11.12.2024

Einfangquerschnitt solarer Neutrinos auf Thallium bestimmt

Messung kann zum Verständnis der langfristigen Stabilität der Sonne beitragen.

Die Sonne erzeugt ihre gewaltige Energie durch den Prozess der Kernfusion. Gleichzeitig setzt sie dabei einen kontinuierlichen Strom von Neutrinos frei – Teilchen, die als Boten für ihre innere Dynamik fungieren. Obwohl moderne Neutrino-Detektoren das gegenwärtige Verhalten der Sonne enthüllen, bleiben bezüglich ihrer über Millionen von Jahren andauernden Stabilität wesentliche Fragen bestehen – ein Zeitraum, der die menschliche Evolution und bedeutende Klimaveränderungen umfasst. Antworten darauf zu finden, ist das Ziel von LOREX, dem Lorandite Experiment, das eine genaue Kenntnis des solaren Neutrino-Wirkungsquerschnitts auf Thallium erfordert. Diese Informationen wurden jetzt von einer internationalen Kollaboration von Forschern bereitgestellt. Sie haben dafür die Einrichtungen des Experimentierspeicherrings ESR bei GSI/FAIR in Darmstadt genutzt, um eine wichtige Messung zu erhalten, die zum Verständnis der langfristigen Stabilität der Sonne beitragen wird.

Abb.: Schema des Beta-Zerfalls.
Abb.: Schema des Beta-Zerfalls im gebundenen Zustand eines elektronenfreien 205Tl81+ Kerns in ein wasserstoffähnliches 205Pb81+ Ion durch Erzeugung eines gebundenen Elektrons, wie im Experimentierspeicherring gemessen.
Quelle: R. Sánchez & R.S. Sidhu, GSI / MPIK / SOHO-EIT Consortium, ESA, NASA.

LOREX ist das einzige geochemische Langzeit-Sonnenneutrino-Experiment, das noch aktiv betrieben wird. Es wurde in den 1980er Jahren vorgeschlagen und zielt darauf ab, den solaren Neutrinofluss im Mittel über einen Zeitraum von bemerkenswerten vier Millionen Jahren zu messen, was dem geologischen Alter des Lorandit-Erzes entspricht.

Die in unserer Sonne erzeugten Neutrinos wechselwirken mit Thallium-Atomen, die im Lorandit-Mineral TlAsS2 vorkommen, und wandeln sie in Blei-Atome um. Das Isotop 205Pb ist aufgrund seiner langen Halbwertszeit von 17 Millionen Jahren besonders interessant, weil es über den Zeitraum von vier Millionen Jahren im Lorandit-Erz im Wesentlichen stabil ist. Da es bisher nicht möglich ist, den Neutrino-Wirkungsquerschnitt an 205Tl direkt zu messen, haben sich Forscher bei GSI/FAIR eine geschickte Methode ausgedacht, um die relevante kernphysikalische Information zur Bestimmung des Neutrino-Wirkungsquerschnitts zu messen. Dabei machten sie sich zunutze, dass diese Größe, das nukleare Matrixelement, auch die Rate für den gebundenen Betazerfall von vollständig ionisiertem 205Tl81+ zu 205Pb81+ bestimmt.

Die experimentelle Messung der Halbwertszeit des Betazerfalls im gebundenen Zustand von voll ionisierten 205Tl81+-Ionen war nur dank der einzigartigen Möglichkeiten des Experimentierspeicherrings ESR bei GSI/FAIR realisierbar. Der ESR ist derzeit die einzige Einrichtung, an der solche Messungen möglich sind. Die 205Tl81+-Ionen wurden durch Kernreaktionen im GSI/FAIR-Fragmentseparator FRS erzeugt und so lange gespeichert, bis ihr Zerfall im Speicherring beobachtet und erfolgreich gemessen werden konnte.

„Es waren jahrzehntelange kontinuierliche Fortschritte in der Beschleunigertechnologie erforderlich, um einen intensiven und reinen 205Tl81+-Ionenstrahl zu erzeugen und seinen Zerfall mit hoher Präzision zu messen“, sagte Yuri Litvinov, Sprecher des Experiments.

„Das Team hat die Halbwertszeit des Betazerfalls von 205Tl81+ mit 291 (+33/-27) Tagen gemessen, eine wichtige Messung, die die Bestimmung des solaren Neutrino-Einfangquerschnitts erlaubt“, erklärt Rui-Jiu Chen, ein an dem Projekt beteiligter Postdoc. Sobald die Konzentration von 205Pb-Atomen in den Lorandit-Mineralien im Rahmen des LOREX-Projekts bestimmt ist, wird es möglich sein, Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Sonne und ihre Verbindung zum Klima der Erde über Jahrtausende hinweg zu geben.

GSI / RK

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