08.06.2020 • Materialwissenschaften

Eine neue Form von Feldspat

Hochdruck-Experimente enthüllen bislang unbekannte Varianten des weit verbreiteten Minerals.

In Hochdruckexperimenten hat ein Forschungs­team Team um Anna Pakhomova vom DESY und Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut neue Formen des weit verbreiteten Minerals Feldspat entdeckt. Diese bisher unbekannten Varianten sind bei moderaten Temperaturen noch bei einem Druck stabil, wie er im oberen Erdmantel herrscht, wogegen normaler Feldspat dort nicht mehr existieren kann. Die Entdeckung könnte die Sicht auf kalte und die Inter­pretation seismischer Signale verändern.

Abb.: Die Kristallstruktur des Feldspats Anorthit bei Normalbedingungen (links)...
Abb.: Die Kristallstruktur des Feldspats Anorthit bei Normalbedingungen (links) und die neu entdeckte Hochdruck-Variante (rechts). Während Silizium, Aluminium und Sauerstoff unter Normalbedingungen Tetraeder bilden, entstehen und Hochdruck weitere Polyeder. (Bild: A. Pakhomova, DESY)

Feldspat bezeichnet eine Gruppe von sehr häufigen gesteins­bildenden Mineralien, die etwa sechzig Prozent der Erdkruste ausmachen. Die häufigsten Mitglieder dieser Gruppe sind Anorthit, Albit und Mikroklin. Unter Normal­bedingungen sind die Aluminium- und Silizium­atome im Kristall jeweils an vier Sauerstoff­atome gebunden und bilden AlO₄- und SiO₄-Tetraeder. Diese Dreiecks­pyramiden bestehen aus vier dreieckigen Seiten­flächen mit jeweils einem Aluminium- oder Silizium­atom in der Mitte umgeben von vier Sauerstoff­atomen an den Ecken.

„Das Verhalten von Feldspat unter zunehmendem Druck und steigender Temperatur ist bereits früher intensiv untersucht worden, und zwar besonders im Hinblick auf seine Stabilität im Erdinneren“, erklärt Pakhomova. „Es ist bekannt, dass Feldspate nur bei Drücken von bis zu drei Gigapascal entlang des üblichen Druck-Temperatur-Profils der Erde stabil sind, während sie sich bei höheren Drücken in dichtere Mineralien zersetzen. Unter kühlen Bedingungen können Feldspate allerdings auch bei Drücken von mehr als drei Gigapascal erhalten bleiben. Frühere Struktur­unter­suchungen von Feldspat unter Hochdruck haben gezeigt, dass bei Raum­temperatur das Tetraeder-Gerüst bei Drücken bis zu zehn Gigapascal Bestand hat.“

Die Wissenschaftler setzten nun gewöhnlichen Feldspat einem Druck von bis zu 27 Gigapascal aus und analy­sierten die Struktur des Minerals an der Extreme Conditions Beamline P02.2 von DESYs Röntgen­licht­quelle PETRA III und an der Advanced Photon Source in Chicago. „Bei Drücken über zehn Gigapascal haben wir neue Hochdruck­formen von Anorthit, Albit und Mikroklin entdeckt“, berichtet Pakhomova. „Die Phasenübergänge werden durch starke geometrische Verzerrungen der AlO₄- und SiO₄-Tetraeder ausgelöst. Dies führt dazu, dass die Aluminium- und Silizium­atome zusätzliche Nachbar­atome erhalten und sich dichtere Gerüste auf der Basis von Polyedern bilden, bei denen ein Aluminium- oder Silizium­atom an vier, fünf oder sechs Sauerstoff­atome gebunden ist.“

Um die Stabilität der entdeckten Hochdruck­varianten bei hohen Temperaturen zu untersuchen und damit auch ihre Chance, im Erdinneren zu existieren, führten die Wissen­schaftler am Bayerischen Geoinstitut eine Reihe von Hochdruck-Hoch­temperatur-Experi­menten durch. Dabei zeigte sich, dass die Hochdruck­variante von Anorthit unter einem Druck von 15 Gigapascal auch bei Temperaturen von bis zu 600 Grad Celsius noch stabil ist.

„Solche Druck-Temperatur-Bedingungen herrschen auf der Erde etwa in den Subduktions­zonen, das sind Regionen, in denen zwei Erdplatten aufeinander­treffen und eine sich unter die andere schiebt“, erklärt Dubrovinsky. „In solchen geologischen Umgebungen werden Feldspate zusammen mit anderem Krusten­material von der absteigenden Platte in die Tiefe der Erde befördert. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hochdruckphasen von Feldspat in kalten Subduktions­zonen noch in Tiefen stabil sein könnten, die dem oberen Erdmantel entsprechen, sofern die Temperatur nicht über 600 Grad ansteigt. Das könnte die Dynamik und die Entwicklung kalt abtauchender Erdplatten beeinflussen und seismische Signaturen verändern.“

DESY / RK

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