Eine neue Form von Feldspat
Hochdruck-Experimente enthüllen bislang unbekannte Varianten des weit verbreiteten Minerals.
In Hochdruckexperimenten hat ein Forschungsteam Team um Anna Pakhomova vom DESY und Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut neue Formen des weit verbreiteten Minerals Feldspat entdeckt. Diese bisher unbekannten Varianten sind bei moderaten Temperaturen noch bei einem Druck stabil, wie er im oberen Erdmantel herrscht, wogegen normaler Feldspat dort nicht mehr existieren kann. Die Entdeckung könnte die Sicht auf kalte und die Interpretation seismischer Signale verändern.
Feldspat bezeichnet eine Gruppe von sehr häufigen gesteinsbildenden Mineralien, die etwa sechzig Prozent der Erdkruste ausmachen. Die häufigsten Mitglieder dieser Gruppe sind Anorthit, Albit und Mikroklin. Unter Normalbedingungen sind die Aluminium- und Siliziumatome im Kristall jeweils an vier Sauerstoffatome gebunden und bilden AlO₄- und SiO₄-Tetraeder. Diese Dreieckspyramiden bestehen aus vier dreieckigen Seitenflächen mit jeweils einem Aluminium- oder Siliziumatom in der Mitte umgeben von vier Sauerstoffatomen an den Ecken.
„Das Verhalten von Feldspat unter zunehmendem Druck und steigender Temperatur ist bereits früher intensiv untersucht worden, und zwar besonders im Hinblick auf seine Stabilität im Erdinneren“, erklärt Pakhomova. „Es ist bekannt, dass Feldspate nur bei Drücken von bis zu drei Gigapascal entlang des üblichen Druck-Temperatur-Profils der Erde stabil sind, während sie sich bei höheren Drücken in dichtere Mineralien zersetzen. Unter kühlen Bedingungen können Feldspate allerdings auch bei Drücken von mehr als drei Gigapascal erhalten bleiben. Frühere Strukturuntersuchungen von Feldspat unter Hochdruck haben gezeigt, dass bei Raumtemperatur das Tetraeder-Gerüst bei Drücken bis zu zehn Gigapascal Bestand hat.“
Die Wissenschaftler setzten nun gewöhnlichen Feldspat einem Druck von bis zu 27 Gigapascal aus und analysierten die Struktur des Minerals an der Extreme Conditions Beamline P02.2 von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III und an der Advanced Photon Source in Chicago. „Bei Drücken über zehn Gigapascal haben wir neue Hochdruckformen von Anorthit, Albit und Mikroklin entdeckt“, berichtet Pakhomova. „Die Phasenübergänge werden durch starke geometrische Verzerrungen der AlO₄- und SiO₄-Tetraeder ausgelöst. Dies führt dazu, dass die Aluminium- und Siliziumatome zusätzliche Nachbaratome erhalten und sich dichtere Gerüste auf der Basis von Polyedern bilden, bei denen ein Aluminium- oder Siliziumatom an vier, fünf oder sechs Sauerstoffatome gebunden ist.“
Um die Stabilität der entdeckten Hochdruckvarianten bei hohen Temperaturen zu untersuchen und damit auch ihre Chance, im Erdinneren zu existieren, führten die Wissenschaftler am Bayerischen Geoinstitut eine Reihe von Hochdruck-Hochtemperatur-Experimenten durch. Dabei zeigte sich, dass die Hochdruckvariante von Anorthit unter einem Druck von 15 Gigapascal auch bei Temperaturen von bis zu 600 Grad Celsius noch stabil ist.
„Solche Druck-Temperatur-Bedingungen herrschen auf der Erde etwa in den Subduktionszonen, das sind Regionen, in denen zwei Erdplatten aufeinandertreffen und eine sich unter die andere schiebt“, erklärt Dubrovinsky. „In solchen geologischen Umgebungen werden Feldspate zusammen mit anderem Krustenmaterial von der absteigenden Platte in die Tiefe der Erde befördert. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hochdruckphasen von Feldspat in kalten Subduktionszonen noch in Tiefen stabil sein könnten, die dem oberen Erdmantel entsprechen, sofern die Temperatur nicht über 600 Grad ansteigt. Das könnte die Dynamik und die Entwicklung kalt abtauchender Erdplatten beeinflussen und seismische Signaturen verändern.“
DESY / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Pakhomova et al.: Polymorphism of feldspars above 10 GPa, Nat. Comm. 11, 2721 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-16547-4 - P02.2 Extreme Conditions Beamline, PETRA III, Deutsches Elektronen-Synchrotron, Hamburg
- Bayerisches Geoinstitut, Universität Bayreuth