01.02.2016

Ein Quanten-Kühlschrank für Gase

Kollektive Anregungen führen zu quanten­physi­ka­lischem Kühlungs­mecha­nismus.

Gießt man kalte Milch in heißen Kaffee, so stellt sich rasch ein Temperatur­gleich­gewicht ein. Wechsel­wirkungen zwischen Milch­tröpfchen und Kaffee­partikel sorgen dafür, dass nach kurzer Zeit beide dieselbe durch­schnitt­liche Energie besitzen. Diesen „Therma­lisierung“ genannte innere Temperatur­ausgleich spielt auch beim Abkühlen ultra­kalter Gase eine wichtige Rolle. Erstaun­licher­weise lassen sich aber auch Gase abkühlen, bei denen dieser Effekt unter­drückt ist. Forscher der TU Wien haben das genauer unter­sucht und festge­stellt, dass es sich um eine spezielle, quanten­physika­lische Form der Kühlung handelt.

Abb.: Bernhard Rauer, Mitarbeiter der Forschungsgruppe von Jörg Schmiedmayer, bei der Durchführung der Experimente. (Bild: TU Wien)

„Die einzelnen Teilchen in einer Flüssigkeit oder in einem Gas haben unter­schiedlich viel Energie“, erklärt Jörg Schmied­mayer von der TU Wien. Wie diese Energien verteilt sind, hängt von der Temperatur ab. Je heißer das Gas, umso häufiger kommen Teilchen mit höheren Energien vor. Daher kann man beim Abkühlen von sehr kalten Gasen einen einfachen Trick benutzen: Mit elektro­magne­tischen Feldern entfernt man immer wieder die Teilchen mit der höchsten Energie, die anderen mischen sich, und es stellt sich wieder eine typische Energie­verteilung ein – diesmal aber bei etwas niedrigerer Temperatur.

Es gibt allerdings Fälle, in denen sich niemals eine thermische Temperatur­verteilung ein­stellen kann. Beim Newton­pendel hängt man mehrere Metall­kugeln in einer geraden Linie auf, sodass sie einander berühren. Wenn man die erste Kugel auslenkt und auf die anderen prallen lässt, wird die letzte Kugel auf der anderen Seite der Kugel­reihe weg­gestoßen, die übrigen Kugeln bewegen sich nicht. In diesem Fall können die Kugeln also bloß Energien tauschen, es stellt sich keine thermische Verteilung verschiedener Energien ein. Schmied­mayer und sein Team haben ein ganz ähnliches System untersucht: Ein ein­dimensio­nales Gas aus Atomen, die von einer elektro­magnetischen Falle in einer Reihe festge­halten werden. Sie können bloß ihre Energien tauschen, wie die Kugeln beim Newton­pendel. Man müsste daher erwarten, dass der Kühl­mecha­nismus, bei dem man einfach einzelne Teilchen aus dem Gas entfernt, dort versagt. Denn sobald die schnellsten Teilchen entfernt sind, dürfte es in diesem verein­fachten Modell nie wieder schnelle Teilchen geben. Wenn unter den Kugeln im Newton­pendel eine bestimmte Energie nicht mehr vorkommt, wird auch nie wieder eine Kugel genau diese Energie annehmen.

Erstaunlicherweise verhält es sich mit dem eindimensionalen Gas aber anders. Es lässt sich durch fort­dauernde Entfernung von Teilchen abkühlen – und zwar viel weiter, als man mit dem einfachen Bild lang­samer und schnellerer Teilchen erklären kann. Das liegt daran, dass man das Temperatur­verhalten der Teilchen nur quanten­mechanisch verstehen kann. „Es geht nicht darum, dass wie beim Newton­pendel zwei Teilchen zusammen­stoßen, man muss statt­dessen kollektive Anregungen betrachten, die sich auf viele Teilchen verteilen – so wie eine Wasser­welle, an der auch viele Wasser­moleküle gleich­zeitig beteiligt sind“, sagt Schmied­mayer. In diesen Quanten­wellen ist die Energie des Systems gespeichert, und je mehr Teilchen man aus dem System entfernt, umso kleiner werden die Wellen. Somit hat man auf quanten­physika­lische Weise einen Kühlungs­mecha­nismus, den es nach dem bisherigen Verständnis gar nicht geben dürfte. „Für uns ist entscheidend, dass sich das Gas mit sinkender Temperatur immer quanten­mecha­nischer verhält“, sagt Schmied­mayer. „Das ist spannend, denn genau das wollen wir erreichen: Oft unter­sucht man im Labor Quanten­systeme, die nur aus wenigen Teilchen bestehen – zum Beispiel ein Atom mit ein paar Elektronen. Wir haben hier aber ein System, das sich quanten­physikalisch verhält und aus tausenden Atomen besteht.“

TUW / RK

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