07.04.2006

Einfach bessere Röntgenbilder

Ein neues Phasenkontrastverfahren liefert ohne großen Aufwand detailreichere Aufnahmen.


Einfach bessere Röntgenbilder

Ein neues Phasenkontrastverfahren liefert ohne großen Aufwand detailreichere Aufnahmen.

Röntgenstrahlen werden von schweren chemischen Elementen wie dem Kalzium der Knochen wesentlich stärker absorbiert als von den leichten Elementen im weichen Körpergewebe. Während das weiche Gewebe im Licht der Röntgenstrahlen nahezu unsichtbar ist, verraten sich die Knochen durch ihren Schatten, wie Wilhelm Conrad Röntgen 1895 verblüfft feststellte, als er die Hand seiner Frau mit den neuen "X-Strahlen" durchleuchtete.

Dass das weiche Gewebe so durchlässig für Röntgenstrahlen ist, hat diese zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für die medizinische Diagnostik werden lassen. Doch die hohe Durchlässigkeit hat einen Preis: Sie erschwert es, krankhafte Veränderungen wie etwa Tumoren im weichen Körpergewebe auf dem Röntgenbild zu erkennen. Hier helfen phasenempfindliche Röntgenaufnahmen weiter. Schon eine 50 µm dicke Schicht aus biologischem Gewebe verzögert die Ausbreitung der Röntgenstrahlen so stark, dass sich ihre Phase um fast 180 Grad ändern kann. Anhand der Phasenänderung lassen sich auch im weichen Gewebe verborgene Strukturen erkennen.

Die bisher entwickelten phasenempfindlichen Verfahren sind indes sehr aufwendig, da sie punktförmige oder extrem intensive Röntgenquellen benötigen. Das hat ihren Einsatz in der Medizin stark behindert. Doch jetzt haben Forscher am Paul Scherrer Institut in Villigen in der Schweiz ein neues Verfahren vorgestellt, das mit herkömmlichen Röntgenröhren auskommt und Phasenkontrastbilder mit einem erstaunlichen Detailreichtum liefert. Da das Verfahren überraschend einfach und robust ist und keine größere Röntgenstrahlintensität benötigt als die diagnostisch genutzten Verfahren, könnte es in der Medizin eingesetzt werden.

Franz Pfeiffer und seine Kollegen bestimmen die Phasenänderung der Röntgenstrahlen, die eine Probe durchleuchtet haben, durch Interferometrie. Dazu haben sie ein Röntgeninterferometer entwickelt, das aus drei Gittern besteht, die in den Strahlengang einer inkohärenten Röntgenquelle gebracht werden. Alle drei Gitter bestehen im Wesentlichen aus Silizium und wurden photolithographisch hergestellt. Beim ersten Gitter, das direkt vor der Röntgenquelle steht, wurden die Schlitze des Siliziumgitter, die einen Abstand von 0,1 mm haben, mit Gold gefüllt. Während die Röntgenstrahlen das Silizium passieren können, werden sie vom Gold absorbiert. Dadurch wandelt das erste Gitter den breiten Strahl der Röntgenquelle in viele parallele Strahlen mit streifenförmigem Querschnitt um.

Die parallelen Röntgenstrahlen passieren dann das Untersuchungsobjekt, das knapp 1,8 Meter vom ersten Gitter entfernt ist. Das Objekt verändert sowohl die Intensität als auch die Phase der Strahlen. Anschließend treffen sie auf ein zweites Siliziumgitter, dessen Schlitze offen sind und einen Abstand von 4 µm haben. Die Röntgenstrahlen können also sowohl durch die Schlitze als auch durch die Siliziumstege hindurch kommen. Die unterschiedliche Wirkung der Schlitze und der Siliziumstege auf die Röntgenstrahlen führt dazu, dass in einigem Abstand hinter dem Gitter ein Beugungsbild entsteht, in dem sich mikrometerbreite "helle" und "dunkle" Bereiche abwechseln.

Die Form und Lage dieser Interferenzstreifen hängt davon ab, wie stark das Untersuchungsobjekt die anfangs parallelen Wellenfronten gleicher Phase verzerrt hat. Während unverzerrte Wellenfronten durch das zweite Gitter in parallele Interferenzstreifen abgebildet werden, entsteht aus verzerrten Fronten ein mehr oder weniger kompliziertes Interferenzmuster. Aus diesem Muster kann man somit erschließen, wie das Untersuchungsobjekt lokal die Phase der Röntgenstrahlen verändert hat. Allerdings ist das Interferenzmuster zu fein strukturiert, um es direkt mit einem Detektor aufnehmen und die in ihm enthaltene Phaseninformation auswerten zu können. Die Forscher haben dieses Problem dadurch gelöst, dass sie knapp drei Zentimeter hinter dem zweiten Gitter ein drittes aufgestellt haben. Bei diesem Gitter sind die mikrometerbreiten Schlitze wiederum mit Gold gefüllt. Nur dort, wo ein heller Streifen des Interferenzmusters auf einen transparenten Siliziumsteg des dritten Gitters fällt, kann Röntgenstrahlung das Gitter passieren und zum Detektor gelangen.

Die Bilder, die die Forscher auf diese Weise gewinnen, zeigen sowohl die Intensitäts- als auch die Phasenänderung, die das Untersuchungsobjekt verursacht hat. So kann man auf dem Röntgenbild eines kleinen Fischs sowohl das Skelett als auch Strukturen im weichen Körpergewebe wie z. B. die Augen erkennen. Dabei werden noch Details aufgelöst, die kleiner als ein Zehntelmillimeter sind. Der Untersuchungsbereich ist zwar nur einige Quadratzentimeter groß, doch mit größeren Gittern könnte man auch Bereiche von 100 cm 2 und mehr abbilden. Mithilfe der 300-mm-Wavertechnologie könnte man Gitter der erforderlichen Größe herstellen.

Nicht nur für die medizinische Röntgendiagnostik eröffnet das Verfahren neue und ungeahnte Möglichkeiten. Auch die Untersuchung von Polymeren und anderen Materialien, die Röntgenstrahlen nur geringfügig absorbieren, könnte davon profitieren. Außerdem lassen sich mit dem neuen Verfahren auch noch andere Strahlen geringer Intensität zur Bilderzeugung nutzen, z. B. Neutronen- oder Atomstrahlen.

Rainer Scharf

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