Eine Wasserstoff-Karte des Nordhimmels
Erste Daten des Effelsberg-Bonn-HI-Survey veröffentlicht.
Es ist ein wissenschaftlicher Meilenstein: Mit einem der größten Radioteleskope der Welt, dem 100-m-Teleskop in Effelsberg, haben Astronomen den komplette Nordhimmel in der 21-cm-Spektrallinie des neutralen Wasserstoffs vermessen. Das Projekt startete im Jahr 2008 und hat mit der Bereitstellung der ersten Daten des „Effelsberg-Bonn-HI-Survey“, kurz EBHIS, für die astronomische Forschung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Daten stehen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zur Verfügung. Zusätzlich zu den jetzt veröffentlichten Daten für die Milchstraße gibt EBHIS einzigartige Informationen über HI in anderen Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 750 Millionen Lichtjahren.
Abb.: Karte des gesamten Nordhimmels im Licht des neutralen Wasserstoffs, aufgenommen im Rahmen des Effelsberg-Bonn-HI-Surveys. Die Milchstraße erscheint als leuchtendes Band quer über den Himmel. (Bild: EBHIS)
Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum. Er setzt sich aus nur einem Proton und einem Elektron zusammen und ist damit auch das einfachste Element im Weltraum. Die 21cm-Linie ist eine sehr schwache, aber charakteristische Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs HI. Damit können nicht nur schwächste Signale von weit entfernten Galaxien mit dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg aufgespürt werden, sondern auch die Bewegung dieser Galaxien relativ zur Erde genau bestimmt werden.
Um das EBHIS-Projekt am 100-m-Radioteleskop umzusetzen, wurde ein spezieller neuer Empfänger benötigt. Mit sieben Empfangselementen, die jeweils unabhängig voneinander den Himmel vermessen, war es möglich, die erforderliche Beobachtungszeit um beinahe eine Größenordnung zu reduzieren, von mehreren Jahrzehnten hinunter auf nur noch fünf Jahre. Im Rahmen von EBHIS wurden außerdem spezielle Spektrometer entwickelt, die „Field Programmable Gate Arrays“, mit denen Datenverarbeitung in Echtzeit sowie die Speicherung von etwa 100 Millionen individuellen HI-Spektren in der benötigten hohen Qualität möglich wurde. Diese HI-Spektren wurden mit Hilfe von Hochleistungsrechnern zusammengesetzt zu einer einzigartigen Karte des gesamten Nordhimmels mit unübertroffenem Detailreichtum bei der Darstellung des Gases der Milchstraße.
Für eine Reihe von Astronomie-Studenten an der Uni Bonn wurde ein einzigartiger Zugang zu den EBHIS-Daten noch vor deren kompletter Veröffentlichung möglich. Im Jahr 2013 wurde ein Abkommen zwischen dem EBHIS-Team und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA unterzeichnet. Dadurch erhielt die ESA exklusiven Zugang auf die HI-Daten für ihre Satellitenmission Planck und umgekehrt erhielten Bonner Studenten Zugang zu den Planck-Daten im Rahmen ihrer Promotionsprojekte. Seit 2008 wurden zwölf Bachelor-, neun Master- und fünf Promotionsprojekte im Rahmen der Forschung mit EBHIS erfolgreich abgeschlossen.
Das “Square Kilometer Array” (SKA), das weltweit größte Radioastronomieprojekt der Zukunft, mit Beobachtungsstationen sowohl in Australien wie auch im südlichen Afrika, wird direkt von den EBHIS-Daten profitieren. Bedingt durch die Konstruktion des SKA als aus einzelnen Elementen zusammengesetztes Radiointerferometer, ist es grundsätzlich unempfindlich für die schwache und ausgedehnte HI-Strahlung aus der Milchstraße und benachbarten Galaxien. Da gerade diese Komponente der HI-Strahlung durch EBHIS sehr gut dargestellt wird, sind beide komplementär zueinander und nur die Kombination der Daten von EBHIS und dem SKA wird es ermöglichen, ein umfassendes Bild des interstellaren Wasserstoffgases zu liefern.
MPIfR / RK