19.12.2012

Ein Quantum Synergy

Deutsche Quantenphysiker sind bei den ersten elf „Synergy Grants“ des Europäischen Forschungsrats erfolgreich.

Erstmals in diesem Jahr hat der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) sogenannte Synergy Grants eingeführt, die es bis zu vier Wissenschaftlern ermöglichen sollen, auf innovative Weise zusammen zu arbeiten, um komplexe Probleme gemeinsam zu erforschen. Aus über 700 eingereichten Anträgen waren nur 11, also rund 1,5 Prozent der eingereichten Vorschläge, erfolgreich.

Zu den Gewinnern zählt das Projekt Ultracold Quantum Matter von Immanuel Bloch (Lehrstuhl für Quantenoptik, Ludwig-Maximilians-Universität München und Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching), Jean Dalibard (Collège de France und Laboratoire Kastler Brossel in Paris), Ehud Altman (Weizmann-Institut in Rehovot, Israel) und Peter Zoller (Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck). Verteilt über einen Zeitraum von sechs Jahren wird es insgesamt zehn Millionen Euro Förderung erhalten.

Abb.: Die vier Gruppenleiter von UQUAM (v. l. n. r.) Peter Zoller, Immanuel Bloch, Ehud Altman und Jean Dalibard (Bild: C. Groß, MPQ)

Mit Hilfe eines neuen experimentellen Aufbaus, den die Physiker in München gemeinsam entwickeln werden, wollen die Forscher qualitativ neue Einsichten über das Verhalten von Quantenmaterie erhalten. Die beiden Experimentalphysiker Immanuel Bloch und Jean Dalibard und die beiden theoretischen Physiker Ehud Altman und Peter Zoller gehören zu den Koriphäen auf diesem Gebiet, in dessen Zentrum die Kontrolle, Manipulation und Untersuchung von Systemen aus tausenden von Quantenteilchen bei Temperaturen dicht über dem absoluten Nullpunkt steht. Seit mehr als 10 Jahren in regem wissenschaftlichem Kontakt, z.B. durch den wechselseitigen Austausch junger Nachwuchswissenschaftler, wollen sie nun das in ihren jeweiligen Gruppen geschaffene Wissen zusammenbringen. Die in diesem Projekt untersuchten Quanten-Vielteilchensysteme sind zum einen vielseitige Modelle für Festkörper, sollen in Zukunft aber auch neue Verbindungen bis hin zur Hochenergie- und Kernphysik aufdecken. Dabei hoffen die Forscher neue Materiezustände unter bisher unerforschten Bedingungen entdecken zu können, die so nicht in der Natur auftreten.

Andrea Cavalleri (Universität Hamburg), Dieter Jaksch (University of Oxford), Jean Marc Triscone (University of Geneva) und  Antoine Georges (Ecole Polytechnique, Collège de France und University of Geneva) bekommen mit ihrem Forschungsverbund „Frontiers in Quantum Materials´ Control“ Q-MAC für Arbeiten zu Ultra-Hochtemperatur-Supraleitung in den nächsten fünf Jahren ebenfalls zehn Millionen Euro.

Das übergreifende Ziel der Q-MAC-Gruppe ist es, Supraleitung bei höheren Temperaturen als bisher möglich zu erreichen (mehr als minus 100 Grad Celsius). Hierfür entwickeln die Wissenschaftler aus den Bereichen Materialdesign, Theorie von Quantensystemen sowie ultraschneller Laser- und Röntgen-Physik nun gemeinsam innovative Ansätze, die auf dem bisherigen Verständnis der Physik der Hochtemperatur-Supraleiter aufbauen.

Von den deutschen Hochschulen kann sich die Universität Ulm besonders freuen: Denn die dortigen Professoren Martin Plenio (Institut für Theoretische Physik), Tanja Weil (Institut für Organische Chemie III) und Fedor Jelezko (Institut für Quantenoptik) dürfen mit ihrem gemeinsamen Synergy Grant eine neue Art der Sensorik entwickeln und so Strukturen und strukturelle Änderungen von einzelnen Molekülen in biologischen Systemen sichtbar machen. Künstlich hergestellte Quantennanodiamanten sollen diese Einblicke ermöglichen. Praktische Anwendungen dieses nicht-invasiven, bildgebenden Verfahrens ergeben sich zum Beispiel in der Medikamentenentwicklung, bei der Wirkmechanismen von Arzneistoffen genau verstanden werden müssen.

Außerdem werden im Zuge von BioQ Sensoren und Materialien hergestellt, deren Funktion auf Quanteneffekten beruht. Diese Neuentwicklungen sollen auch bei Raumtemperatur sowie unter warmen, wässrigen und geräuschvollen Bedingungen funktionieren – eine große Herausforderung. Ein künftiges Anwendungsfeld sind Quantensimulatoren, die eine modellhafte Darstellung komplexer Quantenphänomene – zum Beispiel für die Materialwissenschaften – ermöglichen.

Die ERC Synergy Grants wurden 2012 als Förderinstrument für herausragende Forschergruppen in der Europäischen Union eingeführt. Die Projektleiter und ihre Teams sollen einander ergänzende Fertigkeiten, Kenntnisse und Ressourcen auf innovative Weise zusammenführen, um Forschungsprobleme gemeinsam anzugehen. Die Förderung kann bis zu 15 Mio. Euro betragen und für eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren vergeben werden. Zu den weiteren Gewinnern gehört auch ein Trio um Nobelpreisträger Konstantin Novoselov. Im Projekt Hetero2D wollen die Briten auf der Basis atomar-dünner Kristalle neue Material-Architekturen erzeugen.

MPQ / UH / UU / OD

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