Physiker der Rice Universität in Houston, Texas, haben eine Möglichkeit gefunden, das kälteste Plasma der Welt auf magnetische Flaschen „zu ziehen“ – ein technologischer Fortschritt, der neue Möglichkeiten für die Erforschung von Fusionsprozessen, Weltraumwetter und astrophysikalischen Vorgängen eröffnet. „Um zu verstehen, wie der Sonnenwind mit der Erde interagiert oder wie man Energie durch Kernfusion gewinnen kann, muss man wissen, wie sich Plasma im Magnetfeld verhält“, erklärt Tom Killian, Professor für Physik und Astronomie und Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät. Seinem Team gelang es, lasergekühltes Plasma erstmalig für kurze Zeit in einem Magnetfeld einzuschließen.
„Damit haben wir nun ein klares und kontrollierbares Testfeld für die Untersuchung von neutralen Plasmen, wie sie an weitaus komplexeren Orten – der Sonnenatmosphäre oder weißen Zwergsternen – vorkommen“, freut sich der Professor für Physik und Astronomie. „Es ist wirklich hilfreich, dass das Plasma so kalt ist und dass wir diese sehr sauberen Laborsystem haben. Wenn man mit einem einfachen, kleinen, gut kontrollierten und gut verstandenen System anfängt, kann man etwas von dem unter natürlichen Gegebenheiten immer vorhandenen Durcheinander entfernen und das zu verstehende Phänomen wirklich isolieren."
Zur Erzeugung dieses ultrakalten neutralen Plasmas kühlten die Forscher zunächst ein Gas aus Strontiumatomen mit einem Laser auf drei Millikelvin herunter, um dann mit einem Lichtimpuls von jedem Atom ein Elektron abzustreifen. Dieser Prozess gibt nur sehr wenig Energie an die Elektronen und Ionen ab, hält das Plasma ultrakalt und macht es empfindlich für relativ schwache magnetische Kräfte.
Der Quadrupolmagnetaufbau, der zum Einfangen des Plasmas verwendet wurde, ist ein Standardbauteil, das vielfach in Aufbauten zur Beobachtung kalter Plasmen eingesetzten wird. Die zum Rand hin flaschenhalsförmig zusammenlaufenden Feldlinien sorgen für die Rückführung nach außen fliegender geladener Teilchen, sodass man auch von magnetischen Flaschen zum Einfang des Plasmas spricht. Da das Magnetfeld jedoch mit dem optischen Beobachtungssystem wechselwirkt, war sein Einsatz zum Einfangen der Plasmen kniffelig.
Die zur Plasmadiagnostik eingesetzte laserinduzierte Fluoreszenz gestattet die Bestimmung von Ort und – über Doppler-Verschiebungen – auch Geschwindigkeit der Ionen, indem die Frequenz des Laserlichts auf die im Plasma vorhandenen Ionen so abgestimmt wird, dass die Photonen an den Ionen gestreut werden. Um die Resonanzfrequenzen herum verschieben sich allerdings auch die Magnetfelder, sodass dieser Effekt vom eigentlich zu beobachtenden Doppler-Effekt getrennt werden muss. Zusätzlich ändern sich die Magnetfelder im gesamten Plasma ebenfalls gravierend.
„Wir müssen also ein auf ziemlich komplizierte Weise im Raum variierendes Magnetfeld berücksichtigen, um die Daten zu verstehen und herauszufinden, was im Plasma passiert“, so Killian. „Wir haben ein Jahr damit verbracht, herauszufinden, was wir sehen, sobald wir die Daten haben.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nachdem das Plasma im feldfreien Zentrum eines Quadrupolmagneten erzeugt wurde, dehnte es sich schnell aus und bewegte sich in den Bereich des stärkeren Feldes. Dabei verlangsamte sich seine Ausdehnung. Gorman und seine Kollegen konnten nicht beobachten, wie das Plasma schließlich aus der Falle entkam, aber es gelang ihnen, es für mindestens eine halbe Millisekunde einzuschließen. Ohne magnetischen Einschluss würde sich ein solches Plasma in ein paar zehn Mikrosekunden auflösen.
„Wenn sich unser Plasma über die Feldlinien ausdehnt und beginnt, die Kräfte zu spüren, die es dann gefangen halten“, sagte Killian, „ist das ein häufiges auftretendes, sehr kompliziertes Phänomen, das wir wirklich verstehen müssen.“
In der Natur tritt es beispielsweise beim Sonnenwind auf. Wenn diese Ströme hochenergetischen Plasmas auf die Erde treffen, interagieren sie auf noch nicht detailliert geklärte Weise mit dem Magnetfeld unseres Planeten. Auch die Fusionsenergieforschung ist auf ein genaues Verständnis für die Wechselwirkung zwischen Plasmen und Magnetfeldern angewiesen.
„Eines der Hauptprobleme ist es, das Magnetfeld lange genug stabil zu halten, um die Reaktion tatsächlich einzudämmen“, beschreibt Astrophysiker und Co-Autor Stephen Bradshaw, der sich auf die Untersuchung von Plasmaphänomenen auf der Sonne spezialisiert hat. „Sobald es eine kleine Art von Störung im Magnetfeld gibt, wächst es und 'pfft', die Kernreaktion ist ruiniert. Damit es gut funktioniert, muss man die Dinge wirklich, wirklich stabil halten“, sagte er. „Und auch hier könnte das Betrachten der Dinge in einem wirklich schönen, unberührten Laborplasma uns helfen, besser zu verstehen, wie Teilchen mit dem Feld wechselwirken.“
In zukünftigen Arbeiten planen die Forscher, Magnetfelder mit Lasern zu kombinieren, um noch stabilere und vielseitigere Fallen zu schaffen.
Rice Universität / LK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
G. M. Gorman et al.: Magnetic Confinement of an Ultracold Neutral Plasma, Phys. Rev. Lett. 126, 085002 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.085002 - Rice University, Ultracold Atoms and Plasmas Group