Ein Stück Weltraum im Labor
Heidelberger Ionenfalle CryPTEx besteht erste Testmessungen.
Moleküle, die Infrarotlicht absorbieren bzw. emittieren können, spielen in Geo- und Astrophysik eine große Rolle für den Strahlungshaushalt, beispielsweise in planetaren Atmosphären oder in interstellaren Wolken. Spektroskopie dieser Strahlung wiederum erlaubt die Identifizierung der Moleküle und ihrer Häufigkeit. Von Interesse sind dabei Metallhydride, also zweiatomige, unsymmetrische und somit infrarotaktive Moleküle und ihre Ionen.
Abb.: Regelmäßige Anordnung von etwa zehntausend Ionen in einem Coulomb-Kristall in der CryPTEx-Falle. (Bild: Cryogenic Collab.)
Zum besseren Verständnis der beobachteten Spektren ist die Astrophysik auf Laborexperimente angewiesen. Diese wiederum müssen die Bedingungen, wie sie im Weltraum herrschen, möglichst gut und kontrolliert nachbilden. Physiker der Gruppe um José Crespo am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) und der Ionenfallengruppe von Michael Drewsen an der Universität Aarhus in Dänemark haben hierfür erfolgreich eine neue Methode angewandt.
Hierzu präparierten sie kalte Magnesiumhydrid-Ionen (MgH+) in der am MPIK gebauten Ionenfalle CryPTEx, die eine Temperatur von 4 Kelvin erreicht und exzellente Vakuumbedingungen von weniger als 10-15 Millibar liefert. In CryPTEx lassen sich Ionen bis zu 30 Stunden speichern. Bei dem Experiment an der Universität Aarhus haben die Wissenschaftler mit einer von der Aarhuser Gruppe entwickelten Methode Magnesiumhydrid-Ionen präpariert: Zunächst wurden Magnesiumionen in der Falle gefangen und mit Laserstrahlen gekühlt. Anschließend reagierten diese mit einem injizierten Wasserstoffstrahl zu MgH+. In der Falle bildeten typischerweise einige Tausend kalte Ionen einen sogenannten Coulomb-Kristall mit regelmäßiger Struktur.
Die Forscher untersuchten, wie schnell ein Zustand von MgH+, bei dem je ein Schwingungs- und Rotationsquant angeregt war (1,1), in den Grundzustand (0,0) zurückfiel. „Diesen Zustand erreichen wir durch gezielte Laser-Anregung von Molekülionen im Schwingungsgrundzustand, in denen zwei Rotationsquanten angeregt sind (0,2)“, sagt Michael Drewsen. Diese Rotation geschah durch Stöße mit dem Restgas oder durch die schwache restliche Infrarotstrahlung in der Falle.
Im Vergleich der Abnahme der Besetzung des Zustands (0,2) für verschiedene Einwirkdauern des Lasers ergab sich die gesuchte Lebensdauer von (1,1) zu 0,16 Sekunden – in sehr guter Übereinstimmung mit dem theoretischen Wert. Zudem ließ sich verfolgen, wie schnell sich nach Entvölkerung von (0,2) durch lange Einwirkung des Lasers dieser Zustand durch die ‚Heizrate‘ aus der Umgebung (Stöße, Infrarotstrahlung) wieder besetzte. Dies trat erst nach etwa 20 Sekunden ein, was deutlich langsamer war als die gesuchte Lebensdauer.
„Das Magnesiumhydrid-Ion ist gleichsam ein genauer Nano-Sensor, der uns verrät, wie kalt es in der Falle unter den Bedingungen des Experiments wirklich ist“, erläutert Oscar Versolato, Postdoc am MPIK. Bei den Messungen in Aarhus ergab sich eine Temperatur von 35 Kelvin. Begrenzende Faktoren waren restlicher Wasserstoff aus der Präparation des MgH+ sowie Infrarotlicht aus den notwendigen Öffnungen für die Laserstrahlen. Die CryPTEx-Falle ist mit der vorgestellten neuen Messmethode ein Prototyp für zukünftige fundamentale Tests an kalten Ionen.
Für die Astrophysik ermöglichen die Labormessungen im Vergleich mit Beobachtungen aus dem Weltall eine Identifizierung der Moleküle und ihrer Häufigkeit. Im Blick auf Anwendungen könnten sich hochgeladene Ionen als neuer Zeitstandard eignen. Hierzu besteht eine Kooperation mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Am MPIK ist derzeit eine neue Anlage mit einer CryPTEx-Falle zur Speicherung hochgeladener Ionen im Aufbau.
MPIK / PH