Ein Schwarm schwarzer Löcher
Röntgenstrahlung verrät Überreste massereicher Sterne im galaktischen Zentrum.
Im Zentrum einer jeden Galaxie sollte es nicht nur ein supermassereiches schwarzes Loch mit der millionen- oder milliardenfachen Sonnenmasse geben, sondern zudem auch eine stark erhöhte Anzahl stellarer schwarzer Löcher. Denn zum einen ist die Zentralregion einer Galaxie reich an Gas und Staub und damit die perfekte Brutstätte für massereiche Sterne, aus denen innerhalb weniger Millionen Jahre schwarze Löcher entstehen. Zum anderen verlieren schwarze Löcher, die von weiter außen durch ein Galaxienzentrum hindurch wandern, unter dem Einfluss des supermassereichen schwarzen Lochs an Bewegungsenergie und sammeln sich daher in dessen Nähe an.
Abb.: Röntgenbild des Satelliten Chandra vom Zentrum der Milchstraße. Die Punkte im inneren gelben Kreis (ein Parsec) markieren die Positionen der aufgespürten Röntgenquellen. Die ausgedehnte Röntgenquelle im Zentrum ist das supermassereiche schwarze Loch. (Bild: C. J. Hailey et al. / NPG)
Die Stellardynamik sagt für unsere Milchstraße beispielsweise die Existenz von bis zu 20.000 stellaren schwarzen Löchern im zentralen Parsec um das supermassereiche schwarze Loch voraus. Doch bislang waren alle Versuche, ein derartiges Maximum in der Häufigkeit stellarer schwarzer Löcher im galaktischen Zentrum nachzuweisen, erfolglos. Der Grund dafür ist simpel: Die meisten stellaren schwarzen Löcher verhalten sich ruhig, senden also keine auffällige Strahlung aus. Einzig solche schwarzen Löcher, auf die Materie von einem zweiten Stern einfällt, verraten sich durch sporadische Ausbrüche von Röntgenstrahlung.
Doch auch die Suche nach gut nachweisbaren, energiereichen Röntgenausbrüchen von Doppelsystemen mit stellaren schwarzen Löchern ist wenig erfolgversprechend, denn sie sind selten: Nur alle paar hundert Jahre wäre eine solcher verräterischer Röntgenausbruch aus dem Milchstraßenzentrum zu erwarten. Charles Hailey von der Columbia University und seine Kollegen haben deshalb jetzt in den Archivdaten des Röntgensatelliten Chandra nach Spuren von schwarzen Löchern in Doppelsystemen in ihrer ruhigen Phase gesucht – denn auch dann stoßen sie ab und an, wenn auch schwach, Röntgenstrahlung aus. Und das Team wurde fündig: Insgesamt zwölf Objekte spürten die Forscher in den Chandra-
Aus den Eigenschaften der Röntgenstrahlung und der räumlichen Verteilung dieser Objekte schließen Hailey und seine Kollegen auf insgesamt 300 bis 500 schwarze Löcher in Doppelsystemen und darüber hinaus auf 10.000 isolierte stellare schwarze Löcher im zentralen Parsec der Milchstraße. „Damit bestätigen unsere Ergebnisse die theoretischen Vorhersagen“, stellt Hailey fest. Aber die Beobachtungen seien auch darüber hinaus von astrophysikalischer Bedeutung, betont der Forscher: „Die Milchstraße ist die einzige Galaxie, bei der wir beobachten können, wie kleine schwarze Löcher mit dem großen, zentralen schwarzen Loch wechselwirken. Damit erhalten wir beispielsweise Informationen über die Art von Gravitationswellen, die von diesen schwarzen Löchern erzeugt werden.“ Das galaktische Zentrum werde für die Astronomen damit zu einer Art Labor für die Erforschung schwarzer Löcher und für die Vorhersage der Häufigkeiten unterschiedlicher Gravitationswellen-
Rainer Kayser
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RK