13.09.2016

Eine anorganische Doppelhelix

Flexibles Halbleitermaterial für Elek­tronik, Solar­techno­logie und Photo­katalyse ent­deckt.

Flexibel und stabil gleichzeitig – das ist einer der Gründe, warum die Natur die Erb­substanz in Form einer Doppel­helix an­legt. Wissen­schaftler der TU Mün­chen haben jetzt eine anorga­nische Substanz ent­deckt, deren Elemente eben­falls die Form einer Doppel­helix bilden. Das aus den Elementen Zinn (Sn), Iod (I) und Phosphor (P) bestehende Material mit der ein­fachen Zu­sam­men­setzung SnIP ist ein Halb­leiter. Anders als alle bis­he­rigen anor­ga­nischen Halb­leiter-Materi­alien ist es jedoch hoch flexibel. Die teil­weise zenti­meter­langen Fasern lassen sich be­liebig biegen, ohne zu brechen.

Abb.: Eine Kette aus Zinn- und Iod-Atomen bildet die eine, die Phosphor­atome die andere Kette der Doppel­helix. (Bild: T. Nilges, TU München)n

„Diese Eigenschaft von SnIP ist eindeutig der Doppel­helix zuzu­schreiben“, sagt Daniela Pfister, Ent­deckerin des Materials und Mit­ar­bei­terin in der Arbeits­gruppe von Tom Nilges an der TU München. „SnIP lässt sich einfach im Gramm-Maß­stab her­stellen und ist anders als Gallium­arsenid, das ähnl­iche elek­tro­nische Eigen­schaften hat, weit­aus weniger giftig.“ Die Halb­leiter-Eigen­schaften von SnIP ver­sprechen viele Ein­satz­mög­lich­keiten von der Energie­wandlung in Solar­zellen oder thermo­elek­trischen Ele­menten über Photo­kata­ly­sa­toren und Sensoren bis hin zu opto­elek­tro­nischen Bau­ele­menten. Durch Dotierung mit anderen Elementen sollten sich die elek­tro­nischen Eigen­schaften des neuen Materials in weiten Bereichen ein­stellen lassen.

Aufgrund der Anordnung der Atome in der Form einer Doppel­helix können die bis zu einem Zenti­meter langen Fasern leicht in dünnere Stränge auf­ge­teilt werden. Die bisher dünnsten Fasern bestehen aus nur noch fünf Doppel­helix-Strängen und sind nur wenige Nano­meter dick. Das macht auch Anwen­dungen in der Nano­elek­tronik denk­bar. „Vor allem die Kombi­nation aus inte­res­santen Halb­leiter-Eigen­schaften und mecha­nischer Flexi­bi­lität macht uns Hoff­nung auf viele Ein­satz­mög­lich­keiten“, sagt Nilges. „Im Ver­gleich mit orga­nischen Solar­zellen erhoffen wir uns von anorga­nischen Materi­alien auch eine deut­lich bessere Stabi­lität. So ist SnIP beispiels­weise bis etwa fünf­hundert Grad Celsius stabil.“

„Ähnlich wie beim Kohlenstoff, wo es das drei­dimen­sional auf­ge­baute Material Diamant, das 2D-Material Graphen und die Nano­tubes als 1D-Material gibt“, so Nilges weiter, „haben wir hier neben dem 3D-Halb­leiter­material Silizium und dem Phosphoren als 2D-Material nun erst­mals ein ein­dimen­sio­nales Material – mit mindestens ebenso spannenden Per­spek­tiven wie sie Kohlen­stoff-Nano­röhr­chen be­sitzen.“ Wie Kohlen­stoff-Nano­röhr­chen und polymer­basierte Druck­farben können die SnIP-Doppel­helices in Lösungs­mitteln wie Toluol suspen­diert werden. Damit ließen sich einfach und kosten­günstig dünne Schichten produ­zieren. „Wir stehen hier aber erst ganz am Anfang der Material­ent­wick­lung,“ sagt Pfister. „Jeder einzelne Ver­arbei­tungs­schritt muss erst noch ent­wickelt werden.“

Da die Doppelhelix-Stränge von SnIP rechtsdrehend und links­drehend vor­liegen können, müssten Materi­alien, in denen nur die eine oder die andere Form ent­halten ist, ganz besondere optische Eigen­schaften haben. Dies macht sie für die Opto­elek­tronik hoch inte­res­sant. Noch ist es aller­dings nicht ge­lungen eine Technik zur Trennung der beiden Formen zu finden. Theore­tische Berech­nungen der Wissen­schaftler zeigen, dass auch eine ganze Reihe weiterer Elemente solche anorga­nischen Doppel­helices bilden müssten. Ein umfas­sender Patent­schutz wurde bereits bean­tragt. Mit Hoch­druck arbeiten die Wissen­schaftler nun daran, ge­eig­nete Her­stel­lungs­ver­fahren für weitere Materi­alien zu finden.

TUM / RK

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