27.04.2022

Einblick in ein Graphen-Sandwich

Supraleitende Eigenschaften von drei gegeneinander verdrehten Graphenschichten untersucht.

Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass zwei gegeneinander leicht verdrehte Schichten aus Graphen elektrischen Strom verlustfrei leiten können. Diese Entdeckung hat in den vergangenen Jahren Wissen­schaftler veranlasst, solche geschichteten Materialien genauer zu erforschen. Ein bemerkens­wertes, aktuelles Beispiel ist ein Material aus drei Graphenschichten, die spiegelsymmetrisch zueinander angeordnet sind. Es ist das erste Material, dessen Eigenschaften mit einem elek­trischen Feld effizient eingestellt werden können und für das experimentell gezeigt wurde, dass es neben verschiedenen anderen Eigen­schaften auch robuste Supraleit­fähigkeit aufweist.

Abb.: Bienenwaben­förmige Strukturen aus Graphen, das gegen­einander...
Abb.: Bienenwaben­förmige Strukturen aus Graphen, das gegen­einander verdreht elektrischen Strom widerstands­frei leiten kann. (Bild: U. Innsbruck)

„Dies macht dreischichtiges Graphen zu einem aufregenden Material für die Erforschung komplexer Vielteilchen­physik“, sagt Mathias Scheurer vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Was die genaue mikro­skopische Physik des Systems ist, bleibt zunächst aber rätselhaft.“ Weil beim Überlagern regel­mäßiger Muster eine Moiré-Struktur entsteht, werden solche Schichtmaterialien auch Moiré-Systeme genannt. Ein Team um Mathias Scheurer hat nun ein Dreischicht-Graphen analytisch und mit Hilfe numerischer Simulationen näher untersucht. „Wir haben die Eigenschaften für eine unter­schiedliche Anzahl von Elektronen pro Moiré-Zelle in Abhängigkeit von einem elektrischen Feld ermittelt und ein Phasen­diagramm erstellt“, sagt der Physiker. „Das ist eine sehr anspruchs­volle Aufgabe, weil das System Freiheits­grade mit sehr unter­schiedlichen energe­tischen Eigenschaften aufweist.“

Dennoch ist es den Wissen­schaftlern gelungen zu zeigen, dass der Grundzustand des Systems in Abwesenheit eines elektrischen Feldes aus einem Produkt des Grund­zustands von Graphen und jenem von verdrehtem zweischichtigem Graphen besteht. Dies ist auch mit weiteren in der Zwischenzeit erschienenen Experimenten konsistent. „Unsere Ergebnisse belegen außerdem in Gegenwart eines elektrischen Feldes die Dominanz von isolierenden und halb­metallischen Phasen, die nur im drei­schichtigen System, also nicht in verdrehten zweischichtigen Graphen, vorkommen“, sagt Scheurer. Die beiden von dem Team theoretisch ermittelten, supraleitenden Zustände decken sich auch mit den Ergebnissen eines anderen Experiments. 

In einer an diese theoretische Arbeit anschließende Zusammen­arbeit mit der Forschungs­gruppe von Abhay Pasupathy an der Columbia University, USA, konnte die Relevanz der Ergebnisse für die Physik von Moiré-Systemen bestätigt werden. Die Ergebnisse einer Untersuchung des Dreischicht-Systems mit Hilfe eines Rastertunnel­mikroskops zeigen, dass in den Spektren sichtbare Wechselwirkungs­effekte auch in den numerischen Berechnungen von Mathias Scheurer und seinen Kollegen erfasst sind.

U. Innsbruck / JOL

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