29.08.2016

Einschlag schwerer Ionen

Mit energiereichen Ionen können komplexe Nanostrukturen auf Kristalloberflächen erzeugt werden.

Ein Meteor, der in flachem Winkel auf die Erde trifft, kann gewaltige Verwüstungen anrichten: Er schrammt über die Erd­oberfläche und legt oft eine lange Strecke zurück, bevor er sich endgültig in den Boden bohrt. Dort wo er aufschlägt, kann er das Gestein verdampfen und große Material­mengen aufschmelzen. Am Ende bleibt nicht nur ein Krater oder ein Schutthaufen zurück, sondern auch noch eine ausgedehnte Spur der Verwüstung, vor und hinter der Einschlag­stelle.

Abb.: Nanostrukturen nach dem Ionenbeschuss: Der Pfeil zeigt die Richtung der Ionen an: Zunächst ensteht ein Graben mit Nanohillocks an beiden Seiten, ein besonders großer Hügel zeigt den Impakt-Punkt an, danach ist noch eine Erhebung entlang des Pfades zu sehen, den das Ion unter der Oberfläche zurücklegt. (Bild: TU Wien)

Ganz ähnlich verhält es sich mit schweren Ionen, die mit hoher Geschwindig­keit auf eine Kristall­oberfläche geschossen werden – allerdings auf mikro­skopischer Skala. Am Institut für Ange­wandte Physik der TU Wien unter­sucht das Team von Friedrich Aumayr, welche Strukturen sich bilden lassen, wenn man Ionen in flachem Winkel auf Kristalle schießt. „Wenn wir die Oberfläche der Kristalle mit einem Raster­kraftmikro­skop untersuchen, dann erkennen wir sehr deutliche Paral­lelen zwischen den Spuren der Ionen-Einschläge und einem Meteo­riten-Impakt“, sagt Elisabeth Gruber aus dem Team von Friedrich Aumayr. „Das unter sehr flachem Winkel einfallende Projektil gräbt zunächst eine Rille in den Kristall, die mehrere hundert Nano­meter lang sein kann. Rechts und links davon werden winzige Hügel aufgehäuft, die Nano­hillocks.“

Dort, wo das Ion dann endgültig unter der Kristall­oberfläche verschwindet, bildet sich eine besonders hohe Erhebung. Dahinter kann man den Weg des Projektils noch ein Stück anhand einer Oberflächen­erhebung verfolgen, bis es schließlich tiefer in den Kristall eindringt und dann zum Still­stand kommt. Das klingt intuitiv recht einleuchtend. Doch in Wirk­lichkeit ist es alles andere als selbst­verständlich, dass sich Objekte der Nano-Welt ähnlich verhalten wie große Alltags­objekte. Wenn es darum geht, wie einzelne Atome ihre Energie unter­einander austauschen hat schließlich auch die Quantenphysik ein gewichtiges Wort mitzureden.

„Bei der Wechsel­wirkung energie­reicher Ionen mit Kristall­oberflächen – in unserem Fall Kalzium­fluorid – können viele verschiedene physi­kalische Effekte eine Rolle spielen“, sagt Friedrich Aumayr. „So können etwa einzelne Elektronen ihren Energiezustand wechseln, dadurch Energie mit Atomen der Umgebung austauschen und so im Kristall Schwingungen anregen, die Phononen. All das muss man berück­sichtigen, wenn man diese Art der Nano­struktur­bildung untersucht.“

Abb.: Elisabeth Gruber forscht an komplexen Nanostrukturen, die nach einem Beschuss mit Ionen entstehen. (Bild:TU Wien)

Um die Mecha­nismen genau zu verstehen, die zur Bildung der Nano­strukturen auf der Kristall­oberfläche führen, entwickelte das Team in Zusammen­arbeit mir deutschen Kollegen umfang­reiche Simu­lations­rechnungen. „Wir sehen dadurch, wie stark sich die Ober­fläche an welchen Stellen aufheizt“, erklärt Elisabeth Gruber. „In manchen Bereichen wird es so heiß, dass das Material aufge­schmolzen wird, an bestimmten Stellen kann es sogar verdampfen. Wenn wir wissen, wie groß diese Regionen jeweils sind, können wir auch gut vorhersagen, welche Nano­strukturen sich auf der Ober­fläche bilden.“

Solche Forschungs­arbeiten dienen nicht nur dazu, besser zu verstehen, wie man Nano­strukturen auf Ober­flächen gezielt herstellen kann. Es ist auch wichtig zu untersuchen, wie Materia­lien durch uner­wünschten Ionen­beschuss geschädigt werden. „Kalzium­fluorid wird oft als Isolator in der Halb­leiter­technik verwendet“, sagt Friedrich Aumayr. „Auch unter extremen Bedin­gungen, zum Beispiel in Satel­liten, die der kosmischen Höhen­strahlung ausgesetzt sind, soll die Elektronik noch funk­tionieren.“ Wenn das Kalzium­fluorid durch Ionen­beschuss durchlöchert wird, kann es im schlimmsten Fall zu einem Kurz­schluss und zu einer Zerstörung des Bauteils kommen. Daher ist es wichtig, die Wechsel­wirkung zwischen Kristall­oberflächen und Ionen genau zu unter­suchen.

TU Wien / JOL

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