Mit einer maßgeschneiderten Röntgenbrille haben Forscher den Strahl eines Röntgenlasers stärker gebündelt als jemals zuvor. Die individuell angefertigte Korrekturlinse beseitigt die unvermeidlichen Fehler der bisher verwendeten Röntgenoptik nahezu komplett und konzentriert so drei Viertel des Röntgenstrahls auf einen Fleck von etwa 250 Nanometern Durchmesser. Damit erreicht die Brille fast das theoretisch Machbare. Röntgenstrahlung gehorcht zwar denselben optischen Gesetzen wie sichtbares Licht, lässt sich aber nur schwer fokussieren und ablenken. „Es gibt nur wenige Materialien, aus denen sich geeignete Röntgenlinsen und -spiegel bauen lassen“, erläutert Andreas Schropp von DESY. „Da die Wellenlänge von Röntgenstrahlung sehr viel kleiner ist als von sichtbarem Licht, erfordert die Herstellung solcher Röntgenoptiken zudem eine sehr viel größere Präzision als im optischen Wellenlängenbereich – schon sehr kleine Formfehler der Optik können sich störend auswirken.“
Abb.: Profil des fokussierten Röntgenstrahls ohne (oben) und mit (unten) Korrekturoptik. (Bild: F. Seiboth, DESY)
Die Produktion entsprechender Linsen und Spiegel hat zwar bereits eine hohe Genauigkeit erreicht. Dennoch sind die häufig verwendeten Linsen aus dem Element Beryllium meist im Zentrum der Linse etwas zu stark gekrümmt, wie Schropp ausführt: „Beryllium-Linsen werden mit Hilfe von Präzisionsstempeln gepresst. Formfehler in der Größenordnung einiger Hundert Nanometer sind dabei praktisch unvermeidlich.“ Dadurch wird mehr Licht als physikalisch unumgänglich aus dem Fokus herausgestreut, das sich relativ gleichmäßig über eine größere Fläche verteilt. Für viele Anwendungen spielen diese Fehler keine Rolle. „Wenn man jedoch beispielsweise kleine Proben mit dem Röntgenlaser aufheizen möchten, soll so viel Röntgenlicht wie möglich auf eine möglichst kleine Fläche treffen“, sagt Schropp. „Dasselbe gilt für manche abbildenden Techniken, mit denen möglichst detailreiche Aufnahmen von winzigen Proben gewonnen werden sollen.“
Abb.: Die Röntgenbrille unter dem Elektronenmikroskop. (Bild: DESY)
Um die Fokussierung zu optimieren, vermaßen Schropp und seine Kollegen zunächst minutiös die Fehler ihrer portablen Beryllium-Röntgenoptik. Mit diesen Daten schnitten sie dann an Uni Jena eine passgenaue Korrekturlinse aus Quarzglas mit Hilfe eines Präzisionslasers. Die Wirkung dieser Brille testeten die Forscher am Röntgenlaser LCLS des US-Forschungszentrums SLAC. „Ohne die Korrekturlinse fokussierte unsere Optik etwa 75 Prozent des Röntgenlichts auf eine Fläche mit etwa 1600 Nanometern Durchmesser. Das ist in etwa zehnmal so groß wie der theoretisch mögliche Wert“, berichtet Frank Seiboth von der TU Dresden, der heute bei DESY arbeitet. „Mit der Brille schrumpfte diese Fläche auf etwa 250 Nanometer Durchmesser und lag damit nah am theoretischen Optimum.“ Im Zentralbereich des Fokus landete so rund dreimal mehr Röntgenlicht als ohne die Korrekturoptik. Die Halbwertsbreite des fokussierten Strahls änderte sich dagegen kaum. Sie lag mit und ohne Korrekturoptik etwas über 150 Nanometer.
Dieselbe Kombination aus mobiler Standardoptik und maßgeschneiderter Brille untersuchte das Team auch an der Synchrotron-Röntgenquelle PETRA III und der britischen Diamond Light Source. In beiden Fällen lieferte die Korrekturlinse eine vergleichbare Verbesserung wie am Röntgenlaser. „Mit unserer Methode lässt sich im Prinzip für jede Röntgenoptik eine individuelle Korrekturlinse herstellen“, erläutert Teamleiter Christian Schroer vom DESY und der Uni Hamburg. „Diese Phasenplatten können dabei nicht nur den aktuellen Röntgenlichtquellen zugutekommen, sondern insbesondere eine wesentliche Komponente für Röntgenlaser und die Synchrotron-Lichtquellen der nächsten Generation werden. Die Fokussierung auf quasi das theoretisch Machbare ist nicht nur die Voraussetzung für eine wesentliche Verbesserung verschiedener experimenteller Techniken, sie kann auch völlig neue Untersuchungen ermöglichen, etwa die nichtlineare Streuung von Lichtteilchen an Materieteilchen oder die Erzeugung von Materieteilchen aus der Wechselwirkung von zwei Lichtteilchen. Für diese Methoden muss die Röntgenstrahlung auf engstem Raum gebündelt werden, und eine effiziente Fokussierung ist daher unabdingbar.“
DESY / RK