03.07.2015

Einem Planeten in die Krippe schauen

Gasförmiger Riesenplanet liegt noch immer mitten in einer Scheibe aus Gas und Staub, die seinen Mutterstern umgibt.

Eine ganze Nacht lang war eine hochauflösende Infrarotkamera des Riesen­teleskops VLT in Chile auf ein einziges Objekt gerichtet, obwohl Beob­achtungs­zeit bei der Europä­ischen Südstern­warte ESO auf dem Paranal sehr kostbar ist. Mit Hilfe der Daten, die das Instrument NACO dabei sammelte, konnte ein interna­tionales Team unter der Leitung von Sascha Quanz von der ETH Zürich seine früher aufgestellte Hypothese bestätigen: Ein junger, gasförmiger Planet – der unserem Jupiter wahrscheinlich nicht unähnlich sein dürfte – umkreist den Stern mit der Katalognummer HD 100546.

Abb.: Die Bildung des riesigen Gasplaneten (rechts) in der Umgebung des Sterns HD 100546 (links, innerhalb der Scheibe) ist mit großer Wahrschein­lichkeit noch nicht abgeschlossen. Astronomen können daher seine Entstehung beobachten. (Bild: ESO, L. Calçada)

In astronomischen Maßstäben gilt HD 100546 mit einem Alter von fünf bis zehn Millionen Jahren als jung und zählt mit einer Entfernung von 335 Lichtjahren zu unserer kosmischen Nachbar­schaft. Wie viele junge Sterne ist er von einer großen Gas- und Staub­scheibe umgeben. In deren äußeren Region befindet sich der junge Planet etwa fünfzig Mal weiter entfernt von seinem Mutterstern, als die Erde von der Sonne.

Bereits 2013 hatte das Team eine erste Studien vorgelegt, die auf die Existenz dieses jungen Planeten hinwies. Damals disku­tierten die Forscher aber noch eine andere Erklärung für die gesammelten Daten: Beim beobachteten Objekt könnte es sich auch um einen zwar bedeutend größeren, jedoch älteren Riesen­planeten handeln, der weiter innen in der zirkum­stellaren Scheibe gebildet und hinausgeschleudert wurde. „Ganz ausschließen können wir dieses Szenario noch immer nicht“, gibt Sascha Quanz zu, „aber es ist sehr viel unwahr­schein­licher als unsere Erklärung, dass es sich dabei um einen entstehenden Planeten handelt.“

Wäre das Objekt früher weiter innen entstanden, hätte es genau in der Ebene der Gas- und Staubscheibe herausgeschleudert werden müssen und zwar zum richtigen Zeit­punkt, so dass es die Forscher jetzt beobachten konnten. „Das wäre ein sehr großer Zufall“, sagt Quanz. Deshalb bevorzuge er die nahe­liegende Interpre­tation, die in diesem Fall schon exotisch genug sei. Aufgrund der neuen Beobach­tungen sind die Forscher zudem sicher, dass das gemessene Signal nicht von einer Hinter­grund­quelle stammen kann. „Am besten erklären lassen sich die beobach­teten Eigen­schaften tatsächlich mit einem neu entstehenden Planeten, eingebettet in die Scheibe um seinen Mutter­stern“, so das Fazit der Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungs­schwerpunkts PlanetS entstanden ist.

HD 100546 b ist das erste derartige Objekt, das bisher entdeckt wurde. „Es liefert uns einzigartige Beobach­tungs­daten zum Entste­hungs­prozess eines riesigen Gasplaneten,“ sagt Quanz. Wie, wo und wann in den Scheiben um junge Sterne Riesen­planeten geformt werden, untersuchte man bisher vor allem theoretisch oder mit Hilfe von Computer­simulationen. „Jetzt haben wir ein ‚Labor’, aus dem wir empirische Informationen beziehen können“, erklärt der ETH-Forscher.

Andere Astronomen haben zwar inzwischen zwei weitere junge Sterne gefunden, von denen man annimmt, dass sie junge Riesen­planeten beher­bergen, doch diese Objekte scheinen in einem etwas späteren Entwick­lungs­stadium zu sein: Auf ihren Umlauf­bahnen haben sie bereits große Lücken in den Scheiben, in die sie eingebettet sind, hinterlassen. Solche Leerstellen fehlen in der Umgebung von HD 100546 b.

„Unser Objekt befindet sich noch immer im Entste­hungs­prozess und scheint immer noch von sehr viel Staub und Gas umgeben zu sein“, sagt Quanz. Neben der zirkum­stellaren Scheibe um den Stern, könnte es also eine kleinere, zirkum­planetare Scheibe geben, die den neu entstehenden Planeten umgibt.

Aufgrund der Beobachtungen in drei verschiedenen Wellenlängen­bereichen konnten die Forscher eine erste Schätzung der Temperatur und Größe des Objekts ableiten. Danach scheint es in einem Gebiet, dessen Durchmesser sieben Jupiter­durch­messern entspricht, im Mittel über 600 Grad Celsius heiß zu sein. Dass die Wärmestrahlung aus einem so großen Bereich stammt, spricht dafür, dass es sich bei der Quelle um eine Kombi­nation von einem jungen Planeten und einer zirkum­planetaren Scheibe handelt. Künftige Beobach­tungen mit dem Radio­teleskop ALMA sollen bestätigen, dass der entstehende Planet tatsächlich selbst von einer Scheibe umgeben wird, und Hinweise auf deren Masse und Ausdehnung liefern.

Und vielleicht wird HD 100546 für noch mehr Erkenntnisse sorgen: Aufgrund früherer Beobach­tungen des Sterns vermuten die Astronomen, dass ein zweiter Planet um ihn kreisen könnte. Er wäre dem Stern ungefähr fünfmal näher als der jetzt nachge­wiesene junge Planet. Mög­licher­weise können die Astronomen also sogar die Entstehung von mehreren Planeten im gleichen System beobachten. Allerdings ist die Existenz des zweiten, inneren Planeten noch zu bestätigen. Überraschend wäre sie nicht: Viele der bisher fast zweitausend entdeckten Exoplaneten gehören zu einem System mit mehreren Planeten – wie unser Sonnen­system.

ETHZ / OD

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