.
Rainer Scharf
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