Ein reflexionsloses Potential für Licht
Inhomogene photonische Gitter aus Wellenleitern lassen Lichtwellen ohne Reflexionen durch.
Inhomogene photonische Gitter aus Wellenleitern lassen Lichtwellen ohne Reflexionen durch.
An den Oberflächen und Inhomogenitäten eines transparenten Materials wird einfallendes Licht reflektiert und gestreut. Durch optische Vergütung der Oberflächen kann man die Reflexion nur in einem Wellenlängenbereich und für bestimmte Einfallsrichtungen stark reduzieren. Perfekte Lichtdurchlässigkeit lässt sich hingegen erreichen, wenn die Inhomogenitäten die Form eines reflexionslosen optischen Potentials haben, wie jetzt Forscher aus Deutschland und Australien mit einem Gitter aus Lichtwellenleitern zeigen.
Abb.: Normalerweise wird Licht einer Inhomogenität im photonischen Gitter reflektiert (c), nicht jedoch an einem reflexionslosen Potential (e). (Bild: Alexander Szameit et al., Phys. Rev. Lett., American Physical Society 2011)
Reflexionslose Potentiale kennt man in der Optik und in der Quantenmechanik schon seit langem. So hatte Carl Eckart 1930 berechnet, dass die de Broglie-Wellen von Elektronen an bestimmten Potentialen nicht partiell reflektiert werden sondern sie ohne Abschwächung passieren. Entsprechende Potentiale gibt es auch für Lichtwellen, doch um sie in einem optischen Material zu verwirklichen, muss man ihm einen ortabhängigen Brechungsindex geben, der sich in vorgegebener Weise kontinuierlich ändert. Doch das ist bisher nicht gelungen.
Mit einem gitterförmigen Material, dessen optische Eigenschaften sich räumlich diskret ändern, haben jetzt Alexander Szameit und seine Kollegen von der Universität Jena in Zusammenarbeit mit Andrey Sukhorukov von der Australian National University in Canberra reflexionslose optische Potentiale realisiert. Das Material bestand aus 30 nebeneinander liegenden optischen Wellenleitern, die jeweils 10 cm lang waren. Die Forscher stellten sie dadurch her, dass sie mit einem Laserstrahl parallele Linien ins Innere eines transparenten Materials „geschrieben“ haben, auf denen der Brechungsindex daraufhin verändert war.
Licht, das an einem Ende der Wellenleiter eingestrahlt wurde, breitete sich zum anderen Ende hin aus. Doch außerdem bestand zwischen direkt benachbarten Wellenleitern eine Kopplung, die dazu führte, dass Lichtintensität von einem Wellenleiter zum andern überging. Wurde ein Lichtstrahl mit einem bestimmten Intensitätsprofil und unter einem kleinen Winkel in das Wellenleitergitter eingestrahlt, so breitete sich der Strahl quer zu den Wellenleitern aus. Das konnten die Forscher am Fluoreszenzlicht sehen, das aus dem mit Farbstoff versetzten Wellenleitergitter nach oben entwich und fotografiert wurde.
Die Lichtamplitude En im n-ten Wellenleiter entwickelte sich in dessen Längs- oder z-Richtung gemäß einer einfachen diskreten Wellengleichung: i dEn(z)/dz + Cn,n–1 En–1 + Cn,n+1 En+1= 0. Hatten alle benachbarten Wellenleiter des Gitters denselben Abstand voneinander, so waren auch alle Kopplungsstärken gleich: Cn,n–1 = Cn,n+1 = C. Durch solch ein homogenes Gitter liefen breite, schräg einfallende Lichtstrahlen geradlinig und ohne sich merklich zu verbreitern. Wurde das Licht hingegen nur in einen Wellenleiter eingekoppelt, so breitete es sich nach und nach über alle Wellenleiter aus und bildete eine Art Lichtkegel.
Dann stellten die Forscher ein inhomogenes Wellenleitergitter her, bei dem die Abstände benachbarter Wellenleiter nicht einheitlich waren: Eine Gruppe von fünf Wellenleitern wies einen verringerten Abstand auf, sodass ihre Kopplungen einen einheitlich größeren Wert hatten. An dieser Inhomogenität wurden schräg einfallende Lichtstrahlen partiell reflektiert. Der Lichtkegel des nur in einen Wellenleiter eingekoppelten Strahls wurde an der inhomogenen Stelle merklich abgeschwächt.
Schließlich modulierten die Forscher die Abstände der Wellenleiter so, wie es einem reflexionslosen Potential entsprach. Solche Potentiale treten in der Theorie der inversen Streuung auf, die man zur Lösung von Solitonengleichungen benutzt. Für das Wellenleitergitter ist eine von Mark Ablowitz und J. F. Ladik gefundene räumlich diskrete nichtlineare Differentialsgleichung zuständig, deren Solitonen die gesuchten reflexionslosen Potentiale für die Lichtwellengleichung sind. Ihre n-Abhängigkeit hat die einfache Form 1/cosh(a(n-n0)). Als die Forscher die Abstände der Wellenleiter so variierten, dass ihre Kopplungskonstanten diese n-Abhängigkeit hatten, wurden die Lichtstrahlen von dieser Inhomogenität weder gestreut noch reflektiert. Die inhomogene Stelle war unsichtbar.
Da reflexionslose Potentiale gebundene Zustände besitzen, konnten an den entsprechenden Inhomogenitäten im Wellenleitergitter lokalisierte Lichtwellen angeregt werden. Diese Wellen blieben auf einige Wellenleiter beschränkt und breiteten sich nicht im Gitter aus. Die Inhomogenitäten im Gitter waren unsichtbar, und dennoch konnten sie bestimmte Lichtwellen festhalten. Die Forscher sehen für ihre Arbeit zahlreiche Anwendungen z. B. die Abstimmung von Lichtstrahlen, optische Schaltelemente, die Kontrolle von Pulsen in resonant gekoppelten optischen Wellenleitern und von Bose-Einstein-Kondensaten.
Rainer Scharf
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